Gerhard Oberschlick

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Gerhard Oberschlick (geboren am 30. August 1942 in Irschen) ist ein österreichischer Publizist, war von 1985 bis 1995 Herausgeber des FORVM und verwaltet den Nachlass von Günther Anders.

Leben

Nach dem humanistischen Gymnasium in Klagenfurt studierte er an der Universität Wien Germanistik, Theaterwissenschaft und Philosophie. 1966/67 redigierte er die Zeitschrift der Österreichischen Hochschülerschaft en face und war bis 1969 Buchhalter dreier Universitätsinstitute sowie Sekretär von Erich Heintel. 1969 überwarf er sich mit diesem, u. a. wegen dessen Befürwortung der Todesstrafe und des Vietnamkrieges, kündigte an der Universität und trat in Verlag und Redaktion der Zeitschrift NEUES FORVM ein, wo er das von Wilfried Daim und Günther Nenning initiierte Volksbegehren zur Auflösung des österreichischen Bundesheeres organisierte[1][2]. Dieses erregte höchste Aufregung und Empörung in konservativen Kreisen und gilt als wichtiges Aushängeschild, wenn nicht Nachholung der 68er Bewegung in Österreich[3]. Das Volksbegehren wurde zwar Anfang 1970 angemeldet und es wurden auch die erforderlichen 30.000 Unterschriften für die Durchführung gesammelt. Zu einer Einreichung kam es freilich nie, einerseits weil Bruno Kreisky mit seinem Slogan Sechs Monate sind genug! die Nationalratswahl am 4. März 1970 gewonnen und den Wehrdienst (zwar nicht auf 6, sondern auf 8 Monate) verkürzt hatte; andererseits weil Günther Nenning (als „Zustellungsbevollmächtigter“) und die anderen Initiatoren eine peinliche Minderheitenfeststellung befürchteten. Die Volksbegehrens-Bestrebungen waren für Friedrich Torberg der Anlass, mit der von ihm mitgegründeten Zeitschrift öffentlich zu brechen: „Das ‚Neue FORVM’ ist die Zeitschrift, gegen die das alte gegründet wurde.“[4]

Zwischen 1971 und 1975 organisierte Oberschlick - mit und für Friedrich Gulda, Marietta Torberg, Bruno Kreisky - ein Musikforum in Ossiach und Symposien in Wien zur Zukunft von Wissenschaft und Forschung in Österreich und zur Energieforschung, veranstaltete im Metro-Kino ein Happening und arbeitete als Dramaturg.

1975 kehrte er als Verlagsleiter ins NEUES FORVM zurück, war 1982/83 dessen Blattmacher und ab Herbst 1986 Eigentümer, Herausgeber und Verleger des FORVM, das er Ende 1995 einstellen musste. Die Zeitschrift war in den Jahren seiner Herausgeberschaft durch Gesellschaftskritik, Antifaschismus und das Engagement für Menschenrechte im intellektuellen Diskurs geprägt. Seine gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Politikern der rechtspopulistischen FPÖ wegen deren rassistischer[5] und NS-nostalgischer[6] Äußerungen führten zu Verurteilungen der Republik Österreich wegen Verletzung der Meinungsfreiheit durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und in der Folge[7] - durch die prozessrechtliche Neueinführung der „Erneuerung des Strafverfahrens“[8] - zur Bindung des österreichischen Obersten Gerichtshofes an Entscheidungen des EGMR, wodurch dieser im Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention für Österreich die Funktion eines Ersatz-Verfassungsgerichtshofes erhielt.

Seit 1992 betreut Oberschlick den Nachlass von Günther Anders,[9] 1995 fungierte er - gemeinsam mit Freda Meissner-Blau - als Vorsitzender des Ersten österreichischen Menschenrechtstribunals 50 Jahre Zweite Republik - 50 Jahre Unterdrückung von Lesben und Schwulen [10] im Republikanischen Club - Neues Österreich in Wien, seit 2000 redigiert er eine Internetausgabe des FORVM.

Schriften

  • (Hrsg. gemeinsam mit Marietta Torberg): Die Zukunft von Wissenschaft und Technik in Österreich. Europa Verlag, Wien 1973.
  • (Hrsg.): FORVM, Internationale Zeitschrift für kulturelle Freiheit, politische Gleichheit und solidarische Arbeit, Heft 387–394 bis 499-504 (30. September 1986 bis 6. Dezember 1995). Wien, ISSN 0028-3622.
    • (Hrsg.): FORVM 1987-1995. In: Reprint FORVM 1954-1995. Ueberreuter, Wien 2004, ISBN 3-8000-3963-X.
  • (Hrsg.): Günther Anders, Obdachlose Skulptur. Über Rodin. Beck, München 1994, ISBN 3-406-37450-6.
  • (Hrsg.): Günther Anders, Über Heidegger. Mit einem Nachwort von Dieter Thomä und zwei Übersetzungen von Werner Reimann. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48259-7.
  • (Hrsg.): Günther Anders, Die Kirschenschlacht. Dialoge mit Hannah Arendt. Mit einem Essay von Christian Dries: Günther Anders und Hannah Arendt - eine Beziehungsskizze. Beck, München 2011. ISBN 978-3-406-63278-5.
  • (Hrsg.): Günther Anders, Die molussische Katakombe. Roman. Zweite, erweiterte Auflage. Mit Apokryphen und Dokumenten aus dem Nachlass sowie einem neuen Nachwort des Herausgebers. C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-60024-1.

Einzelnachweise

  1. Souveräner Oberschlick, St. Pöltner Nachrichten, 19. Mai 1970
  2. Parteien kneifen, St. Pöltner Zeitung, 19. Mai 1970
  3. Andreas Maislinger, Anti-Bundesheer-Volksbegehren: Volksbegehren oder Spielwiese verstreuter Alt-68-er? In: Anton Pelinka, Populismus in Österreich. Wien 1987.
  4. Kleine Zeitung, 18. Mai 1970
  5. EGMR: Case of Oberschlick v. Austria (I), Application no. 11662/85, 23. Mai 1991, echr.coe.int
  6. EGMR: Case of Oberschlick v. Austria (II), Application no. 20834/92, 1. Juli 1997, echr.coe.int
  7. Strafrechtsänderungsgesetz 1995, Regierungsvorlage, Erläuterungen Seite 149 ff.
  8. §§ 363a-c StPO
  9. Gerhard Oberschlick, Nicht genügend kontrovers. Warum aus Günther Anders´ Nachlass nichts im Tumult erscheint. In: sans phrase. Zeitschrift für Ideologiekritik, Heft 6, Frühjahr 2015, S. 233–241.
  10. Gerhard Oberschlick: Appell des 'Internationalen Menschenrechts-Tribunals' gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und Transsexuellen in den Medien. In: Database on legal information relevant to the audiovisual sector in Europe IRIS Merlin. The Audiovisual Law Information Wizard 1995-7:12/36 [1]