Benutzer:MorlocksAndEloi/Hochsensibilität

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Hochsensibilität (deutsche Terminologie uneinheitlich; auch: Hochsensitivität, zuweilen auch missverständlich: Hypersensibilität oder Überempfindlichkeit) bezeichnet ein psychologisches und neurophysiologisches Phänomen.

Betroffene nehmen Sinnesreize viel eingehender wahr, verarbeiten diese tiefer und reagieren auch dementsprechend stärker darauf als der Bevölkerungsdurchschnitt. Bisher gibt es jedoch keine eindeutige und allgemein anerkannte neurowissenschaftliche Erklärung des Phänomens Hochsensibilität.

Es handelt sich bei Hochsensibilität nicht um eine „psychische Störung“ oder „Erkrankung“,[1] sondern eine psychologische und neurophysiologische Ausprägung, die bei etwa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung vorkommen soll.[2] Allerdings kommen laut Schätzungen psychischen Störungen bei Hochsensiblen häufiger vor als im Bevölkerungsdurchschnitt.[3]

In der Forschung wird die betreffenden Eigenschaft auch als höhere sensorischen Verarbeitungssensitivität bezeichnet.[3]

Kritik am Gesamtkonzept[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Hauptkritikpunkt ist, dass Hochsensibilität unterschiedliche, nicht notwendigerweise zueinander passende Konzepte miteinander kombiniert.[4] Es sei außerdem unklar, ob Hochsensibilität am besten geeignet ist, die nachweisbaren Unterschiede in der Wahrnehmung zu erklären.[3]

Asendorpf sieht Hochsensibilität als eine Unterklasse des Persönlichkeitsmerkmals emotionale Instabilität. Dem wird jedoch entgegnet das emotionale Instabilität nur ein Teilaspekt von Hochsensibilität sei.[3]

Außerdem wurde bemängelt (Stand 2014), dass es kaum methodisch einwandfreie und aussagekräftige Studien gibt, die erklären können, inwiefern das Gehirn der Betroffenen Reize anders verarbeitet als bei anderen Menschen.[1] Inzwischen (Stand 2019) gibt es jedoch Studien, die die These der unterschiedlichen Reizverarbeitung stützen (s.u.).

Es wurde auch kritisiert, dass das Konzept Hochsensibilität als Vorwand benutzt werde, um eine besondere Behandlung zu rechtfertigen.[5]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neurale und kognitive Aspekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einen tatsächlichen Hinweis auf neurale Unterschiede, die mit Hochsensibilität einhergehen, stammen aus einer fMRT-Studie. Personen mit Hochsensibilität waren in dieser Studie langsamer darin geringfügige Änderungen in ihnen unbekannten fotografischen Szenen zu entdecken. Sie zeigen dabei mehr Aktivierung in Hirnarealen, die für visuellen Aufmerksamkeit zuständig sind. Im Einklang mit Arons Theorie wird dies damit erklärt, dass sie sich mehr mit den subtilen Details dieser Darstellung beschäftigen. Es gab kein Unterschied in der Genauigkeit im Entdecken von Veränderungen zwischen Hochsensiblen und Nichtsensiblen.[6][3] In einer anderen Studie reagierten Hochsensible schneller bei einer Aufgabe, bei der sie auf bekannte visuelle Reize reagieren mussten, berichteten aber gleichzeitig von der Aufgabe gestresster zu sein.[7]

Fälschlicherweise wird Hochsensibilität mit Hochbegabung in Verbindung gebracht.[3]

Persönlichkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hochsensibilität ist nicht mit Schüchternheit zu verwechseln.[3] Eine Studie, die bei ambulanten Patienten mit sozialer Angststörung durchgeführt wurde, konnte keine Verbindung zwischen der Hochsensibilität und dem Grad der sozialen Ängstlichkeit der Patienten nachweisen.[8] Vielmehr scheint ein Zusammenhang mit Verhaltenshemmung zu bestehen. Das heißt, die Motivation unangenehme Zustände und negative Folgen von Verhalten zu verhindern, ist bei Hochsensiblen ausgeprägt. Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hochsensible tendenziell stärkere positive Gefühle als Reaktion auf einen belohnenden Reiz erleben. Jedoch scheint das Bedürfnis, diese Belohnungsreize aktiv anzustreben, bei Hochsensiblen nicht anders ausgeprägt zu sein als bei Nichtsensiblen.[9] Eine andere Studie konnte die Ergebnisse zu stärkeren positiven Gefühlen bei Hochsensiblen teilweise stützen. Allerdings traten in dieser Studie die intensiveren positiven Gefühle nur bei den Hochsensiblen auf, die in der Kindheit eine Erziehung mit hoher Fürsorge und wenig Überbehütung erfahren hatten.[10]

Die von Aron in dem von ihr entwickelten Hochsensibilitätstest aufgestellten Kriterien sind dabei mit verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen assoziiert. Hochsensibilität steht demnach mit Offenheit für neue Erfahrung in Verbindung und vor allem mit dem Persönlichkeitsmerkmal Neurotizismus, das „emotionale Instabilität“ charakterisiert. Die von Aron angenommene Assoziation mit Gewissenhaftigkeit und Introversion wurde nicht bestätigt.[9]

Auf Grund der Ähnlichkeit zu Hochsensibilität wurden auch Bezüge zu anderen Merkmalen hergestellt. Beispielsweise ist es charakteristisch bei Autismus stark sensitiv auf physische Reize zu reagieren, aber wenig emotional sensitiv zu sein.[11][12] Autismus liegt allerdings nicht nur als Erkrankung in der Bevölkerung vor, sondern auch als ein auf einem Kontinuum liegendes Persönlichkeitsmerkmal.[13] Tatsächlich steht Hochsensibilität schwach bis moderat in Verbindung mit zwei von drei untersuchten Bereichen dieses autistischen Kontinuums: Hochsensibilität geht einher mit schlechteren sozialen Fähigkeiten(Anm.1) und einer vermehrten Aufmerksamkeit für Details.[14] Hochsensibilität korreliert außerdem mit Schwierigkeiten die eigenen Gefühle zu identifizieren und sie in Worten zu beschreiben.[14]

Stress und Reaktion auf Stress[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hochsensibilität steht in Verbindung mit höherem berichtetem Stress-Empfinden[15][16][17] und häufigeren Berichten zu Symptomen für Erkrankungen.[16] Es ist allerdings unklar, ob hochsensible Personen tatsächlich häufiger krank sind oder ob sie sich eher somatischer Symptome bewusst sind und auf geringfügige physiologische Empfindungen achten, die andere möglicherweise nicht bemerken.[16]

Eine andere Studie zeigte ein differenziertes Bild bezogen auf wahrgenommenen Arbeitsstress. Dass sie in einer ersten Stressreaktion in eine Art „Alarmbereitschaft“ geraten, berichten Hochsensible nicht häufiger als Nichtsensible. Dagegen berichten sie durchaus häufiger dauerhaften, anhaltenden Stress. Hochsensible lösen sich auch eher emotional von ihrer Arbeit und treten in einen Zustand vergleichbar der „Entfremdung“ ein.[18]

Psychische Erkrankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Männern ist die Chance für die Entwicklung einer psychischen Störung 12 mal höher, wenn sie hochsensibel sind, für Frauen liegt sie bei 8,5.[19]

Entwicklung/Einflussfaktoren in Kindheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch wenn Hochsensibilität nicht mit Schüchternheit verwechselt werden sollte,[3] kann sie unter bestimmten Umständen zu Schüchternheit führen (verstanden als Unbehagen und Einschränkung des Wunsches nach sozialem Kontakt). So begünstigt Hochsensibilität bei biografisch vorbelasteten Menschen (psychische Traumata, familiäre Konflikte, schwierige Sozialisation) die Entstehung von Schüchternheit und auch negativer Emotionalität.[20] --> passt i.P. auch zu Persönlichkeit

Eltern von hochsensiblen und nichtsensiblen Kindern unterscheiden sich nicht darin, wie warmherzig oder liebevoll sie mit ihrem Kind sind. Darüber hinaus berichten Heranwachsende, die von ihren Eltern bevormundet und abhängig gemacht wurden, häufiger hochsensibel zu sein.[21] Erfahren Hochsensible als Kind eine Erziehung mit hoher elterlicher Fürsorge und werden dabei gleichzeitig wenig überbehütet (dürfen z.B. Dinge allein entscheiden), bewerten sie als Erwachsene emotional positive Bilder als intensiver.[10]

Hochsensibilitäts-Test[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Elaine Aron hat einen Hochsensibilitäts-Test ausgearbeitet, der heute in der Psychologie zur empirischen Erfassung der Hochsensibilität Verwendung findet. Spätere Forschung konnte die Validität des Testverfahrens bestätigen. Allerdings umfasst dieser Test nicht, wie von Aron angenommen, nur eine einheitliche Dimension von Hochsensibilität, sondern zwei[3][22] oder drei[23][24][19] verschiedene Komponenten:

...

Am Test wurde kritisiert dass er suggestiv sei. Statt dass sich Hochsensible per Fragebogen selbst identifizieren, sollte sich ein entsprechende Einordnung auf physiologische Messungen stützen.[3]

Die erste wissenschaftliche Übersetzung in eine deutschen Version mit 27 Fragen wurde an der Universität Graz durchgeführt.[25] An der Helmut-Schmidt-Universität wurde der Test dahingehend überarbeitet, dass der Inhalt einzelner Punkte auf zusätzliche Fragen (insgesamt 39) aufgeteilt wurde. Nach einer entsprechenden Evaluierung in einer Stichprobe mit über 3.500 Personen wurden diese auf 26 Fragen gekürzt. In der Anwendung lag bei dem resultierenden Test die Schwelle für Hochsensibilität bei 81 Punkten für Männer und 88 Punkten für Frauen.[19]


(Anm.1) 
Beispielaussagen des in dieser Studie verwendeten Fragebogens sind "ich finde es schwierig, neue Freunde zu finden" oder "ich finde es schwierig, die Absichten von Leuten zu verstehen".
  1. a b Matthias Lauerer: Das unerträgliche Hämmern des Uhrzeigers. In: Spiegel. 1. Dezember 2014 (spiegel.de).
  2. Jessica Kühn: Leben ohne Filter im Kopf. In: sueddeutsche.de. 4. Januar 2018, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 17. Dezember 2018]).
  3. a b c d e f g h i j Nele Langosch: Persönlichkeit: Gibt es hochsensible Menschen? In: www.spektrum.de. Spektrum der Wissenschaft, 9. Juni 2016, abgerufen am 12. Januar 2019.
  4. Inge Taucher: Interview: Empfindsame Seelen. In: spektrum.de. Spektrum der Wissenschaft, 7. Juni 2016, abgerufen am 14. Januar 2019.
  5. Mann und sensibel. Abgerufen am 12. Februar 2019.
  6. Xuchu Weng, Tingyong Feng, Guikang Cao, Elaine Aron, Arthur Aron: The trait of sensory processing sensitivity and neural responses to changes in visual scenes. In: Social Cognitive and Affective Neuroscience. Band 6, Nr. 1, 1. Januar 2011, ISSN 1749-5016, S. 38–47, doi:10.1093/scan/nsq001, PMID 20203139, PMC 3023077 (freier Volltext) – (oup.com [abgerufen am 30. Dezember 2018]).
  7. Sensory-processing sensitivity predicts performance on a visual search task followed by an increase in perceived stress. In: Personality and Individual Differences. Band 53, Nr. 4, 1. September 2012, ISSN 0191-8869, S. 496–500, doi:10.1016/j.paid.2012.04.019 (sciencedirect.com [abgerufen am 3. Januar 2019]).
  8. Sensory-processing sensitivity in social anxiety disorder: Relationship to harm avoidance and diagnostic subtypes. In: Journal of Anxiety Disorders. Band 21, Nr. 7, 1. Januar 2007, ISSN 0887-6185, S. 944–954, doi:10.1016/j.janxdis.2006.12.003, PMID 17241764, PMC 2174907 (freier Volltext) – (sciencedirect.com [abgerufen am 15. Dezember 2018]).
  9. a b A psychometric evaluation of the Highly Sensitive Person Scale: The components of sensory-processing sensitivity and their relation to the BIS/BAS and “Big Five”. In: Personality and Individual Differences. Band 40, Nr. 6, 1. April 2006, ISSN 0191-8869, S. 1269–1279, doi:10.1016/j.paid.2005.09.022 (sciencedirect.com [abgerufen am 29. Dezember 2018]).
  10. a b Jadzia Jagiellowicz, Arthur Aron, Elaine N. Aron: Relationship Between the Temperament Trait of Sensory Processing Sensitivity and Emotional Reactivity. 2016, abgerufen am 2. Januar 2019 (englisch).
  11. Liss, M., Saulnier, C., Fein, D., & Kinsbourne, M.: Sensory and attention abnormalities in autistic spectrum disorders. In: Autism. Band 10, S. 155–172.
  12. R. L. Watling, J. Deitz, O. White: Comparison of Sensory Profile scores of young children with and without autism spectrum disorders. In: The American Journal of Occupational Therapy: Official Publication of the American Occupational Therapy Association. Band 55, Nr. 4, 2001, ISSN 0272-9490, S. 416–423, PMID 11723986 (nih.gov [abgerufen am 11. Januar 2019]).
  13. Emma Clubley, Joanne Martin, Richard Skinner, Sally Wheelwright, Simon Baron-Cohen: The Autism-Spectrum Quotient (AQ): Evidence from Asperger Syndrome/High-Functioning Autism, Malesand Females, Scientists and Mathematicians. In: Journal of Autism and Developmental Disorders. Band 31, Nr. 1, 1. Februar 2001, ISSN 1573-3432, S. 5–17, doi:10.1023/A:1005653411471 (springer.com [abgerufen am 11. Januar 2019]).
  14. a b The relationships between sensory processing sensitivity, alexithymia, autism, depression, and anxiety. In: Personality and Individual Differences. Band 45, Nr. 3, 1. August 2008, ISSN 0191-8869, S. 255–259, doi:10.1016/j.paid.2008.04.009 (sciencedirect.com [abgerufen am 11. Januar 2019]).
  15. David S. Kemler: Sensitivity to Sensoriprocessing, Self-Discrepancy, and Emotional Reactivity of Collegiate Athletes. In: Perceptual and Motor Skills. Band 102, Nr. 3, Juni 2006, ISSN 0031-5125, S. 747–759, doi:10.2466/pms.102.3.747-759 (sagepub.com [abgerufen am 15. Dezember 2018]).
  16. a b c Grant Benham: The Highly Sensitive Person: Stress and physical symptom reports. In: Personality and Individual Differences. Band 40, Nr. 7, 1. Mai 2006, ISSN 0191-8869, S. 1433–1440, doi:10.1016/j.paid.2005.11.021 (sciencedirect.com [abgerufen am 12. Dezember 2018]).
  17. Hochsensibilität als Geschenk. Abgerufen am 12. September 2019.
  18. Arne Evers, Jochem Rasche, Marc J. Schabracq: High sensory-processing sensitivity at work. In: International Journal of Stress Management. Band 15, Nr. 2, 2008, ISSN 1573-3424, S. 189–198, doi:10.1037/1072-5245.15.2.189 (apa.org [abgerufen am 14. Dezember 2018]).
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  23. Kathy A. Smolewska u. a.: A psychometric evaluation of the Highly Sensitive Person Scale: The components of sensory-processing sensitivity and their relation to the BIS/BAS and Big Five. In: Personality and Individual Differences. Series B: Biological Sciences. Bd. 40, 2006, S. 1269–1279, doi:10.1016/j.paid.2005.09.022.
  24. Arne Evers, Jochem Rasche, Marc J. Schabracq: High sensory-processing sensitivity at work. In: International Journal of Stress Management. Band 15, Nr. 2, 2008, ISSN 1573-3424, S. 189–198, doi:10.1037/1072-5245.15.2.189 (apa.org [abgerufen am 14. Dezember 2018]).
  25. Christina Bloch: Ein empirischer Zugang zum Konstrukt der hochsensiblen Persönlichkeit, Dissertation. Medizinischen Universität Graz, Graz 2015, S. 206 (medunigraz.at).