Günther Tessmann

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Günther Tessmann (* 2. April 1884 in Lübeck; † 15. November 1969 in Curitiba) war ein deutscher Forschungsreisender, Botaniker und Ethnologe. Sein botanisches Autorenkürzel lautet „Tessmann“.

Leben

Günther Tessmann, auch in der Schreibung Günter Tessmann, war der Sohn eines Lübecker Kaufmanns und besuchte das Katharineum, das er mit dem Abschluss der Mittleren Reife verließ, um von 1902 bis 1904 die Reichskolonialschule in Witzenhausen zu besuchen. Anschließend reiste er nach Kamerun, wo er zunächst in einer Kakaoplantage Arbeit fand und sich alsbald als Elefantenjäger auf eigene Beine stellte. Nach seiner Rückkehr nach Lübeck 1907 warb ihn Richard Karutz, der Leiter des Museums für Völkerkunde in Lübeck, als Expeditionsleiter für die von ihm initiierte Lübecker Pangwe-Expedition an, die in den Jahren 1907 bis 1909 in den Südkamerun und nach Äquatorialguinea zur Erforschung der Pangwe (heutiger Name Fang) führte. Der 1913 erschienene Expeditionsbericht Tessmanns ist eine umfassende Darstellung der Pangwe-Kultur und das Hauptwerk Tessmanns. Darin lieferte er erstmals eine Beschreibung der epischen Tradition der Fang, er fertigte auch Tonaufnahmen von der im Zentrum dieser Tradition stehenden Stegharfe Mvet.

1913 wurde Tessmann mit der Leitung der Reichsexpedition in den Neukamerun beauftragt. Diese Expedition fand durch den Ersten Weltkrieg ein jähes Ende. Zuletzt führte er vom 6. November bis zum 15. Dezember 1914 Feldforschungen vom bereits zum damaligen Zeitpunkt aufgegebenen Militärposten Bafiahöhe am Don i tison aus durch, die 1934 unter dem Titel Die Bafia und die Kultur der Mittelkamerun-Bantu veröffentlicht wurden. Tessmann wurde nach seiner Flucht nach Spanisch-Guinea von den Spaniern interniert. Tessmann nutzte die Zeit der Internierung, um Material über die Bubi auf Fernando Póo, die Bafia im Mittelkamerun und die Baja (in der heutigen Zentralafrikanischen Republik) zu sammeln.

Der für ihn schmerzliche Verlust der deutschen Kolonien in Afrika führte zu einer Hinwendung zu Südamerika, wo er ab 1920 den amazonischen Teil von Peru bereiste und als Ethnologe bis 1926 für den amerikanischen Geologen Harvey Bassler (1882–1950) tätig war. Bis 1936 wertete er in Berlin seine Notizen aus und verarbeitete sie schriftstellerisch. Die Universität Rostock verlieh ihm 1930 den Titel eines Ehrendoktors. 1936 wanderte Tessmann nach Brasilien aus und ließ sich dort in Paraná als Kolonist nieder. Nach verschiedenen wechselnden Tätigkeiten fand er 1947 eine Festanstellung beim Museu Paranaense und zuletzt beim Instituto de Biologia in Curitiba. 1958 ging er dort in den Ruhestand und widmete sich Forschungen zur Entstehung des Sonnensystems.

Nachwirken

Insbesondere seine Forschungsberichte zu den Fang gelten heute noch als maßgeblich. Er brachte rund 1200 ethnographische Objekte aus Kamerun und Äquatorialguinea in die Sammlung des Völkerkundemuseums Lübeck ein, von denen ein großer Teil während des Zweiten Weltkriegs verloren ging. Verbleibende Objekte der für ihre Schnitzkunst berühmten Fang haben heute einen hohen musealen und materiellen Wert.

Seine in zwölf Tagebüchern erhaltenen autobiographischen Schriften werden seit 2012 in Zusammenarbeit mit dem Frobenius-Institut und Unterstützung der DFG erstmals herausgegeben. Zeitlebens bemühte sich Tessmann um seine akademische Anerkennung.

Ehrentaxon

Günther Tessmann sammelte bereits als Schüler in Lübeck begeistert Schmetterlinge. Diese Leidenschaft behielt er in Westafrika bei und beschrieb auch deren botanisches Umfeld.[1] Die Pterocarpus-Art Pterocarpus tessmannii Harms ist nach ihm benannt.

Schriften

Ein Schriftenverzeichen von Günther Tessmann findet sich auf den Seiten 445 bis 449 des ersten Bandes seiner autobiographischen Schriften Mein Leben, 2012.

  • Die Pangwe. Völkerkundliche Monographie eines westafrikanischen Negerstammes. Ergebnisse der Lübecker Pangwe-Expedition 1907–1909 und früherer Forschungen 1904–1907. 2 Bände, Ernst Wasmuth, Berlin 1913.[2] Von diesem Werk erschien auch eine englische, spanische und eine gekürzte französische Fassung.
  • Menschen ohne Gott. Ein Besuch bei den Indianern des Ucayali. (= Veröffentlichung der Harvey-Bassler-Stiftung. Völkerkunde, Band 1). Strecker & Schröder, Stuttgart 1928.[3]
  • Die Indianer Nordost-Perus. Grundlegende Forschungen für eine systematische Kulturkunde. Friedrichsen, de Gruyter & Co, Hamburg 1930.
    • spanisch: Las indigenas del Perú noriente. Investigaciones fundamentales para un estudio sistemático de la cultura. Ed. Abya-Yala, Quito, Ecuador 1997.
  • Die Völker und Sprachen Kameruns. In: Petermanns Mitteilungen. Jg. 78, 1932, Heft 5/6, S. 113–120, Heft 7/8, S. 184–190.
  • Die Bafia und die Kultur der Mittelkamerun-Bantu. (= Ergebnisse der 1913 vom Reichs-Kolonialamt ausgesandten völkerkundlichen Forschungsreise nach Kamerun. Band 1: Ergebnisse der Expedition zu den Bafia, 1914). Strecker & Schröder, Stuttgart 1934.
  • Die Baja. Ein Negerstamm im mittleren Sudan. (= Ergebnisse der 1913 vom Reichs-Kolonialamt ausgesandten völkerkundlichen Forschungsreise nach Kamerun. Band 2: Ergebnisse der Expedition zu den Baja, 1913/14. Teil 1: Materielle und seelische Kultur). Strecker & Schröder, Stuttgart 1934.
  • Die Baja. Ein Negerstamm im mittleren Sudan. (= Ergebnisse der 1913 vom Reichs-Kolonialamt ausgesandten völkerkundlichen Forschungsreise nach Kamerun. Band 2: Ergebnisse der Expedition zu den Baja, 1913/14. Teil 2: Geistige Kultur). Strecker & Schröder, Stuttgart 1937.
  • Der Schöpfungsplan und seine Entwicklung im Aufbau unserer Welt. Zwei Bände. Curitiba, Paraná 1950.
  • Ein großer Geist schuf unser Sonnensystem, nicht blinder Zufall! Ein wissenschaftlicher Gottesbeweis. Curitiba, Paraná 1964.

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  • Mein Leben. 12 Manuskript-Bände, davon bisher 3 digitalisiert
Digitalisat

Literatur

  • Wolfgang Haberland: Günter Tessmann 85 Jahre alt. In: Zeitschrift für Ethnographie. Band 94, 1969, Heft 2, S. 169–170. (JSTOR:25841214).
  • Thomas Klockmann: Günther Tessmann. König im weißen Fleck. Das ethnologische Werk im Spiegel der Lebenserinnerungen. Ein biographisch-werkkritischer Versuch. Hamburg 1988. (Zugleich: Dissertation, Universität Hamburg, 1988).
  • Thomas Klockmann: Richard Karutz. In: Alken Bruns (Hrsg.): Lübecker Lebensläufe. Neumünster 1993, S. 400 ff. ISBN 3-529-02729-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tessmann auf der Liste der Botaniker der Harvard University
  2. Rezension: Anton Willem Nieuwenhuis: Tessmann, Günther. Die Pangwe. In: Internationales Archiv für Ethnographie. Band 22, 1915, S. 145–146.
  3. Rezension: Konrad Theodor Preuss: Tessmann, Günther. Menschen ohne Gott. In: Baessler-Archiv für Völkerkunde. Band 12, 1928, S. 89.