Fortifikation Murten

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Reduit Mont Vully 1914-15

Die Fortifikation Murten war neben der Fortifikation Hauenstein und der Fortifikation Bellinzona die wichtigste Verteidigungslinie der Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg zur Sicherung des schweizerischen Mittellandes vor gegnerischen Angriffen gegen Westen.

Lage

Die tief gestaffelten drei Fortifikationsabschnitte lagen hintereinander im Gebiet Zihlkanal, Mont Vully, Murten-Laupen/Saane.

Der Fortifikationsabschnitt Jolimont zwischen Bieler- und Neuenburgersee bestand aus drei ausgebauten, gestaffelten Verteidigungslinien und hatte einen gegnerischen Übergang über den Zihlkanal zu verhindern. Die vorderste Linie bestand aus drei Infanterie-Stützpunkten und zahlreichen Maschinengewehr-Bunkern zum Schutz der Zihlübergänge. Die zweite Linie verlief durch das Niederholz nördlich von Gals und entlang dem Fuss des Jolimont. Die «Waldstellung» am Jolimont wurde ab 1916 als dritte und Hauptverteidigungslinie gebaut. Am südlichen Hinterhang des Jolimont wurden 1914 Artilleriebatterien gebaut

In den Fortifikationsabschnitten Mont Vully und Murten–Saane bestanden die Verteidigungslinien aus auf sich gegenseitig deckenden Infanterie-Stützpunkten, die durch weiter hinten aufgestellte Artillerie unterstützt wurden. Sie hatten den Raum Mont Vully zwischen Neuenburger- und Murtensee zu sperren sowie einen Stoss zwischen Murtensee und Saanelauf bei Bösingen aufzufangen.

12 cm Feldhaubitze Ord. 1862

Geschichte

Nach der Wahl zum Generalstabschef der Schweizer Armee nahm Theophil Sprecher von Bernegg 1906 wegen den zunehmenden Spannungen in Europa eine Beurteilung der Bedrohungslage für die Schweiz vor, wobei er zu folgenden Schlüssen kam: Deutschland würde von sich aus kein schweizerisches Gebiet verletzen, während Frankreich mit einem Umfassungsangriff durch die Schweiz in Richtung der unbefestigten deutschen Südgrenze vorstossen könnte. Die Dreiländergrenze befand sich damals im Jura bei Bonfol, weil das Elsass zu Deutschland gehörte.

Aufgrund dieser Analyse erarbeiteten Ingenieuroffiziere detaillierte Pläne für die Schlüsselräume West (Sperrstellung Murten) und Nord (Brückenkopf Olten mit der Fortifikation Hauenstein), die bis zum Kriegsbeginn 1914 bereit waren. Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass die französische Armee im Dezember 1915 einen "Plan H" (H = Helvétie) mit einer Stossrichtung durch die Schweiz Richtung Süddeutschland entwickelt hatte[1].

Auftrag

Der Schaffhauser Ständerat und Milizoffizier Oberst Bolli wurde zum Kommandanten, der Generalstabshauptmann und spätere Divisionär Eugen Bircher zum Stabschef der Fortifikation Murten ernannt.

Der „Befehl für das Fortifikationskommando Murten“ wurde vom Generalstabschef am 8. August 1914 erstellt: Die Aufgabe der Fortifikation Murten war der Schutz der Stadt Bern als Zugang zum schweizerischen Mittelland vor gegnerischen Angriffen über die Zihl und aus dem Kanton Waadt sowie die Schaffung von Operationsfreiheit für die Armee, damit sie bei einem Übergang zum Angriff östlich der Saane oder nördlich des Bielersees eine sichere Flankendeckung findet.

Die kürzeste Eisenbahn- und Strassenverbindung von Frankreich nach Bern führte durch das Val de Travers mit der 1901 eröffneten Eisenbahnstrecke über Pontarlier. Die 1913 eröffnete Eisenbahnstrecke Lötschberg-Simplontunnel liess sich als militärgeografisch wichtige Verkehrsachse (zweite Alpentransversale neben dem Gotthardtunnel) an der Zihl gut sperren.

Vorbereitung der Stellungen

Im September 1914 bauten rund 16.000 Milizsoldaten für die Fortifikation Murten mit Hindernissen umgebene Schützengrabensysteme in Halbmondform, Artilleriegeschütz-Batterien, Beton-Bunker für Maschinengewehre oder für Geschütze, unterirdische Mannschaftsunterkünfte und Munitionslager sowie in Fels gehauene Infanteriekampfstände mit Stollenanlagen.

Eine Entspannung an den Grenzen erlaubte die Einrichtung eines Ablösungsdienstes, um der Landwirtschaft und der Wirtschaft die notwendigen Arbeitskräfte wieder zur Verfügung zu stellen. Von Oktober 1914 bis 1917 war die Fortifikation mit durchschnittlich 2.000 Mann besetzt, die in den in Schulhäusern und Restaurants der umliegenden Dörfern untergebracht waren. Der Bau der Fortifikation Murten kostete zwischen 22–26 Millionen Franken nach heutigem (Jahr 2000) Wert.

Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Schlüsselraum Murten als vorgeschobene Stellung des Reduit mit zusätzlichen Verstärkungen aufgerüstet und von der Grenzbrigade 2 und der Leichten Brigade 1 betrieben. Die „Murten-Stellung“ bildete einen Eckpfeiler der Vorgeschobenen Stellungen des Reduit. Am Vully wurden neue, gegen Panzerkampfwagen wirksame Befestigungen gebaut. Die Bunkerlinie wurde etwas weiter westlich als die Linien der Fortifikation Murten angelegt.

Im Kalten Krieg war das Motorinfanterie Regiment 2 der Mechanisierten Division 1 für die Belegung des Infanterie Sperrriegels zwischen seinen beiden Panzer Regimentern vorgesehen. Mit der Armee 95 wurden die Werke ausgemustert [2].

Literatur

  • Hans Rudolf Fuhrer: Die Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg, Bedrohung, Landesverteidigung und Landesbefestigung. NZZ-Verlag, Zürich1999
  • Hans Rudolf Fuhrer: Die Fortifikationen Hauenstein und Murten im Ersten Weltkrieg. In: Max Mittler (Hrsg.): Die Geschichte der Schweizerischen Landesbefestigung. Zürich 1992
  • Hans Rudolf Fuhrer, Jürg Keller: Schlüsselraum West. Bern 2005
  • Juri Jaquemet: Wenn durch des Jura’s Pforten der Feind in Massen dringt. Die Landesbefestigung gegen Westen im Seeland, Murtenbiet und am angrenzenden Jurasüdfuss 1815–1918. Historisches Institut der Universität Bern 2008
  • Günther D. Reiss: Die Fortifikation Murten 1914–1918 – eine behelfsmässig befestigte Stellung. In: Volker Schmidtchen, Volker (Hrsg.): Forschen Erhalten Pflegen Nutzen – Vom Umgang mit Wehrarchitektur. Wesel 1991
  • «Die Murtenstellung»: Jahresheft des Vereins Historische Militäranlagen, Freiburg/Bern 2013

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fortifikation Hauenstein: Geschichte
  2. Festung Oberland: Schlüsselraum Murten

Koordinaten: 46° 58′ N, 7° 6′ O; CH1903: 573774 / 201490