Ehrengard Frank-Schultz

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Ehrengard Frank-Schultz, geborene Ehrengard Besser (* 23. März 1885 in Magdeburg; † 8. Dezember 1944 in der Strafanstalt Plötzensee, Berlin) war eine deutsche Diakonisse und Opfer der NS-Kriegsjustiz.

Die Causa Frank-Schultz

Frank-Schultz war eine Urenkelin des Theologen Friedrich Schleiermacher. Seit den 1930er Jahren (?) lebte sie als Witwe in Berlin-Wilmersdorf. Während des Zweiten Weltkrieges war sie als Diakonisse für das Rote Kreuz als Krankenpflegerin tätig.

Etwa im August 1944 unterhielt Ehrengard Frank-Schultz sich mit der Schwesternhelferin Erika Roeder. Sie sprachen über das gescheiterte Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944. Roeder sagte, dass es nicht auszudenken sei, was geschehen wäre, wenn das Attentat gelungen wäre –, dass es im Gegenteil ein Jammer sei, dass dieses nicht geglückt sei. In einem zweiten Gespräch mit Roeder einige Tage später ergänzte Frank-Schultz, dass die beteiligten Offiziere dereinst stolz sein würden, an dem Attentat mitgewirkt zu haben. Bei einer dritten Begegnung erläuterte sie Roeder auf deren Frage, was das Attentat denn überhaupt habe erreichen sollen, dass, wenn der Anschlag gelungen wäre, bereits Frieden herrschen würde und es keine alliierten Luftangriffe auf deutsche Städte mehr gäbe. Weiter führte sie aus, dass es doch besser sei, einige Jahre unter englisch-amerikanischer Herrschaft zu leben, als weiterhin die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten ertragen zu müssen. Mit Blick auf den kurz zuvor zum Chef des Befehlshaber des Ersatzheeres ernannten SS-Chef Heinrich Himmler bekundete Frank-Schultz, dass es schrecklich sei, dass dieser diese Stellung erhalten habe, da er als Mensch für eine derart verantwortungsvolle Stellung nicht geeignet sei.

Nachdem Roeder Frank-Schultz bei den Behörden denunzierte, wurde diese verhaftet und vor Gericht gestellt. Die Anlage lautete auf Wehrkraftzersetzung. Der Volksgerichtshof verhandelte unter Vorsitz von Roland Freisler, Beisitzer waren der Landgerichtsdirektor Martin Stier, SS-Brigadeführer Generalmajor der Waffen-SS Friedrich Tscharmann, SA-Brigadeführer Daniel Hauer und Stadtrat Hans-Fritz Kaiser. Am 6. November 1944 wurde sie für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. In der Begründung wurde ihr vorgeworfen, durch ihre Äußerung mit den Beteiligten des Staatsstreichversuchs vom 20. Juli 1944 gemeinsame Sache gemacht und damit „einen Angriff auf die seelische Kriegskraft des Volkes“ unternommen zu haben. Ihre „Verräterseele“ habe sie außerdem dadurch bewiesen, dass sie ein neues Attentat herbeigewünscht und behauptet habe, ein englisch-amerikanisches Regime sei besser als die gegenwärtige Regierung. Außerdem wurden ihr eine innere Schwäche, die sie zum Defätismus veranlasst habe, sowie eine reaktionäre Einstellung vorgeworfen.

„Wer so handelt, ist die personifizierte Schande selbst! Wer so handelt, hat sich als Verräter an unserem Volk und als Helfershelfer unserer Kriegsfeinde für immer ehrlos gemacht. Wer so handelt, muss aus unserer Mitte verschwinden. Hier ein anderes Urteil als das Todesurteil zu fällen, würde von unseren Soldaten an der Front mit Recht mit der Frage beantwortet werden, ob denn die Eiterbeule des 20. Juli wirklich herausgeschnitten ist, damit wir gesund und stark den Kampf zum Siege führen können.“

Das Todesurteil wurde am 8. Dezember 1944 in der Hinrichtungsstätte der Strafanstalt Plötzensee durch den Scharfrichter Röttger mit dem Fallbeil vollstreckt.

Literatur

  • Hartmut Jäckel: Menschen in Berlin: das letzte Telefonbuch der alten Reichshauptstadt 1941, 2000, S. 140f.
  • Walter Wagner: Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat, München 2011, S. 383f.
  • Klaus-Jörg Ruhl: Unsere verlorenen Jahre, 1985, S. 86–88.