Cyprianische Pest

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Die Cyprianische Pest war eine in den Jahren 250 bis 270 im Römischen Reich auftretende Pandemie, deren Erreger bislang nicht bekannt ist. Sie wurde vom Kirchenschriftsteller Cyprian im Jahre 252 beschrieben und später nach ihm benannt.

Ausbruch und Verlauf

Die Krankheit scheint 250 in Äthiopien ausgebrochen zu sein. In Hochzeiten starben allein in Rom täglich bis zu 5000 Menschen.[1] Der römische Kaiser Hostilian verstarb laut Aurelius Victor an der Krankheit im Jahr 251, Kaiser Claudius Gothicus im Jahr 270.

Cyprian beschrieb in seinem Traktat "De mortalitate", c.14, die Symptome: „Die Eingeweide, gelöst in ständigem Ausfluss, entleeren sich aller Körperkräfte; ein Feuer, dessen Ursprung im Mark liegt, gärt in den Wunden tief im Rachen; die Innereien werden geschüttelt vom steten Erbrechen; die Augen brennen vom eingeschossenen Blut; manchmal nimmt die Vergiftung durch krankhafte Verwesung Arme und Beine.“

Die Seuche wurde von Georgios Kedrenos (11./12. Jh.) als hochansteckend beschrieben, sie habe sich durch Kleider und sogar Blickkontakt fortgepflanzt.[2] Laut Kedrenos begann die Krankheitswelle jedes Mal im Herbst und währte alsdann bis zum Anfang der Hundstage fort.

Der Erreger ist bis heute nicht identifiziert. Die Seuche ist möglicherweise mit den Pocken gleichzusetzen.[3] Diskutiert wird jedoch auch die Grippe als mögliche Erkrankung, sowie ein Ebola-ähnliches hämorrhagisches Fieber, verursacht durch ein unbekanntes Filovirus. Dafür werden in den Quellen der Zeit beschriebene ungewöhnliche Symptome wie das Absterben und Abfaulen von Gliedern oder Erblindungen, die für die Pocken oder die Grippe nicht bekannt sind, herangezogen, sowie die mangelnde Erwähnung von Hautausschlägen, die wiederum für die Pocken typisch wären.[4]

Das Ausmaß des Sterbens verdeutlichen auch 2014 veröffentlichte Grabungsbefunde aus Ägypten. Die unter der Leitung von Francesco Tiradritti durchgeführte Grabung in Theben zeigt, dass viele Seuchenopfer verbrannt und die Überreste ohne jedes Ritual in einem zu diesem Zweck wieder geöffneten alten Gräberkomplex aus der Zeit um 600 v. Chr. beigesetzt wurden. Zur Verbrennung der zahlreichen Opfer wurden Öfen gemauert, die hastig aus den Steinen des Gräberkomplexes errichtet wurden. Es gibt auch deutliche Anzeichen für Desinfektionsmaßnahmen mit Löschkalk.[5][6]

Gesellschaftliche und politische Folgen

Die Folgen der Seuche waren möglicherweise weitreichend. Kyle Harper sieht eine enge Verbindung zwischen der Krankheit und der Reichskrise des 3. Jahrhunderts. Die Seuche habe die demographische und wirtschaftliche Basis des Reiches zutiefst erschüttert und destabilisiert, das religiöse Denken habe sich im Angesicht des jahrelangen Zuges der Seuche dauerhaft verändert. Erst habe Kaiser Decius den Christen die Verantwortung für die Seuche zugeschoben und sie (wie auch Kaiser Valerian seit 257) dementsprechend verfolgt, danach hätten Dauer und Schwere der Epidemie jedoch das Vertrauen in die alten Götter tiefgreifend gestört und zum starken Anstieg des Christentums – das aufopfernde Krankenpflege und gegenseitige Hilfe als religiöse Pflicht empfand – beigetragen.[7] Die Auswirkungen seien insofern gravierender gewesen als die der Antoninischen Pest, welche das Reich noch relativ intakt habe überstehen können.[8]

Verstärkt mussten an den Reichsgrenzen barbarische Truppen rekrutiert werden. Seit etwa 256 kam es zu einer beispiellosen Wirtschafts- und Finanzkrise im Zusammenhang mit sinkenden Agrarerträgen und den steigenden Kosten der Heeresfinanzierung. Der Feingehalt des silbernen Denar sank auf 10, unter Gallienus maximal sogar auf 5 Prozent. Dennoch erfolgten vermehrten Einfälle der Perser und Germanen, die zu erheblichen Gebietsverlusten führten.[9]

Siehe auch

Literatur

  • Kyle Harper: Pandemics and passages to late antiquity. Rethinking the plague of c. 249–70 described by Cyprian. In: Journal of Roman Archaeology 28, 2015, ISSN 1047-7594, S. 223–260.
  • Kyle Harper: Fatum. Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches. Verlag C.H. Beck, München 2020, ISBN 978-3-406-74933-9, S. 212 ff.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Wegner: Cyprian von Karthago. In: Werner E. Gerabek (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005. ISBN 3-11-015714-4. S. 282
  2. Heinrich Haeser: Historisch-pathologische Untersuchungen. Bd. 1, 1839, S. 83 (Google Books).
  3. Angelika Franz: Makaberer Brennstoff, Der Spiegel online vom 22. Juni 2014
  4. Kyle Harper: Fatum. Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches. C.H. Beck, München 2020, ISBN 978-3-406-74933-9, S. 212 ff.
  5. Owen Jarus: Remains of 'End of the World' Epidemic Found in Ancient Egypt in: livescience.com, 16. Juni 2014.
  6. Angelika Franz: Makaberer Brennstoff auf spiegel.de, 22. Juni 2014.
  7. Kyle Harper: Fatum. Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches. Verlag C.H. Beck, München 2020, ISBN 978-3-406-74933-9, S. 228 ff.
  8. Kyle Harper: Fatum. Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches. Verlag C.H. Beck, München 2020, ISBN 978-3-406-74933-9, S. 216 f.
  9. Ernst Kornemann: Römische Geschichte. Bd. II, bearbeitet von Hermann Bengston, 7. Auflage. Kröner, Stuttgart 1977, S. 332 f.