Dom zu Riga

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Dom zu Riga

Der Dom zu Riga (lettisch: Rīgas Doms) ist die Kathedralkirche der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands (lettisch: Latvijas Evaņģēliski Luteriskā Baznīca) und ist die größte baltische Kirche.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Rigaer Dom wurde auf Veranlassung des ersten Bischofs von Riga, Albert von Buxthoeven, erbaut. Nach einer Urkunde vom 25. Juli 1211, deren Echtheit allerdings umstritten ist, legte er am selben Tag den Grundstein für ein Kloster und eine angrenzende Kirche. Die Kirche ersetzte die erste Kathedrale von Riga, einen Holzbau innerhalb der Rigaer Stadtmauern, der bei einem Brand 1215 vernichtet wurde.[1] Ein Weihedatum ist nicht überliefert; jedenfalls war der Dom im Jahre 1226 so weit fertiggestellt, dass darin eine Synode stattfinden konnte, an der Wilhelm von Modena als päpstlicher Legat teilnahm.[2] Mehr als 300 Jahre lang war der Dom die Kathedrale des Bistums Riga (ab 1255 Erzbistum).

Die Stellung des Erzbischofs in der Stadt wurde entscheidend geschwächt, als sich deren Bürgerschaft der Reformation zuwandte und Wolter von Plettenberg, der Landmeister des Deutschen Ordens in Livland, der Stadt Riga am 21. September 1525 das lutherische Bekenntnis verbriefte.[3] Mit dem Zerfall Alt-Livlands im Livländischen Krieg 1561 ging auch das erste katholische Erzbistum Riga 1563 unter. Fortan diente der Dom der (deutschsprachigen) Evangelisch-lutherischen Gemeinde. 1923 bestätigte der lettische Staat der 1920/1922 konstituierten Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands den Besitz des Domes.[4] Von 1959 bis 1962 diente der Dom als Konzertsaal, der Altar wurde entfernt und die Sitzreihen zur Orgel hin ausgerichtet.

Baugeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ursprünglich standen Kirche und Kloster auf einer kleinen Erhöhung außerhalb der Stadtmauern. Heute befinden sie sich unter dem Straßenniveau, weil die umliegenden Straßen zur Verringerung der Überschwemmungsgefahr durch die Düna mehrmals aufgeschüttet wurden. Durch mehrfache Umbauten ist die ursprüngliche Baugestalt der Kirche heute kaum noch erkennbar.

Die ältesten Teile des Doms sind der Chor und das Querhaus in romanischem Stil. Beim weiteren Bau des Langhauses wurden Spitzbögen verwendet, deren Pfeiler in mittlerer Höhe durch Säulen mit Kapitellen verziert sind. Der Kreuzgang auf der Südseite der Kirche stammt ebenfalls aus der Zeit Bischof Alberts.

Aus gotischer Zeit besticht das Nordportal (früher Haupteingang) durch seine Gestaltung. Von den geplanten zwei Türmen wurde aus Geldmangel nur ein Turm errichtet, der 1547 ausbrannte. 1595 wurde ein neuer Turm – teilweise aus Holz – errichtet, der mit 140 m der höchste Kirchturm Rigas war (der Turm der Petrikirche war um einige Meter niedriger). Der Turm wurde im Laufe der Jahrhunderte baufällig (Abmorschen verschiedener Holzkonstruktionen). Deshalb beschloss der Rigaer Rat 1775, ihn zu ersetzen. Im Folgejahr wurde die heutige Haube in barockem Stil mitsamt Laterne aufgesetzt. Der Turm ist nun 90 m hoch.[5]

Die ursprüngliche Ausgestaltung des Gotteshauses fiel im Jahr 1524 Bilderstürmern der Reformation zum Opfer, der Brand von 1547 tat sein Übriges. Heute erscheint das Innere der Kirche in manieristischer und barocker Ausgestaltung.

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sehenswert sind u. a.:

  • der Taufstein vom Ende des 12. Jahrhunderts. Er stammt aus der Kirche in Ikšķile, der ersten Kirche im heutigen Lettland, und wurde bei der Renovierung des Domes 2009 im Mittelgang des Hauptschiffes aufgestellt.
  • das Grab des ersten Bischofs von Livland, Meinhard, an der linken Chorwand
  • die barocken Schnitzereien auf der Holzkanzel (um 1641)
  • der Gedenkstein der Kleinen Gilde (19. Jahrhundert)
  • die noch heute den Dom zierenden Fenster wurden einst von dem Kunstglaser Adolf Kahlert, ein Vorfahre Hans Kahlerts, geschaffen.[6]

Eine Besonderheit des Doms stellt die 1926/1927 in Morgenröthe (Sachsen) hergestellte Glocke dar. Sie ist die größte dort hergestellte Glocke ihrer Art und wiegt 8,5 Tonnen, hat einen Durchmesser von 2,50 m und eine Höhe von 3,00 m.

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walcker-Orgel von 1883 im Gehäuse von Jakob Raab von 1601
Nahaufnahme des Rückpositivs

1882/1883 baute die Orgelbauwerkstatt Walcker aus Ludwigsburg das jetzige Orgelwerk mit mechanischen Spieltrakturen, 6718 Pfeifen und 116 Registern auf 4 Manualen und Pedal (op. 413).[7] Es wurde am 31. Januar 1884 eingeweiht und war zu diesem Zeitpunkt das größte der Welt.[8] Dabei blieb der üppige frühbarocke Prospekt des Vorgängerinstrumentes erhalten, dessen Mittelteil mit den drei krönenden Türmchen und dem Rückpositiv Jakob Raab aus Lübeck im Jahre 1601 fertiggestellt hatte. 1733 baute Andreas Contius links und rechts Pedaltürme an, die er über konkave Pfeifenfelder mit dem Raab-Prospekt verband. Damit besitzt das Instrument den ältesten erhaltenen Orgelprospekt des Baltikums. 1829 sollen 52 Register dahinter eingebaut gewesen sein.

Zur Einweihung der Walcker-Orgel erklang die zu diesem Anlass von Franz Liszt geschaffene Bearbeitung des Chorals Nun danket alle Gott, der das Instrument jedoch weder gesehen noch gespielt hatte.[9][10] 1962 setzte Hermann Eule Orgelbau Bautzen die Orgel gründlich instand und ersetzte im Zweiten Weltkrieg verlorengegangene Pfeifen.[10] Zum 100. Jubiläum wurde die Walcker-Orgel 1983/1984 von der niederländischen Orgelbaufirma Flentrop restauriert.[11] Auf der unteren Empore, in Höhe des Rückpositivs, gibt es einen zweiten, separaten Spieltisch für das IV. Manual und das Schwellpedal. Die Orgel besitzt Kegelladen und wird über eine Barkermaschine angesteuert.[12]

I Manual C–f3
01. Principal 16′
02. Flauto major 16′
03. Viola di Gamba 16′
04. Octav 08′
05. Hohlflöte 08′
06. Viola di Gamba 08′
07. Doppelflöte 08′
08. Gemshorn 08′
09. Quintatön 08′
10. Bourdon 08′
11. Dulciana 08′
12. Quinte 513
13. Octav 04′
14. Gemshorn 04′
15. Gamba 04′
16. Hohlflöte 04′
17. Rohrflöte 04′
(Fortsetzung)
18. Terz 315
19. Quinte 223
20. Octav 02′
21. Superoctav 01′
Sexquialtera II = Nr. 18 + 19
22. Cornet V (ab c0) 08′
23. Mixtur VI 04′
24. Scharff IV 113
25. Contrafagott 16′
26. Tuba mirabilis 08′
27. Trompette harm.0 08′
28. Cor anglais 08′
29. Euphon 08′
30. Clairon 04′
31. Cornettino 02′
II Manual C–f3
32. Geigenprincipal0 16′
33. Bourdon 16′
34. Principal 08′
35. Fugara 08′
36. Spitzflöte 08′
37. Rohrflöte 08′
38. Concertflöte 08′
39. Liebl. Gedeckt 08′
40. Viola di Alta 08′
41. Dolce 08′
42. Principal 04′
43. Fugara 04′
44. Salicet 04′
45. Flauto dolce 04′
(Fortsetzung)
46. Quinte 223
47. Superoctav 02′
48. Waldflöte 02′
49. Terz 135
Sexquialtera II = Nr. 46 + 49
50. Cornet V (ab g0) 08′
51. Mixtur V 223
52. Aeolodicon 16′
53. Ophicleide 08′
54. Fagott & Oboe 08′
55. Oboe 04′
Tremolo nur für Nr. 54
III Manual C–f3
56. Salicional 16′
57. Lieblich Gedeckt 16′
58. Geigenprincipal 08′
59. Viola d’amour 08′
60. Wienerflöte 08′
61. Gedeckt 08′
62. Salicional 08′
63. Harmonika 08′
64. Bourdon d’echo 08′
Bifra = Nr. 61 + 68 8′ + 4′
65. Geigenprincipal 04′
66. Spitzflöte 04′
67. Traversflöte 04′
68. Dolce 04′
69. Piccolo 02′
70. Mixtur IV 223
71. Vox humana 08′
72. Basson 08′
73. Clarinette 08′
Tremolo nur für Nr. 71
IV Schwellwerk C–f3
74. Quintatön 16′
75. Flötenprincipal 08′
76. Melodica 08′
77. Flûte traversière 08′
78. Bourdon doux 08′
79. Aeoline 08′
80. Voix céleste 08′
Unda maris = Nr. 76 + 77 08′
Viola tremolo = Nr. 79 + 80 08′
Piffaro = Nr. 78 + 84 8′+2′
81. Flötenprincipal 04′
82. Gedecktflöte 04′
83. Vox angelica 04′
84. Salicet 02′
85. Harmonia aetheria III0 223
86. Trompete 08′
87. Physharmonika 08′
Pedal C–d1
88. Principalbass 32′
Grand Bourdon = Nr. 89, 95, 96, 100 +101 32′
89. Octavbass 16′
90. Violonbass 16′
91. Contraviolonbass 16′
92. Subbass 16′
93. Flötenbass 16′
94. Gedecktbass 16′
95. Quintbass 1023
96. Octavbass 08′
97. Hohlflötenbass 08′
98. Gedecktbass 08′
99. Violoncello 08′
100. Terzbass 625
101. Octavbass 04′
102. Hohlflöte 04′
103. Octav 02′
Sexquialtera II = Nr. 95 + 100
104. Mixtur V 513
105. Bombardon 32′
106. Posaune 16′
107. Trompete 08′
108. Corno 04′
Schwellpedal C–d1
109. Violon 16′
110. Bourdon 16′
111. Dolceflöte 08′
112. Violon 08′
113. Viola 04′
114. Flautino 02′
115. Serpent 16′
116. Bassethorn 08′
Spieltisch der Walckerorgel
  • Koppeln: II/I, III/I, IV/I, III/II, IV/II, I/P, II/P, III/P, IV/P, I–IV/P, P/I (letzte scherzhaft mit „noli me tangere“, „rühr mich nicht an“ beschriftet).
  • 18 feste Kombinationen.
  • Kombinations-Prolongement, eine freie Kombinationsmöglichkeit.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Riga Dome Cathedral – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Rigaer Dom – Internetseite der Evangelisch-Lutherischen Domgemeinde Riga (englisch, deutschsprachige Fassung am 20. Dezember 2013 nicht mehr zugänglich)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bernhart Jähnig: Die Anfänge der Sakraltopographie von Riga. In: Manfred Hellmann (Hg.): Studien über die Anfängen der Mission in Livland (= Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte: Vorträge und Forschungen, Sonderband 37). Thorbecke, Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-6697-X, S. 123–158.
  2. Andris Kolbergs: Porträt einer Stadt. Geschichte Rigas – Altstadt. Jāņa Sēta. Riga 1998. ISBN 9984-07-113-8. S. 102.
  3. Reinhard Wittram: Baltische Geschichte. Die Ostseelande Livland, Estland, Kurland 1180–1918. Grundzüge und Durchblicke. Oldenbourg, München 1954. S. 61.
  4. History of the ELCL, abgerufen am 20. Dezember 2013.
  5. Reinhold Guleke: Figurentafeln zum Dom zu Riga. Laakmann, Dorpat 1884, S. 4: „1775 nahm man den hohen Thurm, der auf dem Kupferstich von 1612 zu sehen ist, bis zum Mauerwerk ab, weil er schwankend wurde, und ersetzte ihn durch einen niedrigeren.“
  6. Michael Buschow, Gilla Schmitz: Karriereerfolg im hohen Alter. In: Preußische Allgemeine Zeitung. Abgerufen am 13. Januar 2015.
  7. Riga, Mariendom im Opusverzeichnis der Firma Walcker, abgerufen am 6. November 2021.
  8. Jochen Könnecke: Riga. Dumont, Ostfildern 2011, S. 31.
  9. Baltikum, 1. Auflage 2005, Verlag Karl Baedeker, Seite 300
  10. a b Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 20. Februar 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.music.lv (Übersetzung ins Deutsche mit Google-Übersetzer)
  11. The organ of Riga Dom Cathedral@1@2Vorlage:Toter Link/www.music.lv (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 8. Mai 2017.
  12. Beschreibung der Orgel auf organindex, abgerufen am 6. November 2021.

Koordinaten: 56° 56′ 57″ N, 24° 6′ 16″ O