Giacomo de Lucchesini

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Giacomo De Lucchesini (* in Italien; † 23. Juli 1739 in Grocka/Vorstadtbezirk von Belgrad) war Komponist und Rittmeister im Sehrischen Kürassierregiment von Kaiser Carl VI.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lorenz Christoph Mizler gründete mit dem Grafen Giacomo de Lucchesini und Georg Heinrich Bümler in Leipzig die an der Wolffischen Philosophie orientierte Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften. Mizler hatte seinem alten Weggefährten, dem Kapellmeister des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach Bümler zusammen mit seinem Lehrer Johann Sebastian Bach seine 1734 erschienene Dissertation gewidmet. De Lucchesini muss für Mizler ebenfalls eine besondere Bedeutung gehabt haben, denn es kann kein Zufall sein, dass der Italiener zu den drei Gründungsmitgliedern der im 18. Jahrhundert bedeutenden musikwissenschaftlichen Vereinigung gehörte.[2] Innerhalb der Societäts-Mitglieder nahm de Lucchesini jedenfalls in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die Societät konnte zunächst ihre Weltoffenheit durch dieses aus Italien stammende römisch-katholische Gründungsmitglied demonstrieren, war doch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine ökumenisch ausgerichtete Vereinigung durchaus nicht selbstverständlich. Die Sonderstellung wird weiterhin dadurch begründet, dass der Italiener im Vergleich zu anderen Mitgliedern wie Bach, Händel, Telemann und Graun in der Literatur nur fragmentarisch Quellen hinterließ. Inwiefern Mizler von dessen Kompositionskunst beeindruckt war, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Er veröffentlichte zwar dessen Flötenkonzert, merkte aber zugleich an, dass dieses nicht nach den strengen kompositorischen Regeln verfasst sei.[3]

Dieses Concert auf die Flute travers. mit 5 Stimmen in g-Moll des Grafen Giacomo de Lucchesini mit den Sätzen Allegro-Grave-Allegro, welches Mizler mit einer Vorrede versah und 1741 in Leipzig herausgab, ist im Druck der Stimmen, allerdings ohne Vorrede, erhalten. Zusätzlich liegt die von Johann Georg Pisendel (1687–1755) angefertigte Handschrift der Partitur noch vor. Mizlers Verbesserung wurde durch Wöhlke behauptet, möglicherweise aufgrund eines durchaus einleuchtenden Schriftenvergleichs, eventuell auch aufgrund des von Mizler vorgenommenen Druckes. Mizlers akribisches Bemühen um satztechnische Genauigkeit könnte ein weiteres Indiz sein[4]. Die Edition wird durch zahlreiche Quellen bestätigt. In den Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, 1741, S. 528 heißt es: „Leipzig / Hier ist herausgekommen: 1 Concert auf die Querflöte mit der ersten Violin, andern Violin, Viole und Baß […] und verspricht Herr M. Mizler in der Vorrede zu diesem Concert, noch fünf dergleichen von seiner eigenen Composition herauszugeben.“[5] Für Mizler dienten die Einnahmen aus dieser Veröffentlichung wahrscheinlich zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Schon 1743 waren die gedruckten Exemplare, die er anderen anbot, ausverkauft, und er plante eine Neuauflage. Mizler hatte Spieß ein „Concert auf die Querflöte und Violin mit fünf Stimmen in Kupfer gestochen“ angeboten. Damit wird die Komposition des Grafen gemeint sein.[6] Nach der Bestellung durch Spieß bedauerte Mizler, das Concert sei ausverkauft, werde aber wieder aufgelegt.[7]

Das irrtümlich im RISM-Katalog angegebene weitere Werk „Concertos - F-Dur“ RISM-A1.12-436 wurde zusammengeführt mit RISM ID no. 212001833, denn ein Konzert in F-Dur existiert nicht.[8] Der angesehene Violinist Johann Georg Pisendel kopierte dieses Werk vermutlich für eigene Aufführungszwecke für die Dresdner Hofkapelle. Diese Abschrift des Stimmmaterials (fl, vl 1, 2, vla, vlc, bc) erfolgte um 1750 und liegt in der Univ.- u. Landesbibliothek Münster vor (Manuscript copy; D-RH Ms 480). Die Handschrift gehört zu der Sammlung von Instrumentalwerken der Dresdner Hofkapelle.

Der Beitritt zur Mizlerschen Societät erfolgte 1748.[9] Der Rittmeister de Lucchesini starb am 22. Juli 1739 in der Schlacht bei Grocka.[10]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Concerto - g-Moll; GroF 1204.[11] = Concert auf die Flute travers. mit 5 Stimmen komponiert von Herrn Grafen Giacomo de Lucchesini und herausgegeben von Lorentz Mizlern, in Kupfer gestochen im Verlag des Herausgebers, Leipzig 1741 (mit einer Vorrede von Lorenz Mizler).[12][13][14][15][16][17][18] (vgl. Concerto - g-Moll; GroF 1204; Manuscript copy; D-Dl Mus.3001-O-1[19])

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerber, Ernst Ludwig: Historisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler. Bd. 1, Leipzig : Breitkopf, 1790, S. 826.
  • BMLO online
  • Eitner- Quellenlexikon, vol. 6, p. 235 online
  • Franz Wöhlke: Lorenz Christoph Mizler. Berlin 1940
  • Jung, Hans Rudolf und Hans-Eberhard Dentler: Briefe von Lorenz Mizler und Zeitgenossen an Meinrad Spieß, in: Studi musicali 32 (2003)
  • Lutz Felbick: Lorenz Christoph Mizler de Kolof – Schüler Bachs und pythagoreischer „Apostel der Wolffischen Philosophie“. Georg-Olms-Verlag, Hildesheim 2012, ISBN 978-3-487-14675-1 (Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig – Schriften; 5). pdf Online-Version

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ernst Ludwig Gerber Historisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler, 1790, Bd. 1, Sp. 826 online
  2. Zu De Lucchesini vgl. Felbick 2012, S. 124, 276, 351, 409
  3. Felbick 2012.
  4. Wöhlke 1940, S. 109
  5. In der digitalisierte Ausgabe online bei der Sächsischen Landesbibliothek - Staats und Universitätsbibliothek Dresden findet sich die vermutlich von Mizler angebrachte Kritik zu einigen groben satztechnischen Fehlern, beispielsweise bei einer offenen Quintparallele G-d0 / d2-a2 zwischen Violine I und dem Bass. 3. Satz, 10. Takt (Partitur S. 6). Eine Stichprobe ergab, dass dieser Fehler im Druck nicht verbessert ist. Gelegentlich schlug Mizler auch Verbesserungen vor und brachte kritische Kommentare an (Partitur S. 8 „ganz falsch“). Die später als Akzentparallele bezeichnete Stimmführung kritisierte Mizler mehrfach (z. B. Partitur S. 9, Takt 61)
  6. Mizler an Spieß, 20. März 1743, Jung/Dentler 2003, S. 87
  7. Mizler an Spieß am 16. September 1743 und Briefkonzept von Spieß, Jung/Dentler 2003, S. 93 und 96.
  8. Offensichtlich wurde das in der Partitur erscheinende b-Vorzeichen irrtümlich als ein Hinweis auf die Tonart F-Dur betrachtet. Eine derartige (quasi dorische) Vorzeichenwahl ist hingegen im 18. Jahrhundert bei konventionell in g-Moll komponierten Werken durchaus noch üblich.
  9. Mitgliederliste Mizlers online
  10. Liste der Toten/Spalte „Sehr Curassier“
  11. Eitner vol. 6, p. 235 RISM A/I LL 2902 I,1 = RISM-A/II-212003211
  12. Musikalische Bibliothek, II.3 [1742, S. 175 online]; Mitzler, [Lorenz]: Catalogus omnium librorum et scriptorum tum a [...] Phil. et Medic. Doc […] editum, tum aliorum auctorum […], Warszawa 1766, S. [13]
  13. Verlagskatalog der Mitzlerschen Druckerei
  14. Estreicher, Karol Józef Teofil: Bibliografia Polska. Krakau, 1870-1951, Bd. 22, S. 444
  15. Drukarze dawnej Polski od XV do XVIII wieku, Bd. 3.2, hrsg. Von Kostkiewicz, Teresa: Słownik literatury polskiego oświecenia, Warszawa 1991 [Handbuch zur polnischen Literatur der Aufklärung] 2001, S. 218
  16. Biblioteka Zakładu Narodowego im. Ossolinskich w Wrocławiu (Bibliothek des Ossolinski National Instituts in Wrocław) XVIII-9094 und BN.Mf. 85557
  17. Goehler, Albert: Verzeichnis der in den Frankfurter und Leipziger Messkatalogen der Jahre 1564 bis 1759 angezeigten Musikalien: angefertigt und mit Vorschlägen zur Förderung der musikalischen Bücherbeschreibung, Leipzig 1902. III, Nr. 197
  18. Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, 1741, S. 528: „Concert auf die Querflöte mit der ersten Violin, andern Violin, Viole und Baß“
  19. online