Brandenburgische Konzerte

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Christian Ludwig, Markgraf von Brandenburg-Schwedt
Datei:DBPB 1971 392 250 Jahre Brandenburgische Konzerte.jpg
Anfangstakte des 2. Brandenburgischen Konzerts auf der Berliner Sonderbriefmarke "250 Jahre Brandenburgische Konzerte" von 1971

Die Brandenburgischen Konzerte sind eine Gruppe von sechs Konzerten von Johann Sebastian Bach (BWV 1046–1051). Sie sind dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt (1677–1734) gewidmet, den Bach im Winter 1718/1719 in Berlin kennengelernt hatte. Im September 1721 schickte er ihm die Partitur mit einer umfangreichen Widmung.

Der Titel Brandenburgische Konzerte wurde von Philipp Spitta in seiner 1873–1879 entstandenen Bach-Biografie geprägt und hat sich heute allgemein durchgesetzt. Bachs Originaltitel lautet „Six Concerts Avec plusieurs Instruments“.

Die sechs Konzerte weisen eine hohe stilistische und strukturelle Vielfalt auf. In ihrer Mischung der verschiedensten historischen und zukunftsweisenden Elemente bilden sie eine ganz persönliche und trotzdem allgemeingültige Ausdrucksform.

Entstehung

Als Bach 1721 seine Partitur an den Widmungsträger schickte, hatte er die Werke aus diesem Anlass nicht neu komponiert. Vielmehr hatte er die Sammlung aus vorhandenen Kompositionen zusammengestellt, die nicht alle erst in Köthen, sondern zum Teil bereits in Bachs Weimarer Amtszeit (1708 bis 1717) entstanden waren. So waren das erste und dritte Konzert nach heutigem Kenntnisstand in Weimar geschrieben worden, die anderen in den ersten Köthener Jahren. Dies lässt sich aus stilistischen Vergleichen mit den datierbaren Kantatensätzen schließen[1].

Es ist davon auszugehen, dass Bach am Köthener Hof entstandene Werke nur mit Erlaubnis seines Arbeitgebers Fürst Leopold einem anderen Fürsten widmen konnte[2]. Doch besteht kein Grund, an dessen Einverständnis zu zweifeln – von ihm kann sogar die Initiative ausgegangen sein, da er nur ein halbes Jahr zuvor dem Fürsten schon einen kristallenen Kronleuchter hatte überreichen lassen[3].

In Köthen begann Bach, seine Kompositionen zu umfangreichen Zyklen zusammenzustellen, indem er übergreifende Ordnungsprinzipen entwarf wie etwa planvolle Abfolgen von Tonarten oder Einzelsätzen – das Wohltemperierte Clavier oder die Englischen und Französischen Suiten sind Beispiele hierzu. Von einer derartigen Durchgestaltung eines Zyklus' ist bei den Brandenburgischen Konzerten aber noch nichts zu bemerken – außer vielleicht in dem Bestreben, möglichst jedes gängige Instrument mit einer Solopartie zu bedenken.

Von fünf der Konzerte sind auch Abschriften unabhängig von der Widmungspartitur erhalten; keine davon enthält aber mehrere Werke. Man darf davon ausgehen, dass Bach die Sammlung nur für die Widmungspartitur zusammenstellte und die Einzelkonzerte weder davor noch danach als zusammengehörig betrachtete. Mit anderen Worten, die Konzerte bilden nur eine lose Sammlung ohne jeden Versuch einer weiteren Gestaltung als eine Gesamtheit – Bach wäre es sicher nicht in den Sinn gekommen, die Konzerte bei einer Veranstaltung zusammen aufzuführen.

Umgekehrt zeigt sich Bachs sorgfältige Arbeit und damit die Wertschätzung, die er den Konzerten entgegenbrachte, in der Überarbeitung vieler Details der zugrunde liegenden Partituren – etwa die feine Differenzierung der Partien von Violoncello, Violone und Continuo, die er oft mit getrennten Stimmen bedenkt. Auch die sorgfältige Schreibweise der Partitur lässt ein deutliches Engagement für die Partitur erkennen; die Taktstriche sind fast ausnahmslos mit dem Lineal gezogen. Bach mag sich von der Widmung vielleicht den Titel eines Hofkapellmeisters und die damit verbundenen lukrativen Kompositionsaufträge versprochen haben.

Weitere Geschichte

Neben dem weggegebenen Widmungsexemplar besaß Bach natürlich von den Einzelkonzerten auch – nicht mehr erhaltene – Kompositionspartituren, die er in mehreren Fällen für spätere Fassungen, etwa als Einleitungssinfonien in Kantaten, nutzte. Indizien sprechen dafür, dass sein Sohn Carl Philipp Emanuel von einigen Konzerten Abschriften besaß und diese Musik so auch in Berlin bekannt machte.

Die Widmungspartitur lag bis 1850 unentdeckt zunächst in der Bibliothek des Markgrafen und dann in der Königlichen Bibliothek in Berlin. Sie wurde erst bei Erscheinen der Bach-Gesamtausgabe allgemein bekannt.

Übersicht

Konzert Tonart BWV Besetzung
1. Konzert F-Dur BWV 1046 2 Hörner, 3 Oboen, Fagott, Violino piccolo, Streicher, Basso Continuo
2. Konzert F-Dur BWV 1047 Trompete, Violine, Blockflöte, Oboe, Streicher, Basso Continuo
3. Konzert G-Dur BWV 1048 3 Violinen, 3 Violen, 3 Celli, Continuo
4. Konzert G-Dur BWV 1049 Violine, 2 Blockflöten, Streicher, Continuo
5. Konzert D-Dur BWV 1050 Cembalo, Violine, Traversflöte, Streicher, Continuo
6. Konzert B-Dur BWV 1051 2 Violen, Violoncello, 2 Gamben, Violone, Continuo

Stil

Die Konzerte sind hochgradig individuell in Instrumentation und allen kompositorischen Details. Dennoch lassen sich in stilistischer Hinsicht deutlich zwei Gruppen unterscheiden:

  • Das erste, dritte und sechste Konzert folgen der Form einer italienischen Ouvertüre aus Konzertsatz, langsamem Mittelsatz und Tanz – das erste Konzert in seiner Urform BWV 1071 ist wohl auch tatsächlich als eine solche Ouvertüre verwendet worden. Die langsamen Sätze enden hier jeweils in einer phrygischen Kadenz (einem Halbschluss in der Dominante). Zumindest das erste und dritte Konzert vertreten deutlich die ältere Form eines Gruppenkonzerts, in dem nicht solistische Instrumente einem Orchester, sondern Orchestergruppen einander gegenübergestellt werden.
  • Das zweite, vierte und fünfte Konzert stellen eine kleine Gruppe von Soloinstrumenten einem Streichorchester gegenüber und repräsentieren damit die modernere Form eines Concerto grosso; hier sind die Schlusssätze immer Fugati oder gar voll ausgebaute Fugen. Die zweite Gruppe wirkt aus stilistischer Sicht moderner; das bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass Bach diese Konzerte erst nach der Fertigstellung der drei anderen geschrieben haben kann.

Häufig behandeln die Konzerte die Instrumente nicht durchgehend gleich – so wird oft ein solistisches Instrument in einem anderen Satz überhaupt nicht oder in einer reinen Begleitfunktion eingesetzt, und im ersten und vierten Konzert löst sich die Violine, im zweiten erste Violine und erste Viola, im fünften das Cembalo aus der Gruppe zunächst gleichrangiger Solisten und drängt sich in den Vordergrund. Offensichtlich bestand für Bach noch kein Bedarf an einer aus heutiger Sicht „sauberen“ Trennung der instrumentalen Funktionen.

Einzelnachweise

  1. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik, Kassel 2000, ISBN 3-7618-1345-7
  2. Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, 2. Auflage 2007. S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-16739-5
  3. Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik, Kassel 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 90

Literatur

  • Peter Schleuning: Johann Sebastian Bach. Die Brandenburgischen Konzerte Bärenreiter; 1. Aufl. (März 2003), ISBN 978-3761814918.