Gesellschaft der edlen lebendigen selbst gehenden Wasserkunst

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Die Gesellschaft der edlen lebendigen selbst gehenden Wasserkunst war ein um die Mitte des 16. Jahrhunderts bestehendes bergmännisches Unternehmen zur Förderung des Bergbaus durch Einführung einer neuen Wasserhebemaschine im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Wasserhaltung im Montanwesen ist die Verwendung von Wasserkünsten zur Förderung, Hebung und Führung von Wasser seit Jahrtausenden belegt.[1]

Am 16. November 1546 gründeten Erzbischof Hermann V. von Wied (1477–1552) sowie die Grafen Wolfgang, Ludwig, Heinrich, Albrecht Georg und Christoph zu Stolberg in der Hauptstadt der Grafschaft Stolberg im Harz die Gesellschaft der edlen lebendigen selbst gehenden Wasserkunst mit dem Ziel der Nutzung einer neu erfundenen Wasserkunst.

Graf Heinrich zu Stolberg, Graf Ludwig zu Stolberg, Burchard Kranich, Adam Wachendorf und Arnolt von Kempe erhielten am 20. März 1547 eine offizielle Bescheinigung dieser neuen Gesellschaft, vertreten durch den Erzbischof Hermann von Köln, die sie berechtigte, „in allen Nationen“ als Bevollmächtigte der Gesellschaft aufzutreten und zu verhandeln. Simon Becker aus Aarweiler, der neue Faktor der Wasserkunstgesellschaft, einigte sich am 12. April 1547 mit den Gewerken des Bergwerks im thüringischen Saalfeld darauf, dass die Wasserkunst-Gesellschaft alles von der Saalfelder Gewerkschaft gewonnene Kupfer in der Ratswaage zu Saalfeld gegen Bezahlung in Empfang nehmen könne. Am folgenden Osterfeiertag wurde mit Graf Wolfgang zu Stolberg in der Stadt Stolberg ein Abkommen geschlossen, das in der Folgezeit bestimmend für die weitere Entwicklung des Stolberger Montanwesens wurde. Die Einführung der neuentwickelten Wasserhebemaschine wurde auf dem im Südharz gelegenen Schieferbergwerk am Eichenberg beschlossen.

Im Oktober 1547 führte die Gesellschaft die neue Wasserkunst auch im Bergwerk zu Ilmenau im Thüringer Wald ein.

Die Grafen Ludwig und Heinrich zu Stolberg schickten im Spätsommer 1549 zwei Gesandte an den Hof König Ferdinand I. nach Prag. Sie boten dem König an, „…dass ihre Wasserkünstler zu Erhebung der ersoffenen und wassernötigen Zechen und Bergkwercken“ im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation „etliche nützliche und [zu]vor nie gebrauchte Wasserkunft uf iren Costen und Verlag […] anzurichten und in ein bestendig Wesen und Werck zubringen vorhabens“. Diese Bitte gewährte der König den beiden Stolberger Grafen, da ihm versichert wurde, dass ihm dadurch kein Schaden entstehen würde. Am 18. September 1549 unterzeichnete Kaiser Ferdinand in Prag eine Urkunde, in der er die Grafen und die Mitverwandten der Wasserkunst in den königlichen Schutz und Schirm nahm. Außerdem sollte innerhalb von 20 Jahren die Beteiligten das Recht haben, ihre Wasserkunst in den Bergwerken innerhalb der habsburgischen Länder einzubauen. In keinem Bergwerk durfte eine andere Kunst ohne Vorwissen der Wasserkunstgesellschaft eingesetzt werden.[2]

Mit diesem weitreichenden Freibrief des Königs hatten die Stolberger Grafen ein wichtiges Ziel erreicht. Im Fall, dass die Wasserkunstanlage tatsächlich ein Erfolg gewesen wäre, hätten sie in Mitteleuropa das Monopol für diese Neuerung gehabt. Letztendlich bewährte sich die Kunst nicht und es wurden Vorwürfe des Betruges erhoben. Graf Heinrich schrieb um 1549 von der „Kölner Schwindelgesellschaft“, die „rechtzeitig durchschaut“ worden sei. Nichtsdestoweniger versuchten die Gesellschafter weiterhin, ihr Wunderwerk in Kursachsen und anderswo gewinnbringend an den Mann zu bringen.[3] Mitte der 1550er-Jahre stellte die Gesellschaft wegen Unrentabilität und Verschuldung ihre Tätigkeit ein.

Über die technische Ausführung dieser „neuartigen“ Wasserkunst ist nichts überliefert. Die Teilhaber bestanden auf strikter Geheimhaltung, auch vor den Gewerken der Bergwerke, in denen die Kunst eingebaut wurde.[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Christoph Bartels, Erika Lorenz: Die Grube Glasebach – ein Denkmal des Erz- und Fluoritbergbaus im Ostharz. In: Der Anschnitt 45 (1993), H. 4, S. 144–158.
  • Friedrich Battenberg: Stolberger Urkunden: Regesten zu den Urkundenbeständen und Kopiaren der Fürsten und Grafen zu Stolberg in Ortenberg, im Hess. Staatsarchiv Darmstadt und Staatsarchiv Magdeburg 1191–1840, Darmstadt 1985 (= Repertorien des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt, Bd. 21).
  • Jörg Brückner: Die Grafen zu Stolberg als Montanunternehmer zu Beginn der Frühen Neuzeit, in: Adel in Sachsen-Anhalt, 2007, S. 269ff.
  • Hans-Jürgen Gerhard, Karl-Heinz Kaufhold, Ekkehard Westermann (Hrsg.): Europäische Montanregion Harz, Bochum 2001 (= Montanregion Harz, Bd. 1).
  • Walther Grosse: Geschichte der Stadt und Grafschaft Wernigerode in ihren Forst-, Flur- und Straßennamen, Wernigerode [1929] (= Forschungen zur Geschichte des Harzgebietes, Bd. V).
  • Eduard Jacobs: Kleine Beiträge zur Wappen- und Siegelkunde. 3. Das Siegel des fürstlich braunschweigischen Bergamts zu S. Andreasberg 1599 und Bemerkungen über das gräflich Stolbergische Bergwerk daselbst, in: Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde 20 (1887), S. 282–287.
  • Eduard Jacobs: Peter der Große am Harz und die gräflichen Hüttenwerke zu Ilsenburg, in: Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde 13 (1880), S. 243–264.
  • Hans-Jürgen Kraschewski: Betriebsablauf und Arbeitsverfassung des Goslarer Bergbaus am Rammelsberg vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Bochum 2002 (= Montanregion Harz, Bd. 5).
  • Walter Möllenberg: Urkundenbuch zur Geschichte des Mansfeldischen Saigerhandels im 16. Jahrhundert, Halle a. d. S. 1915 (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, Bd. 47).
  • Eckhard Oelke: Der alte Bergbau um Schwenda und Stolberg/Harz, in: Hercynia, Neue Folge, Für die Fachgebiete Botanik – Geographie – Geologie – Paläontologie – Zoologie 7 (1970), H. 4, S. 337–354.
  • Regina Schäfer: Die Herren von Eppstein. Herrschaftsausübung, Verwaltung und Besitz eines Hochadelsgeschlechts im Spätmittelalter, Wiesbaden 2000.
  • Stammtafel des mediatisierten Hauses Stolberg, 1887.
  • Ekkehard Westermann: Das Eislebener Garkupfer und seine Bedeutung für den europäischen Kupfermarkt von 1460 bis 1560, Marburg/Lahn 1970.
  • Helmut Wilsdorf: Georg Agricola und seine Zeit, Berlin: Verlag der Wissenschaften, 1956.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Helmut Wilsdorf: Kulturgeschichte des Bergbaus. Ein illustrierter Streifzug durch Zeiten und Kontinente. Verlag Glückauf, Essen 1987, ISBN 3-7739-0476-2, S. 75 ff. (409 S.).
  2. Ekkehard Westermann, Angelika Westermann (Hrsg.): Wirtschaftslenkende Montanverwaltung - fürstlicher Unternehmer - Merkantilismus. Zusammenhänge zwischen der Ausbildung einer fachkompetenten Beamtenschaft und der staatlichen Geld- und Wirtschaftspolitik in der Frühen Neuzeit, Husum 2009.
  3. Eva Labouvie: Adel in Sachsen-Anhalt: höfische Kultur zwischen Repräsentation, Unternehmertum und Familie. Böhlau, Köln/Weimar 2007, ISBN 978-3-412-12906-4, Adel und Bergbau, S. 285 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Eva Labouvie: Adel in Sachsen-Anhalt: höfische Kultur zwischen Repräsentation, Unternehmertum und Familie. Böhlau, Köln/Weimar 2007, ISBN 978-3-412-12906-4, Adel und Bergbau, S. 281 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).