Charbrowo

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Charbrowo
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Charbrowo (Polen)
Charbrowo (Polen)
Charbrowo
Basisdaten
Staat: Polen
Woiwodschaft: Pommern
Powiat: Lębork,
Gmina: Wicko
Geographische Lage: 54° 41′ N, 17° 36′ OKoordinaten: 54° 40′ 40″ N, 17° 35′ 47″ O
Einwohner: 746 (31. März 2011[1])
Postleitzahl: 84-352 (Wicko)
Telefonvorwahl: (+48) 59
Kfz-Kennzeichen: GLE
Wirtschaft und Verkehr
Straße: DW 214: WickoŁeba
Nächster int. Flughafen: Danzig



Charbrowo (deutsch Charbrow, slowinz. Ꭓãbrɵvɵ[2]) ist ein Dorf in der Gemeinde Wicko (Vietzig) bei Lębork (Lauenburg i. Pom.) in der polnischen Woiwodschaft Pommern.

Geographische Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charbrowo liegt in Hinterpommern, etwa acht Kilometer südlich von Łeba (Leba) und 18 Kilometer nordwestlich von Lębork (Lauenburg) entfernt an der Woiwodschaftsstraße 214, der ehemaligen Poststraße zwischen Lauenburg und Leba. Nachbardörfer sind Krakulice (Karlshof) im Nordwesten, Wrzeście (Freist) im Osten und das etwa 2 Kilometer entfernte Wicko (Vietzig) im Süden.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vormaliges Herrenhaus der Familie von Somnitz

In alten Urkunden, so auch noch zur Zeit des Olivaer Friedens 1660, als Lorenz Christoph von Somnitz hier Erbherr war, wurde die Ortschaft Gerberow genannt. Das spätere Charbrow war ein altes Kirchdorf mit einem Vorwerk, das früher ein Adelssitz war.

Im Jahr 1286 schenkte Herzog Mestwin II. von Pommerellen Charbrow dem Kujavischen Domkapitel[3] in Leslau.[4] Im Jahr 1564 kaufte der Lauenburger Landeshauptmann Ernst von Weiher, der ältere Bruder des Camminer Bischofs Martin von Weiher, die Dörfer Charbrow, Labenz und Ossecken, die zuvor zum Kloster Zuckau gehört hatten, von dem Leslauer Bischof Jakub Uchański für 12.000 Taler.[5] Im 17. Jahrhundert fiel Charbrow an die Familie Krockow.[6] Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Landgut von der Adelsfamilie von Somnitz aufgekauft, die es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Frühjahr 1945 verwaltete. Um 1780 gab es in Charbrow:[7] ein Vorwerk mit einem repräsentativen Herrschaftshaus, das Schloss Charbrow, eine Wassermühle, eine Kirche mit einem Prediger und einem Küster, elf Bauern, fünf Halbbauern, fünf Kossäten, einen Gasthof, eine Schmiede und insgesamt 43 Feuerstellen (Haushalte). Die Dorfbewohner betrieben neben Landwirtschaft auch Fischerei auf dem Lebasee und in drei Teichen. Zweimal jährlich wurde in dem Dorf ein Markt abgehalten. In den Jahrhunderten vor der Bodenreform in Hinterpommern Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich das Dorf im Besitz der Familie Somnitz befunden.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde Charbrow 1938 in Degendorf umbenannt.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Degendorf im Frühjahr 1945 von der Roten Armee besetzt und anschließend unter polnische Verwaltung gestellt. In Anlehnung an seinen traditionellen Namen Charbrow wurde Degendorf in Charbrowo umbenannt. Bis etwa 1947 wurde die deutsche Bevölkerung aus dem Dorf vertrieben.

Demographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bevölkerungsentwicklung bis 1945
Jahr Einwohner Anmerkungen
1818 270 davon 264 Einwohner im Kirchdorf und sechs auf der Ziegelei[8]
1867 645 am 3. Dezember, davon 194 im Dorf und 451 im Gutsbezirk[9]
1871 676 am 1. Dezember, davon 241 im Dorf (240 Evangelische, ein Katholik) und 435 im Gutsbezirk (sämtlich Evangelische)[9]
1910 715 am 1. Dezember, davon 186 Einwohner im Dorf und 529 im Gutsbezirk[10]
1933 612 [11]
1939 584 [11]
Anzahl Einwohner nach dem Zweiten Weltkrieg
Jahr 2008 2011
Einwohner 560 ca. 750

Kirchspiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Lorenz Christoph von Somnitz (1612–1678) gestiftete Dorfkirche.
Dorfkirche, Rückansicht

Seit der Reformation hatten bis zum Jahr 1671 lutherische Pfarrer die Kirchengemeinde betreut. Anschließend waren in der Gemeinde bis 1736 evangelisch-reformierte Geistliche tätig gewesen, danach bis 1945 wieder lutherische. Die Kirche stand seit Mitte des 18. Jahrhunderts unter dem Patronat der Familie von Somnitz-Charbrow. Wie ebenfalls in Osseken und einigen anderen Orten des kaschubischen Winkels wurde in der Dorfkirche noch im 19. Jahrhundert außer auf Deutsch auch auf Kaschubisch gepredigt.[12] Bekannte Pfarrer waren:

  • Paul Caßius (* 5. Oktober 1667, † 25. Januar 1727), war von Juli 1690 bis Mitte Oktober 1701 Pfarrer in Charbrow.[13]
  • Johann Behnke (* 1739), war um 1780 Pfarrer in Charbrow.[14]
  • August Bechthold, war um 1870 Pfarrer in Charbrow[15]
  • Kurt Trowitzsch, letzter deutscher Pfarrer vor 1945[16]

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trivia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In älterer Zeit sollen ein an der weiß getünchten Schloss-Außenwand sichtbar gewesener dunkler Flecken und ein in eine Eiche neben der Kirchenpforte eingewachsener eiserner Haken Gegenstände lokaler Erzählungen gewesen sein.[17]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ludwig Wilhelm Brüggemann: Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königl. Preußischen Herzogthums Vor- und Hinter-Pommern. Teil II, 2. Band, Stettin 1784, S. 1066–1067, Ziffer (12) (Digitalisat, bitte bis S. 1066 weiterblättern).
  • O. Knoop: Die Abnahme der kassubischen Bevölkerung im Kirchspiel Charbrow. In: Baltische Studien, Hrsg. Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde, Jg. 33, Hercke & Lebeling, Stettin 1883, S. 368–370. (Digitalisat).
  • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser 1901. Der in Deutschland eingeborene Adel (Uradel), Jg. 2, Justus Perthes, Gotha 1900. Digitalisat
  • Franz Schultz: Geschichte des Kreises Lauenburg in Pommern. H. Badengoths Buchdruckerei, Lauenburg 1912, S. 339–343. (Digitalisat).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Charbrowo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. GUS 2011: Ludność w miejscowościach statystycznych według ekonomicznych grup wieku (polnisch), 31. März 2011, abgerufen am 26. Juni 2017
  2. Eintrag im „Slowinzischen Wörterbuch“ von Friedrich Lorentz. Zum System der Slowinzisch-Lautschrift von Lorentz, vgl. „Slowinzische Grammatik“, S. 13–16 (scan 40–43), anschließend die Lautlehre.
  3. August Karl Holsche: Geographie und Statistik von West-, Süd- und Neu-Ostpreußen. Nebst einer kurzen Beschreibung der Geschichte des Königreichs Polen bis zu dessen Zerteilung. 2. Band, Berlin 1804, S. 249.
  4. Johann Jakob Sell: Geschichte des Herzogtums Pommern von den ältesten Zeiten bis zum Tode des letzten Herzogs, oder bis zum Westfälischen Frieden. 1. Teil, Berlin 1819, S. 349-350, Fußnote b).
  5. Reinhold Cramer: Geschichte der Lande Lauenburg und Bütow. Teil I, Königsberg 1858, S. 183.
  6. Czesław Biernat (Hrsg.): Staatsarchiv Danzig: Wegweiser durch die Bestände bis zum Jahr 1945. Oldenbourg, München 2000, S. 515.
  7. Ludwig Wilhelm Brüggemann, (Hrsg.): Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königlich-Preußischen Herzogtums Vor- und Hinterpommern: II. Teil, 2. Band, Stettin 1784, S. 1066-1067, Nr. 12.
  8. Alexander August Mützell und Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des Preussischen Staats. Band 1: A–F, Karl August Kümmel, Halle 1821, S. 223, Ziffern 53 und 54.
  9. a b Königl. Preußisches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Pommern und ihre Bevölkerung. Berlin 1874, S. 164-165, Ziffer 10, und S. 168-169, Ziffer 84
  10. gemeindeverzeichnis.de
  11. a b Michael Rademacher: Provinz Pommern – Landkreis Lauenburg i. Pom. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  12. Georg von Viebahn (Hrsg.): Statistiken des zollvereinten und nördlichen Deutschlands. II. Teil: Bevölkerung, Bergbau, Bodenkultur. Berlin 1862, S. 78.
  13. Johann Christoph Strodtmann und Ferdinand Stosch (Hrsg.): Das neue gelehrte Europa. 17. Teil, Wolfenbüttel 1763, S. 919-920.
  14. Georg Christoph Hamberger und Johann Georg Meusel (Hrsg.): Das gelehrte Teutschland. Lexikon der jetzt lebenden Teutschen. Band 1, Lemgo 1796, S. 215.
  15. August Bechthold: Chronik der Kirche zu Charbrow, Kreis Lauenburg in Pommern. 1869.
  16. Kurt Trowitzsch: Chronik der Kirchengemeinde Charbrow. 1951.
  17. O. Knoop: Allerhand Scherz, Neckereien, Reime und Erzählungen über pommersche Orte und ihre Bewohner. In: Baltische Studien, Jg. 41, Léon Saunier, Stettin 1891, S. 99–203, insbesondere S. 113, Ziffer 29 (Digitalisat).