Comma Johanneum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Beim sogenannten Comma Johanneum (comma latinisiert von altgriechisch κόμμα kómma, deutsch ‚Einschnitt, Abschnitt, Glied eines Satzes;[1] Johanneum lateinisch = johanneisch; wörtlich also johanneischer Satzabschnitt[2]) handelt es sich um einen als späten Zusatz zu wertenden Satzteil im 5. Kapitel des 1. Johannesbriefs des Neuen Testaments (1 Joh 5,7–8 EU) (zitiert nach der Einheitsübersetzung und ihren Fußnoten; hervorgehoben die Worte des Comma):

(7) „Drei sind es, die Zeugnis ablegen im Himmel: der Vater, das Wort und der Heilige Geist, und diese drei sind eins.
(8) Und drei sind es, die Zeugnis geben auf Erden: der Geist, das Wasser und das Blut, und diese drei sind eins.“

Die Bedeutung der Stelle und die theologische Diskussion über ihre Echtheit ergeben sich daraus, dass dieser Satzteil ein biblisches Zeugnis für die Trinitätslehre darstellen würde, falls er zum ursprünglichen Textbestand gehört. Es ist daher auch eine der am meisten umstrittenen Textstellen des Neuen Testaments.

Bezeugung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Undatierte Umzeichnung der Passage mit dem Comma in Minuskel 629 (14. Jh.)

Der Abschnitt fehlt in sämtlichen griechischen Handschriften mit Ausnahme weniger später Minuskeln. Zu diesen gehören laut Nestle-Aland (26. Auflage) die Handschriften Minuskel 61 (aus dem 16. Jahrhundert), 629, 918, 2318, sowie spätere Zusätze (Korrekturen und Randglossen) in den Minuskeln 88, 221, 429, 636. Viele Kirchenväter verraten überhaupt keine Bekanntschaft mit dem Satz, so z. B. Hieronymus. Andere, wie Augustinus, kannten ihn zwar, betrachteten ihn aber anscheinend als nicht zum Bibeltext gehörig. Die Vulgata in der Version des Hieronymus enthielt das Comma Johanneum nicht.[3]

Bibelausgaben des 16.–20. Jahrhunderts[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom 16. bis zum späten 19. Jahrhundert fand sich das Comma Johanneum in den meisten wichtigsten Bibelausgaben; im Laufe des 20. Jahrhunderts verschwand es zunehmend.

Erasmus von Rotterdam hatte das Comma 1516 zunächst nicht in seine Ausgabe des griechischen Neuen Testaments (das Novum Instrumentum omne) aufgenommen. Erst 1522 fügte er es in die dritte Auflage ein, auch gestützt auf die Minuskel 61 aus dem frühen 16. Jahrhundert.[4][5] Tischendorfs Novum Testamentum enthält das Comma nicht mehr.

Über den Textus receptus gelangte das Comma auch in Bibelübersetzungen wie die King-James-Bibel von 1611. Die Revised Version, die ab 1881 erschien, und die American Standard Version von 1901 enthalten es nicht mehr. Englische Bibelübersetzungen, die auf älteren Ausgaben der King-James-Bibel basieren, blieben aber im Umlauf, teilweise bis heute.

In der Lutherbibel war das Comma zunächst bis auf die Worte „auf Erden“ nicht enthalten (es fehlte also insbesondere die trinitarische Formulierung). In der Lutherbibel von 1545 lautete die Stelle: „Denn drey sind die da zeugen auff Erden / Der Geist / vnd das Wasser / vnd das Blut / vnd die drey sind beysamen“.[6] Erstmals 1581 wurde das Comma Johanneum dann durch einen Frankfurter Drucker in eine Lutherbibel eingefügt. Wenige Jahrzehnte später wurden nur noch Lutherbibeln mit dem Comma Johanneum gedruckt. Bei der Revision von 1892 wurde das Comma eingeklammert und mit einer Fußnote versehen; bei der Revision 1912 wurde es aus dem Text genommen und in eine Anmerkung verwiesen.

Die Vulgata-Ausgaben, die in der römisch-katholischen Kirche verwendet wurden, enthielten das Comma. Insbesondere die 1590 bzw. 1592 erschienenen päpstlich approbierten Ausgaben der Vulgata (die Vulgata Sixtina und Vulgata Clementina) enthielten es.[7][8] Die 1979 promulgierte Nova Vulgata bietet den Satzteil hingegen nicht mehr.[9]

Die 1904 vom Patriarchat von Konstantinopel herausgegebene Ausgabe des griechischen Neuen Testamentes, die in den orthodoxen Kirchen weit verbreitet ist, enthält das Comma.[10]

Bibelausgaben der Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den meisten heute im Handel befindlichen Bibelübersetzungen wird das Comma Johanneum entweder überhaupt nicht erwähnt oder, deutlich als spätere Zufügung gekennzeichnet, in die Fußnoten verwiesen. Ausnahmen sind die im englischen Sprachraum immer noch verbreitete King-James-Bibel von 1769 sowie die deutsche Schlachter 2000 und die La Buona Novella Bibel - Luther. Hintergrund ist die in bestimmten evangelikalen Kreisen herrschende Überzeugung, dass der Textus receptus und der Mehrheitstext dem ursprünglichen Bibeltext entspreche, für dessen Erhalt Gott gesorgt habe.[11] Außerdem gab es eine Ausgabe einer alten Lutherversion, die als „Original-Lutherbibel 1545“ vermarktet wurde, aber insbesondere durch das darin enthaltene Comma Johanneum als nicht original erkannt werden kann.[12]

Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im späten 18. und im 19. Jahrhundert wurden die bis heute maßgeblichen Argumente gegen die Annahme, dass das Comma Johanneum Teil des ursprünglichen griechischen Textes des 1. Johannesbriefes sei, entwickelt. Mit besserer Kenntnis der Überlieferung wurde das Fehlen früher griechischer Textzeugen immer deutlicher. Eine andere zentrale Erkenntnis war, dass die Minuskel 61 eigens gefälscht worden war, um Erasmus zu täuschen.[13] Das war für Forscher wie Eberhard Nestle und Adolf von Harnack ein wichtiger Grund, sich gegen die Echtheit des Comma auszusprechen.[5][14] Bis etwa 1900 verfestigte sich in der Bibelwissenschaft der Konsens, das Comma als späte Ergänzung anzusehen und daher nicht mehr in textkritisch fundierte Ausgaben des Neuen Testamentes aufzunehmen.

In den Jahrzehnten um 1900 wurde die Debatte stark von protestantischen Theologen geprägt. Katholischen Theologen war es mit dem entsprechenden Beschluss der Indexkongregation vom 13. Januar 1897, den auch Leo XIII. bestätigte, verboten, die Echtheit des Comma zu bezweifeln.[15] Das Verbot wurde am 2. Juni 1927 vom Sacrum Officium weitgehend aufgehoben.[16]

Heute sind sich protestantische wie römisch-katholische Theologen mit wenigen Ausnahmen einig, dass das Comma Johanneum nicht zum ursprünglichen Textbestand des 1. Johannesbriefs gehört und allenfalls eine etwa seit dem 4. Jahrhundert bezeugte Deutung der zweifellos zum Text gehörenden Passage über die „drei irdischen Zeugen“ darstellt.

Bibelübersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den meisten heute im Handel befindlichen Bibelübersetzungen, einschließlich der römisch-katholischen, wird das Comma Johanneum entweder überhaupt nicht erwähnt oder, deutlich als spätere Zufügung gekennzeichnet, in die Fußnoten verwiesen.

Ausnahmen sind die im englischen Sprachraum immer noch verbreitete King-James-Bibel von 1769 sowie die deutsche Schlachter 2000 und die La Buona Novella Bibel - Luther. Hintergrund ist die in bestimmten evangelikalen Kreisen herrschende Überzeugung, dass der Textus Receptus und der Mehrheitstext dem ursprünglichen Bibeltext entspreche, für dessen Erhalt Gott gesorgt habe.[17] Außerdem gab es eine Ausgabe einer alten Lutherversion, die als „Original-Lutherbibel 1545“ vermarktet wurde, aber insbesondere durch das darin enthaltene Comma Johanneum als nicht original erkannt werden kann.[18]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wilhelm Pape, Max Sengebusch (Bearb.): Handwörterbuch der griechischen Sprache. 3. Auflage, 6. Abdruck. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914 (zeno.org [abgerufen am 5. November 2019]).
  2. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig/ Wien 1909 (zeno.org [abgerufen am 5. November 2019] Lexikoneintrag „Comma,Johanneum“).
  3. IWANNOU AV (1 John) 5 :: Latin Vulgate (VUL). In: Blue Letter Bible. Abgerufen am 3. Mai 2018.
  4. Handschriftenliste im Novum Testamentum Graece, XXVI. Auflage, S. 703 („Nestle-Aland“).
  5. a b Eberhard Nestle: Vom Textus Receptus des griechischen neuen Testamentshttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Dvomtextusrecept00nestgoog~MDZ%3D%0A~SZ%3Dn20~doppelseitig%3D~LT%3DVom%20Textus%20Receptus%20des%20griechischen%20neuen%20Testaments~PUR%3D, Barmen 1903, hier S. 15: „[...] neuere Forschungen namentlich von Dobbin und Harris lassen es fast zweifellos erscheinen, daß sie [die Handschrift Minuskel 61] ausdrücklich zu dem Zweck geschrieben wurde, um ihn [Erasmus] irre zu führen“.
  6. Luther-Bibel 1545: 1. Johannesbrief 5. zeno.org, abgerufen am 9. März 2018.
  7. Biblia sacra vulgatae editionis tribus tomis distincta, Rom 1590 Digitalisat – Internet Archive
  8. Ioannis I – Vulgatae Clementina. Abgerufen am 3. Mai 2018.
  9. Der erste Johannesbrief nach der Neo-Vulgata
  10. Autorisierter Text des Ökumenischen Patriarchats von Konstaninopel von 1904. Kapitel 5 des 1. Johannesbriefs. (PDF) Abgerufen am 13. April 2018 (griechisch).
  11. Karl-Heinz Vanheiden: Näher am Original?, R. Brockhaus: Wuppertal 2007.
  12. Neben Webseiten, die diese Angabe gutgläubig übernommen haben, gibt es auch noch Luther-Bibel 1545 mit der Angabe, dass diese Ausgabe 1740/41 gedruckt wurde.
  13. Orlando T. Dobbin: Codex Montfortianus: A Collationhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Dcodexmontfortia01dobbgoog~MDZ%3D%0A~SZ%3Dn5~doppelseitig%3D~LT%3DCodex%20Montfortianus%3A%20A%20Collation~PUR%3D [...], London 1854.
  14. Adolf von Harnack: Zur Textkritik und Christologie der Schriften des Johannes. Zugleich ein Beitrag zur Würdigung der ältesten lateinischen Überlieferung und der Vulgatahttp://vorlage_digitalisat.test/1%3DDigitalisat%20~GB%3D~IA%3DHarnackZurTextkritikUndChristologieDerSchriftenDesJohannes~MDZ%3D%0A~SZ%3Dn39~doppelseitig%3D~LT%3DZur%20Textkritik%20und%20Christologie%20der%20Schriften%20des%20Johannes.%20Zugleich%20ein%20Beitrag%20zur%20W%C3%BCrdigung%20der%20%C3%A4ltesten%20lateinischen%20%C3%9Cberlieferung%20und%20der%20Vulgata~PUR%3D. In: Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften. Philos.-hist. Kl. 1915, S. 534–573, hier S. 572–573.
  15. Denzinger-Hünermann Nr. 3681
  16. Denzinger-Hünermann Nr. 3682
  17. Karl-Heinz Vanheiden: Näher am Original?, R. Brockhaus Verlag Wuppertal 2007
  18. Neben Webseiten, die diese Angabe gutgläubig übernommen haben, gibt es auch noch Luther-Bibel 1545 mit der Angabe, dass diese Ausgabe 1740/41 gedruckt wurde.