Gewalt in der Kunst

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„"Alles auf dieser Welt hat zwei Griffe. Murder zum Beispiel kann man an seinem moralischen Griff packen... und das, gebe ich zu, ist die schwache Seite; oder man kann ihn auch ästhetisch behandeln, wie die Deutschen sagen - das heißt in Bezug auf guten Geschmack."[1]

Laokoon-Gruppe ist einer der berühmtesten Skulpturen der Antike is one of the most famous of ancient sculptures. Sie zeigt den trojanischen Priester Laokoon und seine Söhne Antiphantes und Thymbraeus, die von Seeschlangen angegriffen werden.

Darstellungen von Gewalt in der Kunst der Hochkultur, sowie der Populärkultur, wie Film und Theater sind seit Jahrhunderten Gegenstand erheblicher Kontroversen und Debatten. In der westlichen Kunst wurden lange Zeit grafische Darstellungen der Passion Jesu gezeigt, ebenso wie eine Vielzahl von Darstellungen von Kriegen von späteren Malern und bildenden Künstlern. Theater und, in jüngerer Zeit, Kino zeigen häufig Schlachten und gewalttätige Verbrechen. Ebenso sind Bilder und Beschreibungen von Gewalt historisch bedeutende Merkmale der Literatur. Ästhetisierte Gewalt unterscheidet sich von grundloser Gewalt dadurch, dass sie als stilistisches Element verwendet wird und durch das "Spiel der Bilder und Zeichen", auf Kunstwerke, Genrekonventionen, kulturelle cultural Symbole oder Konzepte verweist.[2]


Geschichte in der Kunst

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Vergewaltigung von Persephone. Hades mit seinen Pferden und Persephone (unten). Apulischer rotfiguriger Volutenkrater, ca. 340 v. Chr. Antikensammlung Berlin.

In seiner idelaen Republik mussten laut Plato Dichter verbannt werden. Er befürchtete, dass ihre ästhetische Fähigkeit, attraktive Erzählungen über unmoralisches Verhalten zu konstruieren, junge Gemüter verderben würde. Platons Schriften beziehen sich auf die Dichtung als eine Art Rhetorik, deren "...Einfluss allgegenwärtig und oft schädlich" ist. Platon glaubte, dass Dichtung, die "nicht von der Philosophie reguliert wird, eine Gefahr für Seele und Gemeinschaft" darstellt. Er warnte, dass tragische Poesie "ein ungeordnetes psychisches Regime oder eine Verfassung" hervorrufen könne, indem sie "einen traumähnlichen, unkritischen Zustand hervorruft, in dem wir uns in ...Trauer, Kummer, Zorn, [und] Groll verlieren". So argumentierte Platon im Grunde, dass "Was im Theater, in deinem Zuhause, in deinem Fantasieleben vor sich geht, mit dem verbunden ist, was man im realen Leben tut".[3]

15. bis 17. Jahrhundert

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Perseus mit der Medusa, in der Loggia dei Lanzi, Florenz

Die Politik der Medici und von Florenz herrscht über die Kunst, die auf der Piazza della Signoria dargestellt wird und stellt Bezüge zu den ersten drei florentinischen Herzögen her. Neben der ästhetischen Darstellung von Gewalt sind diese Skulpturen bekannt dafür, eine politische Erzählung zu durchweben.[4]

Der Künstler Hieronymus Bosch aus dem 15. und 16. Jahrhundert verwendete Bilder von Dämonen, halb menschlichen Tieren und Maschinen, um Angst und Verwirrung zu erzeugen und das Böse des Menschen darzustellen. Der Künstler des 16. Jahrhunderts Pieter Brueghel der Ältere stellte "...die albtraumhaften Bilder, die, wenn auch in extremer Weise, die populäre Angst vor der Apokalypse und der Hölle widerspiegeln" [5] dar.

18. Jahrhundert bis heute

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Mitte des 18. Jahrhunderts schuf Giovanni Battista Piranesi, ein italienischer Radierer, Archäologe und Architekt, der ab 1740 tätig war, imaginäre Radierungen von Gefängnissen, in denen Menschen dargestellt werden, die "auf Streckbänken ausgestreckt oder wie Ratten in labyrinthartigen Verliesen gefangen" waren, eine "Ästhetisierung von Gewalt und Leiden".[6]

1849, als Revolutionen durch die europäischen Straßen tobten und die Behörden Proteste niederschlugen und staatliche Mächte konsolidierten, schrieb der Komponist Richard Wagner "Ich habe ein enormes Verlangen, ein wenig künstlerischen Terrorismus zu praktizieren."[7]

Laurent Tailhade soll nachdem Auguste Vaillant die Abgeordnetenkammer 1893 bombardierte: "Qu'importent les victimes, si le geste est beau?" ["Was machen die Opfer aus, wenn die Geste schön ist?"]

Im Jahr 1929 erklärte André Breton im Zweiten Manifest des Surrealismus: "L'acte surréaliste le plus simple consiste, revolvers aux poings, à descendre dans la rue et à tirer au hasard, tant qu'on peut, dans la foule" ["Die einfachste surreale Handlung besteht darin, mit Pistolen in der Hand auf die Straße zu gehen und so schnell wie möglich blindlings in die Menge zu schießen"].[7]

In der Hochkultur

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Formen der Hochkultur wie bildende Kunst und Literatur lt ästhetisiert und in eine Form autonomer Kunst verwandelt. Dieses Konzept eines ästhetischen Elements des Mordes hat eine lange Geschichte; im 19. Jahrhundert schrieb Thomas de Quincey

In seiner Studie von 1991 über romantische Literatur stellte der Literaturprofessor der University of Georgia, Joel Black fest, dass "(wenn) irgendeine menschliche Handlung die ästhetische Erfahrung des Erhabenen hervorruft, dann sicherlich die des Mordes". Black bemerkt, dass "...wenn Mord ästhetisch erlebt werden kann, der Mörder seinerseits als eine Art Künstler betrachtet werden kann - ein Performance-Künstler oder Anti-Künstler, dessen Spezialität nicht die Schöpfung, sondern die Zerstörung ist."[8]

Filmkritiker, die gewalttätige Filmbilder analysieren, die den Zuschauer ästhetisch ansprechen sollen, fallen hauptsächlich in zwei Kategorien. Kritiker, die die Darstellung von Gewalt im Film als oberflächlich und ausbeuterisch betrachten, argumentieren, dass solche Filme die Zuschauer gegenüber Brutalität desensibilisieren und somit ihre Aggressivität erhöhen. Andererseits behaupten Kritiker, die Gewalt als eine Art Inhalt oder Thema sehen, dass sie kathartisch wirkt und "akzeptable Ventile für antisoziale Impulse" bietet.[9] Adrian Martin beschreibt die Haltung solcher Kritiker als Betonung der Trennung zwischen Filmgewalt und realer Gewalt. Für diese Kritiker ist "Filmgewalt Spaß, Spektakel, Phantasie; es ist ein dramatisches Metapher, oder eine notwendige Katharsis ähnlich derjenigen, die das Elisabethanisches Theater bietet; es ist generisch, reine Sensation, reine Phantasie. Es hat seine eigene sich verändernde Geschichte, seine Codes, seine präzisen ästhetischen Verwendungen".[10]

Margaret Bruder, Filmwissenschaftlerin an der Indiana University und Autorin von "Aestheticizing Violence, or How to Do Things with Style", schlägt vor, dass es einen Unterschied zwischen ästhetisierter Gewalt und dem Einsatz von Blut und Blutvergießen in Massenmarkt-Action- oder Kriegsfilmen gibt. Sie argumentiert, dass "ästhetisierte Gewalt nicht nur der übermäßige Einsatz von Gewalt in einem Film" ist. Filme wie der beliebte Actionfilm Die Hard 2 sind sehr gewalttätig, qualifizieren sich jedoch nicht als Beispiele für ästhetisierte Gewalt, da sie nicht "stilistisch in signifikanter und nachhaltiger Weise exzessiv" sind.[11] Bruder argumentiert, dass Filme wie Hard Target, True Romance und Tombstone ästhetisierte Gewalt als stilistisches Mittel einsetzen. In solchen Filmen dient "die stilisierte Gewalt letztlich als (...) eine weitere Unterbrechung im narrativen Antrieb".[12]

A Clockwork Orange ist ein 1971 von Stanley Kubrick geschriebener, inszenierter und produzierter Film, der auf dem gleichnamigen Roman von Anthony Burgess basiert. Er spielt in einem futuristischen England (circa 1995, wie 1965 vorgestellt) und folgt dem Leben eines jugendlichen Bandenführers namens Alex. In Alexander Cohens Analyse von Kubricks Film argumentiert er, dass die Ultra-Gewalt des jungen Protagonisten, Alex, "...den Zusammenbruch der Kultur selbst" darstellt. Im Film suchen die Gangmitglieder "...[u]nkontextualisierte Gewalt als Unterhaltung" als Flucht vor der Leere ihrer dystopischen Gesellschaft. Wenn der Protagonist eine Frau in ihrem Haus ermordet, stellt Cohen fest, dass Kubrick eine "[S]zene des ästhetisierten Todes" präsentiert, indem er den Mord in einem Raum voller "...moderner Kunst, die Szenen sexueller Intensität und Fesselung darstellt", inszeniert; somit stellt die Szene einen "...Kampf zwischen Hochkultur, die Gewalt und Sex in eine Form autonomer Kunst ästhetisiert hat, und dem Bild postmoderner Meisterschaft" dar.[13]

In der The New York Times rezensiert Dwight Garner die Kontroverse und die moralische Panik rund um den Roman von 1991 American Pycho und seiner Verfilmung aus dem Jahr 2000. Garner kommt zu dem Schluss, dass der Film eine "kohlschwarze Satire" ist, in der "düstere Komik sich mit Grand Guignol vermischt. Es gibt eine wahnsinnige Oper in einigen seiner Szenen." Das Buch hat mittlerweile "widerwilligen Respekt" erworben und wurde mit Anthony Burgess' A Clockwork Orange verglichen.[14] Garner behauptet, dass der Autor des Romans, Bret Easton Ellis, zur Ästhetisierung von Gewalt in den populären Medien beigetragen hat: "Die Kultur hat sich so verschoben, dass sie [Patrick] Bateman Platz macht. Wir haben einen Geschmack für barbarische Libertins mit funkelnden Augen und etwas Schwung in ihren gequälten Seelen entwickelt. Tony Soprano, Walter White aus Breaking Bad, Hannibal Lecter (der American Psycho vorausgeht) - hier sind die bedeutendsten Popkulturfiguren der letzten 30 Jahre... Dank dieser Charaktere und der Ego-Shooter Computerspiele haben wir gelernt, uns mit dem Träger der Gewalt zu identifizieren und nicht nur vor ihm oder ihr zu zittern."

In Xavier Morales' Rezension von Quentin Tarantinos Kill Bill: Volume 1 Film als "eine bahnbrechende Ästhetisierung von Gewalt".[15] Morales argumentiert, dass ähnlich wie bei "A Clockwork Orange" die ästhetisierte Gewalt des Films das Publikum als ästhetisches Element anspricht und somit vorgefasste Vorstellungen darüber, was akzeptabel oder unterhaltsam ist, untergräbt.[16]

Weiterführende Lektüre

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  • Berkowitz, L. (ed) (1977; 1986): Advances in Experimental Social Psychology, Vols 10 & 19. New York: Academic Press
  • Bersani, Leo and Ulysse Dutoit, The Forms of Violence: Narrative in Assyrian Art and Modern Culture (NY: Schocken Books, 1985)
  • Black, Joel (1991) The Aesthetics of Murder. Baltimore: Johns Hopkins University Press.
  • Feshbach, S. (1955): The Drive-Reducing Function of Fantasy Behaviour, Journal of Abnormal and Social Psychology 50: 3–11
  • Feshbach, S & Singer, R. D. (1971): Television and Aggression: An Experimental Field Study. San Francisco: Jossey-Bass.
  • Kelly, George. (1955) The Psychology of Personal Constructs. Vol. I, II. Norton, New York. (2nd printing: 1991, Routledge, London, New York)
  • Peirce, Charles Sanders (1931–58): Collected Writings. (Edited by Charles Hartshorne, Paul Weiss, & Arthur W Burks). Cambridge, MA: Harvard University Press.

Einzelnachweise

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  1. Thomas de Quincey: On Murder Considered as One of the Fine Arts. 1827, ISBN 1-84749-133-2 (supervert.com [PDF; abgerufen am 8. Juni 2007]).
  2. Margaret Ervin Bruder: Aestheticizing Violence, or How To Do Things with Style. Film Studies, Indiana University, Bloomington IN, 1998, archiviert vom Original am 8. September 2004; abgerufen am 8. Juni 2007.
  3. Vorlage:Cite encyclopedia
  4. Mandel, C. "Perseus and the Medici." Storia Dell'Arte no. 87 (1996): 168
  5. Stephen Alsford: Death – Introductory essay. In: Florilegium Urbanum. 29. Februar 2004, abgerufen am 8. Juni 2007.
  6. db artmag. Deutsche Bank Art, 2005, archiviert vom Original am 21. Januar 2013; abgerufen am 8. Juni 2007.
  7. a b Craig Dworkin: Trotsky's Hammer. Department of English, University of Utah, 17. Januar 2006, archiviert vom Original am 26. Juni 2007; abgerufen am 8. Juni 2007.
  8. Joel Black: The Aesthetics of Murder: A Study in Romantic Literature and Contemporary Culture. 1991, ISBN 0-8018-4180-1 (google.com [abgerufen am 5. Juli 2019]).
  9. Margaret Ervin Bruder: Aestheticizing Violence, or How To Do Things with Style. Film Studies, Indiana University, Bloomington IN, 1998, archiviert vom Original am 8. September 2004; abgerufen am 8. Juni 2007.
  10. Adrian Martin: The Offended Critic: Film Reviewing and Social Commentary. In: Senses of Cinema. Nr. 8, 2000, ISSN 1443-4059 (archive.sensesofcinema.com (Memento des Originals vom 19. Mai 2007 im Internet Archive) [ARCHIVE; abgerufen am 8. Juni 2007]).
  11. Margaret Ervin Bruder: Aestheticizing Violence, or How To Do Things with Style. Film Studies, Indiana University, Bloomington IN, 1998, archiviert vom Original am 8. September 2004; abgerufen am 8. Juni 2007.
  12. Margaret Ervin Bruder: Aestheticizing Violence, or How To Do Things with Style. Film Studies, Indiana University, Bloomington IN, 1998, archiviert vom Original am 8. September 2004; abgerufen am 8. Juni 2007.
  13. Alexander J. Cohen: Clockwork Orange and the Aestheticization of Violence. UC Berkeley Program in Film Studies, 1998, archiviert vom Original am 15. Mai 2007; abgerufen am 8. Juni 2007.
  14. Dwight Garner: In Hindsight, an 'American Psycho' Looks a Lot Like Us In: The New York Times, 24. März 2016. Abgerufen am 25. März 2016 
  15. Xavier Morales: Beauty and violence (Memento des Originals vom 27. September 2007 im Internet Archive) In: The Record, Harvard Law School RECORD Corporation, 16. Oktober 2003. Abgerufen am 8. Juni 2007 
  16. Xavier Morales: Beauty and violence (Memento des Originals vom 27. September 2007 im Internet Archive) In: The Record, Harvard Law School RECORD Corporation, 16. Oktober 2003. Abgerufen am 8. Juni 2007