Gerda Boyesen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. November 2006 um 12:18 Uhr durch Peter200 (Diskussion | Beiträge) (Personendaten erweitert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gerda Boyesen (* 18. Mai 1922 in Bergen/Norwegen, † 29. Dezember 2005 in London) ist die Begründerin der Biodynamischen Psychologie. Die Biodynamik ist wie Hakomi, Bioenergetik, Biosynthese eine Richtung der Körperpsychotherapie.

Leben

Gerda Boyesen wurde 1922 in Bergen geboren. In erster Ehe war sie mit Carl Boyesen verheiratet. 1947 las sie ein Buch von Wilhelm Reich, das sie sehr beeinduckte. Kurz darauf begann sie eine Therapie bei Ola Raknes, einem in Vegetotherapie nach Reich ausgebildeten Therapeuten, später ein Studium der Psychologie in Oslo und die Ausbildung zur Physiotherapeutin mit anschließender Arbeit bei Aadel Bülow-Hansen. Durch ihre eigene Therapie lernte Boyesen den Zusammenhang von unterdrückten Gefühlen und Muskelspannungen kennen.In ihrem Buch "Über den Körper die Seele heilen" wird fundiert und teilweise sehr persönlich beschrieben, wie sie durch das Studium, ihre eigene Therapieerfahrung sowie ihre eigene Praxis theoretische und methodische Ansätze von W. Reich, C.G.Jung und S.Freud miteinander verband und diese zu ihrer eigenen Therapiemethode weiterentwickelte.

Gerda Boyesen ist die Begründerin der "Biodynamischen Psychologie und Psychotherapie", wie sie ihre Therapierichtung nannte. 1968 ging sie nach London und eröffnete dort eine Praxis und später ein internationales Lehr- und Ausbildungsinstitut. Zu ihrer Arbeit mit Klienten kamen dort weitere Schwerpunkte hinzu. Insbesondere ist erwähnenswert, daß sie als erste Frau in Europa ein eigenes Ausbildungsinstitut für Psychotherapie gründete.

Gerda Boyesen lebte und wirkte in verschiedenen, überwiegend europäischen Ländern, ihre Arbeit beeinflußte jedoch die Körperpsychotherapie weltweit. Ihr Bücher wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. Sie bildete über Jahrzehnte Psychotherapeuten aus und entwickelte lebenslang ihre Konzepte und Methoden immer weiter. Sie brachte drei Kinder (Mona Lisa, Ebba und Paul) zur Welt, die auch alle mit der Biodynamik und der Psychotherapie verbunden sind und zum Teil die Arbeit ihrer Mutter fortführen oder mit eigenen Schwerpunkten weiterentwickeln.

Werk

Gerda Boyesen entwickelte unter anderem die Theorie, dass der Abbau psychischen Stresses auch mit dem Verdauungssystem zusammenhängt. Sie kam zu dem Schluss, dass bei bestimmten Massagen unvollendete Kreisläufe, d.h. der Ausdruck unerwünschter Gefühle vollendet werden können und dabei im Darm ähnliche Geräusche entstehen wie bei der Verdauung von Nahrung. Diese Geräusche nannte sie Psychoperistaltik (engl. psychoperistalsis). Dieser Prozess der „Verdauung“ psychischer Probleme sei oft begleitet von neuen Einsichten. Gerda Boyesen wurde daher in Kreisen der Körpertherapeuten auch oft als "die Dame mit dem Stethoskop" bezeichnet, welches sie zur besseren Wahrnehmung der Darmgeräusche auf den Bauch ihrer Klienten legte. Sie konnte angeblich eine Vielzahl von Peristaltikgeräuschen unterscheiden, diagnostisch einordnen und darüber Rückschlüsse auf die unbewussten Prozesse des Klienten ziehen. Für Gerda Boyesen war es ein gutes Zeichen, wenn am Ende einer Klientensitzung die "Psychoperistaltik" in einer bestimmten Weise aktiv war. Dies bedeute, es löse sich etwas und könne sich neu organisieren ohne die alten einschränkenden Muster.

Neben diesem Schwerpunkt der sanften Entladung durch Massage arbeitete sie auch mit der Vegetotherapie von Wilhelm Reich sowie den Theorien von Jung und Freud und entwickelte diese zu ihrer eigenen Methode weiter. Dabei soll der Klient unterstützt werden, das eigene seelische Erleben zu erforschen (Introspektionsfähigkeit), seinen körperlich-seelischen Impulsen zu folgen und diese auszudrücken. Unbewusste Konflikte würden dadurch zutage gefördert, dem Bewusstsein zugänglich und könnten dann psychotherapeutisch weiterbearbeitet und schließlich gelöst werden.

Ein weiteres Element ist das Deep Draining, eine besondere Art der Massage, bei der "tiefere Schichten" berührt werden sollen, was zu körperlichen wie psychischen Haltungsveränderungen beitragen soll. Neurotische Muster sollen dabei aufgespürt, gelockert und schließlich gelöst werden.

Neben Jay Stattmann (Unitive Körperpsychotherapie), Alexander Lowen (Bioenergetik), David Boadella (Biosynthese), Ron Kurz (Hakomi) ist Gerda Boyesen eine der Begründerinnen der modernen Körperpsychotherapien. Gerda Boyesen ist Ehrenmitglied der European Association for Body-Psychotherapy (EABP) sowie Ehrenpräsidentin der Gesellschaft für Biodynamische Psychologie (GBP e.V.), dem Berufsverband der Biodynamischen Therapeuten in Deutschland. Die Ausbildung zum Biodynamischen Körperpsychotherapeuten durch die Europäische Schule für Biodynamik und Erogenetik (ESBPE) in Lübeck ist von der EABP als Psychotherapieausbildung anerkannt.

Kritik

Wie alle Körper-Psychotherapeutischen Schulen ist auch die Biodynamik nicht als wissenschaftlich fundiertes Therapieverfahren gemäß der Psychotherapie-Richtlinie der Krankenkassen anerkannt. Gleichwohl schreitet die wissenschaftliche Psychotherapieforschung voran und hat oft nachträglich verschiedene Theorien und Konzepte bestätigt.

Praktiziert wird die Biodynamische Psychotherapie von Psychologen, Ärzten und Heilpraktikern außerhalb der regulären Krankenkassenversorgung, d.h. auf privater Basis, also mit Selbstzahlern. Manchmal werden körpertherapeutische Techniken in fortschrittlichen psychotherapeutischen und psychosomatischen Kliniken oder Kurkliniken angeboten. Ungeachtet der wissenschaftlichen Anerkennung sind körpertherapeutische und insbesondere die sanften biodynamischen Techniken unter Patienten sehr beliebt.

Von der evidenzbasierten Medizin wird die Biodynamik nicht als wissenschaftliche Methode anerkannt. So heißt es zum Beispiel in einer Beurteilung durch die AOK: "Wissenschaftlich entbehren die Vorstellungen von "emotionalen Rückständen", die über den Darm abgegeben werden, jedweder Grundlage. Es gibt auch keine wissenschaftlichen Studien, die die Wirksamkeit der Therapie belegen könnten. (...) Sicherlich haben Ängste und Stress Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem des Darms und zeigen sich in einer veränderten Verdauungstätigkeit. Aber die Vorstellung, dass die Darmgeräusche ein Ausdruck der psychischen Situation des Patienten seien, ist nicht nachvollziehbar."

Veröffentlichungen

  • Boyesen, Gerda, Bergholz, Peter, Dein Bauch ist klüger als du, Hamburg, Miko-Edition, 2003 ISBN 3-935436-13-0
  • Boyesen, Gerda, Boyesen, Mona Lisa, Biodynamische Theorie und Praxis, in: Hilarion G. Petzold [Hrsg.], Die neuen Körpertherapien, 1. Aufl. Paderborn: Jungfermannsche Verlagsbuchhandlung, 1977, S. 140-157
  • Boyesen, Gerda, Boyesen, Mona Lisa, Biodynamik des Lebens: Die Gerda-Boyesen-Methode - Grundlage der biodynamischen Psychologie, Essen: Synthesis, 1987, 183 S.
  • Boyesen, Gerda, Über den Körper die Seele heilen: Biodynamische Psychologie und Psychotherapie, München: Kösel, 1994 (7.Aufl.) ISBN 3-466-34167-1
  • Boyesen, Gerda, Leudesdorff, Claudia, Santner, Christoph, Von der Lust am Heilen, München: Kösel, 1995,
  • Von der Lust am Heilen : Quintessenz meines Lebens / Gerda Boyesen ; Claudia Leudesdorff ; Christoph Santner. - München : Kösel, 1995 ISBN 3-466-34323-2

Weblinks