FidoNet

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Das FidoNet ist ein sogenanntes Mailboxnetz, das sich in den 1980er und 1990er Jahren über die ganze Welt verbreitete, dann aber durch das Internet sehr stark verdrängt wurde. Heute gibt es nur noch wenige aktiv am FidoNet beteiligte Systeme.

Technik & Organisation

Das FidoNet stammt aus einer Zeit, als zumindest im privaten Bereich eine elektronische Datenübertragung zwischen zwei PCs nur durch direkte Anwahl des Zielsystems via Telefonmodem möglich war. Das Internet war in seiner jetzigen Form nicht existent, schnelle Datenverbindungen über das damals gebräuchliche Datex-P-Netz der damals noch staatlichen Deutschen Bundespost waren aufgrund der sehr hohen Kosten Firmen vorbehalten.

Da insbesondere Ferngespräche und Auslandstelefonate sehr teuer waren, wurde viel kreative Energie darauf verwandt, bei möglichst wenigen und möglichst kurzen Verbindungen zu Tageszeiten mit niedrigen Gebühren ein schnelles und effektives Verteilen von Mails und Dateien an alle angeschlossenen Systeme zu erzielen. Das FidoNet war in seiner Blütezeit um 1990 herum nicht der einzige organisierte Verbund von privat betriebenen Mailboxen, aber er war der weltweit mit großem Abstand beliebteste.

Die angeschlossenen Systeme verwenden sowohl hinsichtlich des Datenformats, als auch der Datenübertragung ein eigenes Protokoll und spezielle Software. Die Protokolle ermöglichen das Versenden individueller (Netmails) und öffentlicher (Echomails) Nachrichten. Netmails sind begrenzt mit E-Mails vergleichbar, Echomails in den einzelnen Echos mit der Konzeption des Usenet.

Die Übertragung der Daten erfolgt asynchron (Store and Forward). Das Netz ist sternförmig aufgebaut. Jedes System schickt die Nachrichten an das nächsthöhere System in der Hierarchie weiter. Lediglich die direkte Übertragung von Netmails vom Sendersystem per direkter Verbindung an das Zielsystem, so genannte Crashmails, richtet sich nicht nach der Hierarchie. (Manchmal wird auch die Weitergabe von Netmails getrennt von den Echomails abgewickelt, um schnellere Laufzeiten von Netmails ohne signifikant höhere Kosten zu erreichen, allerdings ist das inzwischen die Ausnahme.)

Der eigentliche Boom des FidoNet setzte mit der Einführung von ISDN in Europa ein. Durch die höhere Bandbreite konnte deutlich mehr Nachrichtenvolumen bei gleichen Kosten transportiert werden. Die analogen Modems schafften seinerzeit eine maximale Übertragungsgeschwindigkeit von 19.200 bps, mit den digitalen ISDN-Adaptern waren 64.000 bps möglich.

Durch die höhere Transferrate kamen Fileechos in Mode, um Freeware, Shareware und Textdateien automatisiert über die Baumstruktur des Netzes zu verteilen. Fileechos benutzen die gleiche Technologie, die zur Verbreitung der Nodelisten eingesetzt wurde. Manche Fileechos sind thematisch abgegrenzt, zum Beispiel Spiele, Texte oder Betriebssystem. Einspeisen (sog. Hatchen) konnte jeder Teilnehmer des Fileechos.

Die öffentlichen Beiträge werden in Echos veröffentlicht, die in ihrer Funktion den Newsgroups des Usenet sehr ähnlich sind. Fast alle Echos haben einen Moderator, der dafür sorgt, dass die Beiträge inhaltlich zum Thema des Echos passen und die allgemeinen Regeln des Fidos eingehalten werden. Der Moderator wird meist turnusmäßig von den Echo-Teilnehmern gewählt. Bei mehrfachen Regelverstößen kann ein Point oder Node, über welchen die Regelverstöße in das Fido-Netz gelangten, vom Bezug des Echos und sogar vom gesamten Fidonet ausgeschlossen werden. Ein einmal abgeschickter öffentliche Artikel kann nicht wieder zurückgezogen werden (wie dies im Usenet durch eine "cancel-message" versucht werden kann).

Im Gegensatz zum Usenet läuft die Kommunikation im FidoNet privater ab: Während viele Newsgroups im Usenet mit Spam überschwemmt werden und einige Benutzer entgegen der Netiquette unter einem Pseudonym schreiben, ist das FidoNet in der Regel spamfrei und bietet durch die allgemeine Beachtung der Verhaltensregeln eine von vielen als angenehmer empfundene Atmosphäre. Darüberhinaus ist bei der Anmeldung zum FidoNet ein Kontakt zum Betreiber (SysOp) einer Mailbox nötig.

Die Technologie wurde von vielen privaten und kommerziellen Organisationen verwendet, um dezentrale Kommunikation zu ermöglichen. Zum Beispiel haben viele Betreiber von Ölplattformen dieses System genutzt, weil es eine kostengünstige Variante darstellte.

Damit eine Abgrenzung zwischen Fidonet und anderen Fidonet-basierten Systemen garantiert werden konnte, wurden Nummern für die geographische Zone verwendet, die das FidoNet selbst nicht benutzt (sog. Othernets). Ein für Deutschland bekanntes Beispiel war das vom Verlag Heinz Heise initiierte Gernet (Zone 21).

Geographische Aufteilung

Das Netz ist in sechs geographische Zonen unterteilt:

Für eine genaue Auflistung der Regionen innerhalb der Zonen siehe FidoNet Zonen.

Regionale Organisation

Innerhalb der Zonen gibt es Regionen und Netze, die einfach durch Zahlen bezeichnet werden. Jedes Netz wird von mindestens einem Host und evtl. mehreren Hubs mit Nachrichten versorgt.

An den Hub angeschlossen sind die so genannten Nodes. Dies sind in der Regel kleinere Mailboxsysteme, die eine überschaubare Menge an Points, welche das letzte Glied in dieser Kette darstellen, mit Nachrichten versorgt. Points gelten nicht als Mitglieder des FidoNets, sondern sind reine Nutzer. Im Gegensatz zu den Nodes haben Points in der demokratischen Struktur keine Rechte.

Entsprechend dieser technischen Struktur ist eine weltweite eindeutige FidoNet-Adresse nach folgendem Schema aufgebaut:

Zone:Net/Node.Point (also zum Beispiel 2:270/1200.1)

Darüber hinaus existieren so genannte unabhängige Nodes, die in den meisten Fällen als Gateways fungieren. Als Standard für ein Gateway in das Usenet dient die Software von Martin Junius, Fidogate. Über viele Jahre wurde so die Erreichbarkeit des Benutzers Max Mustermann des o.g. Mailbox-Systems über die Adresse Max_Mustermann@p1.f1200.n270.z2.fidonet.org gewährleistet. Ein Nebeneffekt des Transports von Fido Echo-Mails ins Usenet und umgekehrt ist, dass viele Mails ehemaliger Fidonet-Points und -Nodes sich auch heutzutage in Googles Usenet-Archiv wiederfinden lassen.

Getragen wird dieses Netz ausschließlich von Privatpersonen, Kommerz ist im FidoNet strengstens verboten. Das war allerdings nicht immer so, es gab eine Zeit lang von Firmen finanzierte Nodes, die insbesondere Support-Echos für ihre Produkte verteilten.

Um eine Übersicht aller angeschlossenen Systeme zu haben, aber auch um ein korrektes Routing der Nachrichten zu garantieren, wird die Nodelist erstellt, in der alle Nodes des FidoNets aufgelistet sind. Jeden Freitag wird die Liste aktualisiert und eine Auflistung der Änderungen zur letzten Liste versendet, die so genannte Nodediff, welche von den angeschlossenen Systemen automatisch verarbeitet werden kann. Die Nodelist enthält neben den Informationen zur Nodenummer auch Angaben über den Betreiber des Nodes, den geographischen Standort, der Telefon- oder IP-Nummer, den möglichen Übertragungsprotokollen sowie den Zeitfenstern, wann das System erreichbar ist. Aufgrund dieser Informationen können Nodes und auch Points entscheiden, an welcher Stelle die direkten Netmails, die Crashmails, abgegeben werden können.

Geschichte

Gegründet wurde das FidoNet 1984 von Tom Jennings in den USA. Benannt wurde es nach seinem Hund „Fido”. Seit Ende der 1990er gehen die Mitgliederzahlen zurück, hauptsächlich, da vollwertige Internetzugänge mittlerweile Standard geworden sind. Zur besten Zeit enthielt die sog. Nodelist weltweit über 30.000 Einträge.

Fido Putsch im Jahre 1993 innerhalb des Netzes 2:24 (Deutschland)

Fido sollte von seiner Struktur her eigentlich regional-hierarchisch organisiert sein. Das bedeutet, dass der eigene Server, der sog. Uplink, sich in mittelbarer Umgebung zum eigenen System (Node) befindet (idealerweise im Gültigkeitsbereich des Ortstarifes der Telefongesellschaft).

Mit den Jahren verlangten allerdings verschiedene Hubs und Uplinks Gebühren von ihren untergeordneten Systemen um die eigenen Kosten decken zu können. Dies bedingte eine Konkurrenz innerhalb des Netzes, die dazu führte, dass das Netz zusehends fragmentierte und sich die Nodes Uplinks außerhalb ihres Bereichs suchten.

Es bildete sich innerhalb des Netzes eine Bewegung, die die Nodes wieder in eine regional orientierte Struktur zwingen wollte. Nach vielen Wochen und Monaten der Auseinandersetzung vor allem unter den Netzkoordinatoren (NCs) schloss sich ein nicht unerheblicher Teil des Netzes zusammen, um eine "gewaltsame" Übernahme anzustreben, indem man die Nodelistkeeper auf seine Seite zog beziehungsweise eigene Nodelisten einführte. Die Nodeliste ist von daher Dreh- und Angelpunkt des Netzes, da sie zum einen die Adressen der angeschlossenen Systeme führt und zum anderen das Routing auf ihr basiert.

So kam es dann, dass am 2. Juli 1993 mit der Nodelist 176 ein Teil des Netzes sich abspaltete und zum neuen offiziellen FidoNet (Fido-Lite) wurde. Die Nodes, die nicht mitzogen, wurden innerhalb des Fido-Classic geführt, welches seine eigene Nodelistenlogik weiterführte. Seitdem mussten faktisch alle System innerhalb des Netzes eine Fido-Lite und eine Fido-Classic Nodelist führen.

Am 12. Juli 1993 schrieb Juergen Hermann in den globalen Fido News:

+++ news flash +++ news flash +++ news flash +++ news flash 
FidoNet lost 500 nodes - first major disruption of so-far constant
growth - more losses to come - keep your lines open for the next HUGE
nodediff - a great step towards enforcing THE POLICY
+++ news flash +++ news flash +++ news flash +++ news flash

Die faktische Trennung des FidoNet in zwei Netze, die dieselbe Zone und Region in der Adressierung nutzten, stellten die meisten Mailboxen vor mehr oder weniger unlösbare technische Probleme. Zur Sicherstellung der Echo- und Netmail-Versorgung zwischen den beiden Netzen nahmen einige Betreiber große Bürden auf sich. So führten die Verbindungen zunächst über amerikanische, später über niederländische Mailboxen, was bei den damaligen Telefonkosten eine enorme finanzielle Belastung darstellte.

Fido heute (2004)

Die öffentlich (als Point) lesbaren deutschen Echos stehen zum größten Teil verlassen, einige existieren nur noch auf der Area-Liste der angewählten („gepollten”) Mailbox. Die Zahl der noch aktiven (deutschen) Benutzer ist mittlerweile auf eine überschaubare Zahl gesunken und setzt sich zu etwa 50% aus per Fido-over-IP (Abfrage der Mailbox über das Internet) und zu 50% aus direkt (ohne Internet) anwählenden Benutzern zusammen. Die meisten Mailboxen beziehen ihre Nachrichten heutzutage mittels überregionaler Anbindung per Internet, um eine schnellere Weiterleitung von Nachrichten (es wird in sehr kurzen Abständen gepollt), sowie einen Betrieb unter sehr geringen Kosten (durch Verwendung einer Flatrate) zu ermöglichen. Viele Mailboxen wurden jedoch inzwischen abgeschaltet und so ist es auch schwer, überhaupt noch einen Zugang zum FidoNet zu finden. Die Entwicklung der zur Teilnahme benötigten Software ist ebenfalls größtenteils zum Erliegen gekommen und läuft auf neueren Betriebssystemen meist nur noch fehlerhaft.

20 Jahre nach seiner Gründung ist das FidoNet vom am Ende der 90er Jahre für Privatanwender immer erschwinglicher gewordenen Internet zunehmend verdrängt worden. Kaum jemand weiß heutzutage etwas mit dem Begriff FidoNet anzufangen – die Kommunikation läuft heutzutage in den für die meisten Benutzer wesentlich komfortableren (da allein mit einem Webbrowser erreichbaren) Webforen ab, welche jedoch anders als das FidoNet oder beispielsweise das Usenet keine inhaltliche Vernetzung untereinander bieten können.

Im September 2004 sind noch 8484 Nodes gelistet, folgende Tabelle zeigt deren Verteilung:

Zone Name Anzahl Nodes
1 Nordamerika 686
2 Europa 7717
3 Ozeanien 43
4 Lateinamerika 15
5 Afrika 5
6 Asien 18

Weblinks