Gerd Wenzinger

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Gerd Wenzinger (* 1941,[1] nach anderen Angaben 1943 oder 1944 in St. Blasien, Deutschland; † 16. Juni 1997 in Salvador da Bahia, Brasilien) war ein deutscher Allgemeinmediziner und Mörder, auch bekannt als der Havel-Ripper.

Leben

Gerd Wenzinger wurde als zweites von drei Kindern geboren, davon eines eine jüngere Schwester. Schon früh interessierte er sich für Musik und Kunst. Wenzinger spielte Geige, malte und modellierte gern.

Nach dem Abitur begann Wenzinger ein Mathematik- und Physikstudium, wechselte aber später zu Medizin. Seine Ehe scheiterte nach vier Jahren, danach hatte er ständig wechselnde Partnerschaften. Seine Schwester sagte später aus, dass seine eigene Eifersucht und Untreue zum Ende jeder Beziehung geführt hätten.[2]

1978 ließ Wenzinger sich als Arzt für Allgemeinmedizin in Stuttgart nieder. 1990 entdeckte eine seiner Partnerinnen zufällig heimlich gefilmtes Videomaterial von seinen Patientinnen während der Behandlung. Der Fund wurde an die Polizei weitergegeben. Die Ärztekammer untersuchte den Vorfall und Wenzinger musste seine Approbation zurückgeben. Daraufhin verkaufte er seine Praxis und zog 1991 nach Berlin. Von seinen dortigen Nachbarn wurde Wenzinger als netter und höflicher Mann beschrieben, der viele Freundinnen hatte.[3] Die zwei Mordopfer wurden zu Lebzeiten den Nachbarn als Freundin vorgestellt.[3]

Wenzinger machte oft Urlaub in Brasilien. Zum Zeitpunkt seines Todes war Wenzinger in Brasilien in U-Haft wegen eines Sexualdelikts. In Brasilianischen Medien wurde berichtetet, er habe etwa 90 Frauen, vorwiegend Prostituierte, gefoltert und vier getötet. Teilweise habe er seine Taten auf Video aufgenommen. Schon früher liefen verschiedene Verfahren gegen Wenzinger, unter anderem wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von Kindern. Das Verfahren wurde allerdings 1993 eingestellt.[4][3]

Nachdem er erfuhr, dass ein Auslieferungsantrag von Deutschen Behörden wegen der Ermordung von Dana Franzke gestellt und bewilligt worden war, erhängte sich Wenzinger 1997 in seiner Zelle. Zwei Tage zuvor hatte er versucht, sich mit Antibiotika das Leben zu nehmen.[5][4]

Am 21. Juli 1997 wurde Gerd Wenzinger in Salvador beigesetzt.

Morde

Vom 25. bis zum 28. Juni 1994 wurde die Leiche der 23-jährigen Dana Franzke in 42 Teilen am nördlichen Berliner Stadtrand aus dem Oder-Havel-Kanal geborgen. Die Identität der Leiche konnte vorerst nicht aufgeklärt werden, obwohl die Fingerabdrücke der drogenabhängigen Prostituierten registriert waren. Ein Phantombild der Frau in der TV-Serie Aktenzeichen XY führte im Oktober 1994 schließlich zur Identifizierung des Opfers durch ihre Mutter. Im Leichnam wurden drei Sedativa und Narkotika nachgewiesen, die sonst nur zur Anästhesie verwendet werden.[6]

Am 5. November 1994 wurden an der Bundesautobahn 1 zwischen Hamburg und Lübeck in der Nähe von Bad Oldesloe auf mehrere Abfallbehälter verteilte, gefrorene Leichenteile einer jungen Frau gefunden, darunter der Kopf und einige innere Organe. Die Tote wurde am 11. November als die 19-jährige Sabrina G., ebenfalls eine Prostituierte, identifiziert.

Die Ermittlungen in beiden Fällen blieben anfangs erfolglos.[5]

Die Ermittlungen an dem Mord von Dana Franzke wurden erneut aufgenommen, als eine Videokassette im Mai 1996 die Kriminalpolizei von Berlin erreichte. Das darauf enthaltene Video zeigte die Folterung, Ermordung, Schändung und Zerstückelung der Prostituierten im Berliner Haus Wenzingers. Es wird angenommen, dass Dana durch die Betäubung handlungsunfähig, aber nicht bewusstlos war. Mit einer Kettensäge verletzte und folterte Wenzinger die Frau bis zum Tode. Danach missbrauchte er die Leiche, bevor er sie systematisch und nicht der Anatomie folgend in regelmäßigen Abständen zersägte. Die Schnitte setzte er zudem so, dass viele zuvor durch die Folterung zugefügte Verletzungen überdeckt wurden.[7]

Wenzinger gab den brasilianischen Medien kurz nach seinem ersten Suizidversuch ein Interview, in dem er den Mord verneinte, die Zerstückelung aber zugab. Seiner Aussage nach ist Franzke an einer Überdosis Heroin gestorben, welches aber in der Leiche nicht nachgewiesen werden konnte.[8][5]

In seinem Abschiedsbrief bestritt er die Morde weiterhin; er gab lediglich an, die Frauen narkotisiert zu haben.

Mehrere psychiatrische Fachbücher nehmen Wenzingers Täterprofil als Fallbeispiel für den Durchbruch aggressions-sexueller Fantasien aus der Kindheit.[9]

Literatur

  • Michael Newton, Jaques Buval: Die große Enzyklopädie der Serienmörder. Graz: Verlag für Sammler, 2002
    • Dizionario dei serial killer: una panoramica senza precedenti sugli omicidi seriali dall'antica Roma ai giorni nostri. Newton & Compton, 2004
    • The Encyclopedia of Serial Killers. Infobase Publishing, 2006

Einzelnachweise

  1. Reinhard Haller: Die Seele des Verbrechers. Wie Menschen zu Mördern werden. NP Buchverlag, 2002 (neue Ausgabe Residenz Verlag, 2012)
  2. Gerd Wenzinger, Dr. - ALLCRIME. Abgerufen am 18. August 2020.
  3. a b c Berliner Zeitung: 53jähriger Mediziner soll Dana Franzke ermordet und zerstückelt haben: Prostituierten-Morde: Polizei löst den Fall "Havel-Ripper". Abgerufen am 18. August 2020.
  4. a b Redaktion neues deutschland: Mutmaßlicher Mörder sollte ausgeliefert werden (neues deutschland). Abgerufen am 18. August 2020.
  5. a b c 27.10.1995 - FF 1 (Kripo Berlin) - Mord an Sabrina G. Abgerufen am 18. August 2020.
  6. Gerd Wenzinger, Dr. - ALLCRIME. Abgerufen am 18. August 2020.
  7. Dana Franzke - Mordzeit und -Ort – Hintergründe. In: Sexindustry Kills. LISA Wiesbaden – Manuela Schon, abgerufen am 18. August 2020.
  8. 27.10.1995 - FF 1 (Kripo Berlin) - Mord an Sabrina G. Abgerufen am 18. August 2020.
  9. so neben Reinhard Haller (s. o.) auch Cornelia Musolff, Jens Hoffmann: Täterprofile bei Gewaltverbrechen: Mythos, Theorie und Praxis des Profilings. Springer-Verlag, 2008; 2. Auflage 2013 (S. 139 ff.)