Europäische Union (Widerstandsgruppe)

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Die Europäische Union („EU“) war eine antifaschistische Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus, welche sich um Anneliese und Georg Groscurth und Robert Havemann bildete. Weitere wichtige Mitglieder waren Herbert Richter und Paul Rentsch.

Die in Berlin tätige Gruppe wurde 1939 gebildet. Einige Gründungsmitglieder (Havemann, G. Groscurth) entstammten der linkssozialistischen Gruppe Neu Beginnen. Die „EU“ trat für die Wiederherstellung demokratischer Rechte und Freiheiten und ein vereinigtes, freies und sozialistisches Europa ein und versuchte durch Kontaktaufnahme mit den Widerstandsstrukturen der ausländischen Zwangsarbeiter den innerdeutschen Widerstand zu stärken. Die Gruppe versteckte Verfolgte des NS-Regimes und beschaffte diesen Ausweise, Nahrungsmittel und Informationen. Daneben stand die Organisation seit 1941 mit der KPD-Widerstandsgruppe um Robert Uhrig in Kontakt. Im September 1943 wurden Mitglieder der Europäischen Union von der Gestapo festgenommen und in 12 Prozessen vor dem Volksgerichtshof wurden 40 Personen angeklagt. Er sprach 14 Todesurteile aus, 2 Personen waren bereits in der Untersuchungshaft gestorben. Robert Havemann entging der Vollstreckung des Urteils, da seine Tätigkeit als Chemiker für die Entwicklung neuer Waffen für kriegswichtig gehalten wurde, Groscurth, Richter(-Luckian) und Rentsch wurden am 8. Mai 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Weitere Mitglieder wurden vor anderen Gerichten angeklagt.

Hinterbliebenen der Opfer wurden 1949 Leistungen nach dem „Bundesgesetz zur Entschädigung für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung“ verweigert.

Programm

Wir stehen am Vorabend des Zusammenbruchs des europäischen Faschismus. (Manifest vom 15. Juli 1943, These 1) Trotz härtester politischer Unterdrückung ist es dem Nazismus nicht gelungen, die alten und ewigen freiheitlichen Ideen, die in Europa in den großen Revolutionen geboren wurden, auszulöschen. Die Zukunft von morgen wird ein geeintes sozialistisches Europa sein.

Flugblatt Nr.35: Der künftige europäische Sozialismus bedeute nicht Ausrottung der Bourgeoisie, Aufhebung des privaten Eigentums und Errichtung einer blutigen Diktatur dogmatischer Marxisten, sondern die Ausschaltung privater Interessen aus Politik und Wirtschaft, eine Befreiung des Individuums von wirtschaftlicher Bevormundung. Die von den Nationalsozialisten aus ganz Europa verschleppten Zwangsarbeiter würden zu Trägern eines revolutionären Aufstands werden und die Vereinigten Staaten von Europa gründen: Hitlers Umsiedlungsaktionen und die Verschleppung gewaltiger Massen ausländischer Arbeiter nach Deutschland haben den Boden für eine gesamteuropäische Lösung bereitet. (Juli 1943) Ohne Überwindung der nationalistischen, privat-kapitalistischen und imperialistischen Struktur des jetzigen Europa werden die Opfer und das namenlose Elend der Massen auch diesmal vergeblich sein.

Ehrung 2006

Fünf Mitglieder der Gruppe erhielten 2006 den Ehrentitel Gerechter unter den Völkern der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem. Viele Mitglieder hatten schon vor 1939 damit begonnen, Juden zu verstecken und zu versorgen, um sie vor der Deportation ins Vernichtungslager zu schützen, ab 1942 halfen sie auch ausländischen Zwangsarbeitern. Die Namen der Fünf: die Eheleute Groscurth, Robert Havemann, Paul Rentsch, Herbert Richter.

Weitere Mitglieder

  • Weitere Angehörige der Gruppe (hingerichtet):
    • Wladimir Boisselier (* 19. September 1907 in Moskau; † 30. Oktober 1944), Elektrotechniker, Franzose
    • Walter Caro (* 23. März 1899 in Berlin; † März 1945 in Auschwitz),
    • Jean Cochon (* 29. Juli 1916 in Gensac-la-Pallue (Charente); † 30. Oktober 1944), Elektrotechniker, Franzose
    • Elli Hatschek (* 2. Juli 1901; † 8. Dezember 1944), 2. Ehefrau von Paul Hatschek
    • Krista Lavickova (* 15. Dezember 1917; † 11. August 1944), geb. Hatschek, Tochter des Paul H., Sekretärin
    • Paul Hatschek (* 11. März 1888; † 15. Mai 1944), Jurist, Tscheche
    • Kurt Müller (* 2. Februar 1903 in Berlin; † 26. Juni 1944 im Zuchthaus Brandenburg)
    • Nikolai Sawitsch Romanenko (* 1. Mai 1911; † 30. Oktober 1944), Techniker, aus der UdSSR
    • Galina Fedorowna Romanowa, Ärztin, aus der UdSSR
    • Alexander Westermayer (* 29. Oktober 1894 in Goslar; † 19. Juni 1944), gelernter Holzmechaniker
    • Konstantin Zadkevicz (auch: Shadkewitsch, Zadkiewicz; * 3. August 1910; † 30. Oktober 1944) Chemiker, Tscheche
  • Wegen Krankheit nicht hingerichtet:
    • Heinz Schlag (* 23. Oktober 1908; † 1961), Arzt
  • Sonstige bekannte Mitglieder
    • Miron Broser (* 20. Dezember 1891 in Tula, Russland), Übersetzer, zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt, von US-Truppen befreit, letzte bekannte Übersetzungen ins Deutsche 1949
    • Oskar Fischer (Maler), freigesprochen
    • James Frichot (* 2. März 1918 in Boulogne (Seine)), Franzose, Elektrotechniker, freigesprochen
    • Helmut Kindler (* 3. Dezember 1912 in Berlin), Journalist, Verleger, freigesprochen
    • René Peyriguére (* 1. Juni 1917 in Paris), Chemiker, Franzose, freigesprochen

Literatur

  • Simone Hannemann: Robert Havemann und die Widerstandsgruppe „Europäische Union“. Eine Darstellung der Ereignisse und deren Interpretation nach 1945. Berlin 2001 ISBN 3980492052 Rezension: [1] oder (kritisch)[2]
  • Für ein Leben ohne Menschenhass sowie Interview: „In beiden deutschen Staaten vergessen“ mit Bernd Florath, in: FR 14. 3. 2007, Seite 26
  • Manfred Wilke & Werner Theuer: Der Beweis eines Verrats läßt sich nicht erbringen. Robert Havemann und die Widerstandsgruppe Europäische Union In: Deutschland Archiv, Köln, 32. Jg. 1999 Heft 6, S. 899 - 912
  • Friedrich Christian Delius: Mein Jahr als Mörder. Roman Rowohlt, Berlin 2004 ISBN 3871344583; TB 2006 Rowohlt, Reinbek 2006 ISBN 3499239329 (Literarische Bearbeitung des Lebens von Anneliese Groscurth)

Weblinks