Endliche Menge
In der Mengenlehre, einem Teilgebiet der Mathematik, ist eine endliche Menge eine Menge mit endlich vielen Elementen. So ist beispielsweise die Menge
eine endliche Menge mit vier Elementen. Die leere Menge hat gemäß ihrer Definition keine Elemente, d. h. die Anzahl der Elemente ist , sie gilt daher auch als endliche Menge. Die Mächtigkeit oder Kardinalität, geschrieben für eine Menge , einer endlichen Menge wird mit einer natürlichen Zahl (unter Einbeziehung der Null) identifiziert. Beispielsweise schreibt man dann , um auszudrücken, dass aus vier Elementen besteht.
Eine Menge, die nicht endlich ist, wird als unendliche Menge bezeichnet.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Menge heißt endlich, wenn es eine natürliche Zahl gibt, sodass eine Bijektion (eine Eins-zu-eins-Zuordnung)
zwischen und der Menge aller natürlichen Zahlen kleiner als existiert.
Insbesondere ist die leere Menge endlich, da eine Bijektion zwischen und der leeren Menge (alle natürlichen Zahlen kleiner als , solche existieren nicht) trivialerweise existiert.
So ist zum Beispiel die Menge
endlich, da eine Bijektion zur Menge
existiert, siehe etwa nebenstehende Abbildung.
Bei dieser aufzählenden Mengennotation kommt es auf die Reihenfolge nicht an. Ferner wird ein mehrfach genanntes Element nur einmal mit einbezogen. Es ist also beispielsweise
- .[1]
Für die Menge aller natürlichen Zahlen
existiert hingegen keine solche Bijektion auf eine endliche Menge, die Menge ist daher unendlich.
Grundlegende Eigenschaften endlicher Mengen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jede Teilmenge einer endlichen Menge ist ebenfalls endlich.
- Ist insbesondere eine endliche Menge und eine beliebige Menge, dann sind sowohl die Schnittmenge als auch die Differenzmenge endliche Mengen, denn beides sind Teilmengen von .
- Sind endliche Mengen, so ist auch ihre Vereinigungsmenge endlich. Für ihre Mächtigkeit gilt
.
Sind und endlich und disjunkt, also so hat man
. - Allgemein ist eine Vereinigung endlich vieler endlicher Mengen wieder eine endliche Menge. Ihre Mächtigkeit ist durch das Prinzip von Inklusion und Exklusion gegeben.
- Ist unendlich und endlich, so ist unendlich.
- Die Potenzmenge einer endlichen Menge hat eine höhere Mächtigkeit als die Menge selbst, ist aber immer noch endlich; es gilt .
- Das kartesische Produkt endlicher Mengen ist endlich. Seine Mächtigkeit ist höher als die aller beteiligter Faktoren, wenn kein Faktor leer ist und mindestens zwei Faktoren eine Mächtigkeit größer haben. Für endliche Mengen gilt . Allgemeiner ist ein kartesisches Produkt endlich vieler endlicher Mengen wieder eine endliche Menge.
Dedekind-Endlichkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine andere Unterscheidung zwischen endlichen und unendlichen Mengen stammt von Dedekind. Er definierte:
- Eine Menge heißt endlich, wenn sie zu keiner echten Teilmenge gleichmächtig ist, anderenfalls unendlich.
Man spricht heute von Dedekind-Endlichkeit bzw. Dedekind-Unendlichkeit.
Um nun zu zeigen, dass jede endliche Menge auch Dedekind-endlich ist, genügt es, Folgendes zu zeigen:
- Die leere Menge ist zu keiner echten Teilmenge gleichmächtig.
- Wenn zu keiner echten Teilmenge gleichmächtig ist, dann ist auch zu keiner echten Teilmenge (von sich selbst) gleichmächtig.
(Punkt 1 ist klar, da die leere Menge keine echten Teilmengen hat. Zu Punkt 2 muss man zeigen, dass man aus einer Bijektion zwischen der Menge und einer echten Teilmenge von eine Bijektion zwischen und einer echten Teilmenge gewinnen kann.)
Umgekehrt ist jede Dedekind-endliche Menge auch endlich, denn wäre unendlich, so könnte man mit Hilfe des Auswahlaxioms eine Folge von paarweise verschiedenen Elementen finden. Die Abbildung
für für
ist wohldefiniert, denn, wenn , dann gibt es ein mit und dieses ist eindeutig. Sie zeigt, dass zur echten Teilmenge gleichmächtig und damit nicht Dedekind-endlich ist – im Widerspruch zur Voraussetzung.
Erblich endliche Mengen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Menge heißt erblich endlich, wenn die transitive Hülle endlich ist. Das heißt, dass nicht nur endlich ist, sondern auch alle Elemente aus endliche Mengen sind, und deren Elemente ebenfalls endliche Mengen sind, und so weiter.
Nach Definition sind alle erblich-endlichen Mengen endlich. Die Umkehrung gilt nicht, so ist etwa eine endliche Menge, denn sie enthält als einziges Element , aber das Element selbst ist nicht endlich.
In der abstrakten Mengenlehre werden die natürlichen Zahlen als erblich endliche Mengen eingeführt:
Damit sind die natürlichen Zahlen selbst endliche Mengen, sogar erblich endlich, und es gilt für jede natürliche Zahl , wobei hier die senkrechten Striche nicht für die Betragsfunktion stehen, sondern für die Mächtigkeit. Das ist der Grund, warum oben in der Einleitung bei der Definition der Gleichmächtigkeit die Menge an Stelle von gewählt wurde. Letzteres wäre zwar auch richtig gewesen, aber die getroffene Wahl passt besser zur Definition der natürlichen Zahlen, wonach eine Menge die Mächtigkeit hat, wenn sie zu gleichmächtig ist.
Durchschnitte, Vereinigungen und Produkte erblich endlicher Mengen sind wieder erblich endlich. Die Menge aller erblich endlichen Mengen ist genau die Stufe der Von-Neumann-Hierarchie der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre.
Weitere Endlichkeitsbegriffe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Endlichkeit einer Menge lässt sich auch ordnungstheoretisch fassen. Hier ist insbesondere das auf Alfred Tarski zurückgehende Konzept der Tarski-Endlichkeit zu nennen.
Einzelnachweise und Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Es muss also eine Vergleichsoperation geben, die in der Lage ist, resp. festzustellen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Paul R. Halmos: Naive Mengenlehre (= Moderne Mathematik in elementarer Darstellung. Bd. 6). 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, ISBN 3-525-40527-8.
- Oliver Deiser: Einführung in die Mengenlehre. Die Mengenlehre Georg Cantors und ihre Axiomatisierung durch Ernst Zermelo. 3., korrigierte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2010, ISBN 978-3-642-01444-4, doi:10.1007/978-3-642-01445-1.