Diskussion:Minuskel 61

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Letzter Kommentar: vor 4 Monaten von Giftzwerg 88 in Abschnitt gefälscht?
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gefälscht?[Quelltext bearbeiten]

Im Artikel über das Comma Johanneum steht im Abschnitt Forschungsgeschichte der Satz: „Eine andere zentrale Erkenntnis war, dass die Minuskel 61 eigens gefälscht worden war, um Erasmus zu täuschen.“ Stimmt das überhaupt aus heutiger Sicht? Dieses Thema sollte auch in diesem Beitrag behandelt werden. --Josef Moser (Diskussion) 09:15, 8. Dez. 2023 (CET)Beantworten

Soweit ich informiert bin, gibt es (bisher) keine Übereinstimmung dazu. Die eine Position sieht Minuskel 61 als authentische Handschrift, der anderen ist das Manuskript suspekt. Da müsste man sich genauer zu informieren. --Michael 709 (Diskussion) 15:01, 31. Dez. 2023 (CET)Beantworten
Soweit ich mich erinnere wollte Erasmus das Comma Johanneum nicht in seine Ausgabe drucken, solange es dafür keine handschriftliche Bezeugung im griechischen Text gab. Aber wo es einen Bedarf gibt, gibt es auch ein Produkt, das es zu verkaufen gibt. Es heißt der Abschreiber hätte eigens eine Handschrift angefertigt, die das Comma enthält bzw. eine Übersetzung des Lateinischen ins Griechische von genau diesem fraglichen Textabschnitt, nur damit es in die Textausgabe aufgenommen wird. Es gibt sogar handfeste Vermutungen, wer diese Handschrift abgeschrieben hat. Damit ist natürlich dieser Textabschnitt sehr fragwürdig, andererseits ist es im übrigen Text einfach eine Handschrift aus dem 16. Jh. Es war die Zeit, als die Abschreiberei von Hand von den ersten Druckausgaben abgelöst wurde.--Giftzwerg 88 (Diskussion) 01:03, 1. Jan. 2024 (CET)Beantworten
Die Formulierung im Hauptartikel wurde inzwischen abgeschwächt (was OK ist, da es dort v.a. darum ging, wann und warum die Wissenschaft als CJ als Einfügung behandelte, nicht darum, ob alle damals wichtigen Argumente auch heute gelten). Der Artikel hier wäre der Ort, Details und eventuelle Kontroversen darzustellen. Gibt es wirklich relevante Mindermeinungen, dass "Minuskel 61 als authentische Handschrift" gesehen wird? Das scheint deutlich über den Zweifel hinauszugehen, ob sie (wie auch ich öfters, aber IIRC ohne zwingende Gründe, gelesen habe) eigens für Erasmus gefälscht wurde. @Michael 709, kannst Du Deine Literatur angeben? Dank im voraus und Gruß an alle, --CRolker (Diskussion) 16:41, 2. Jan. 2024 (CET)Beantworten
Moin, die Frage ist, wie man "authentisch" und "gefälscht" definiert. Und: ist Interpolation gleich "Fälschung"? Wenn man wegen jeder Interpolation eine Handschrift als "Fälschung" betiteln kann, dann kann man Handschriften im vierstelligen Bereich "disqualifizieren". Ich persönlich würde auf solche Bezeichnungen (erstmal) verzichten. Nach meiner aktuellen Recherche (die Quellen sind auf der Artikelseite angegeben), scheint Minuskel 61 zweifelsfrei an die Vulgata angepasst worden zu sein (= Interpolation/Korruption), dennoch aber im Allgemeinen auf anderen griechischen Handschriften basierend. Ich wäre vorsichtig zu behaupten, die Handschrift sei allein zur Täuschung von Erasmus entstanden. Es ist zwar eine plausible Hypothese, aber dass z. B. direkte Zitate aus Erasmus' Novum Instrumentum darin zu finden sind, zeigt, dass der Schreiber sich intensiv mit Textkritik und dem Text von Erasmus beschäftigt hat und es nicht zu verstecken scheint. (Beim Fälschen einer Handschrift würde man doch eben das verstecken wollen?) Natürlich ist das meine persönliche Meinung (ich bin kein Experte), aber mir scheint eher, als sei Minuskel 61 jemandes persönliche Bibel gewesen. Und zwar jemand, dem die Vulgata so autoritär war, dass er beim Abschreiben des griechischen Textes diesen daran anpasste (vielleicht aus religiösem Protest gegen Erasmus? Auf jeden Fall aber aus Voreingenommenheit). Jedenfalls kann die Bezeichnung "gefälscht" irreführend sein. Denn wir wissen nicht mit Sicherheit, ob die Handschrift nu wirklich extra für Erasmus angefertigt wurde (eine meiner angegebene Quellen leugnet genau das: "No, Erasmus didn’t promise to include the CJ if someone could give him a Greek manuscript with it, and no, 61 wasn’t made to force Erasmus’ hand." https://evangelicaltextualcriticism.blogspot.com/2020/01/the-greek-manuscripts-of-comma.html). Liebe Grüße --Michael 709 (Diskussion) 18:14, 2. Jan. 2024 (CET)Beantworten
Ich will mal die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken, nämlich auf den textkritischen Wert der Handschrift. Und da sieht es mau aus. Es gibt nämlich keine anderen Textzeugen, die diese Interpolationen unterstützen. Es ist aber natürlich bemerkenswert, dass die Handschrift genau in dem Moment auftaucht, als das Fehlen des Comma Johanneums als Bestandteil des griechischen Textes allgemeines Thema war und die Vulgata unter Beschuss kam. Die Theologie hat sich bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Lehre eng an den Text der Vulgata gehalten, die allgemein der anerkannte Bibeltext war, und als die Unterschiede zur Septuaginta auch dazu benutzt wurden, um die Autorität der Vulgata und der römischen Kirche zu hinterfragen. Die Gegenbewegung war daher bestrebt, die Vulgata als gleichwertig oder sogar höherwertig als die Septuaginta erscheinen zu lassen. Es stand dabei viel auf dem Spiel, nämlich vor allem die offizielle römische Lehre. Die späteren Konzilien etc. betonen weiterhin den verbindlichen Charakter der Vulgata. Also: Keine heutige textkritische Ausgabe folgt dieser einen späten Handschrift, die einen an die Vulgata angepassten Text liefert. Bei den Textzeugen ist es wie bei den Zeugen in einem Gerichtsverfahren: Wem glaubst du mehr, wenn es um den ursprünglichen Text geht. Und da ist es auch völlig egal, ob der Text dazu geschaffen wurde, um Erasmus hinters Licht zu führen, oder ob die Handschrift mehr oder weniger zufällig bei Erasmus aufgetaucht ist und er daraufhin aus irgendwelchen nicht mehr nachvollziehbaren Gründen eine fragwürdige Entscheidung zum Text getroffen hat. Sachen wie diese haben den Ruf des TR dementsprechend im Nachhinein ruiniert und es gibt noch viele weitere Beispiele, wo man einen schlechteren Text akzeptiert hat, obwohl es gegen die Vernunft geht. Sogar die Druckfehler, die im Anhang der frühen TR-Ausgaben als "corrigenda" verzeichnet wurden, wurden oft in späteren Druckausgaben stehen gelassen. Die Argumente kommen immer aus der gleichen Ecke, nämlich von denen, die meinen aus irgendeinem Grund die Apologeten des TR sein zu müssen. Ins Bild passt da auch, dass man Erasmus eine besondere persönliche Frömmigkeit andichtet und seine Arbeit über den grünen Klee lobt. Alles Dinge, die nicht so ganz zur Realität passen wollen.--Giftzwerg 88 (Diskussion) 14:56, 3. Jan. 2024 (CET)Beantworten
@Giftzwerg 88 hat recht, entscheidend sollte der textkritische Wert bzw. eben dessen fehlen sein. Dennoch ist die oft zu lesende Behauptung, Minuskel 61 sei eigens produziert worden, um Erasmus zur Aufnahme des CJ zu bewegen, für unseren Artikel auch relevant, und spannend. Ich kann nicht bestätigen, dass de Fachliteratur hier gespalten sei, wie @Michael 709 suggeriert. Daher habe ich das evangelikaler Blog mal näher angeschaut, es ist ja durchaus seriös, aber v.a. in den Kommentaren ist auch viel Wunschdenken zu erkennen, das Wissenschaft nur dann gut findet, wenn sie eigene glaubensüberzeugungen bestätigt. Der zitierte blogpost enthält keine Argumente für die Behauptung „no, Erasmus didnt promise …“, aber Gurry hatte schon kurz zuvor einen anderen Blogpost geschrieben, der einen Brief von Henk J. de Jong zitiert, der durchaus einschlägig ist. In einer wissenschaftlichen Arbeit hätte man wohl besser den einschlägigen Ausatz von de Jong zitiert (hier). De Jong analysiert Erasmus Aussage sehr detailliert, um zu belegen, dass Erasmus *nicht* versprochen habe, das CJ aufzunehmen, wenn Lee ihm eine gr Handschrift zeige. Aber mindestens ebenso gut kann man sie als Beleg zitieren, dass seit 1520 jeder Leser des Liber tertius, vor allem aber Lee, darauf setzten konnte, das Erasmus eine gr Handschrift mit CJ zumindest sehr ernst nehmen würde. Die zeitliche Nähe macht die Fälschung eigens zu diesem Zweck schon zu einer sehr attraktiven Erklärung, meiner Meinung nach der besten bekannten, aber streng bewiesen ist sie nicht. Wir hier sollten uns, wie immer, am Stand der Forschung orientieren, Gurry ist mit Respekt nicht relevant genug, de Jong hingegen schon, aber wenn ich richtig sehe, blieb sein Aufsatz von 1980 stets eine Minderheitsposition.
Wenn wir das hier diskutieren, um den Artikel zu verbessern, würde ich vorschlagen, dass wir uns wieder stärker auf die reichlich vorhandene Literatur erster Güte konzentrieren (nix gegen Blogs, aber die meiste einschlägige, fachlich stark rezipierte Forschung findet sich halt doch in gedruckten Büchern) und hilfsweise bei Erasmus reinschauen, aber ohne theoriefindung zu betreiben. --CRolker (Diskussion) 00:23, 8. Jan. 2024 (CET)Beantworten
Richtig. Es müsste ein ganzes Regal voller wissenschaftlicher Abhandlungen und Werke über diese Frage geben. Und der textkritische Konsens ist weitgehend, dass man CJ als sekundär ausscheidet, genau wie den unechten Markusschluss, die perikope adulterae, die Engel am Teich Siloah etc. Und das spätestens seit Tischendorf, Westcott und Hort etc. also seit rund 150 Jahren. Dementsprechend ist die Diskussion schon ungefähr zu den Zeiten entschieden worden, als die Druckausgaben von Vatikanus und Sinaiticus herauskamen. Aber es gibt immer noch ein paar, die meinen sie müssten das Thema nochmals von ganz vorne aufrollen. Also sollte man in der Literatur von Tischendorf, Gregory, Aland, Nestle, Tregelles, Burgon etc. die entsprechenden Auseinandersetzungen bis ins Detail finden. Das war die Zeit, als man dem TR den Stiefel gegeben hat, weil nicht mehr haltbar.--Giftzwerg 88 (Diskussion) 06:38, 8. Jan. 2024 (CET)Beantworten