Hacht (Gefängnis)

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Hacht – Blick nach Süden (vor 1893)

Die Hacht (oder „Haicht“) war ein erzbischöfliches Gericht und Gefängnis und lag auf der heutigen Domplatte in Köln.

Entstehungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hachtpforte – Am Hof 17 (links Bingerhaus, hinter der als „Hotel Francfort“ dienenden Hacht das Dom-Hotel), um 1890
Arnold MercatorKölner Stadtansicht von 1570 (südliches Domvorfeld)

Ihr Name leitete sich von „Haft“ ab,[1] das Wort machte einen Lautwandel von „ft“ zu „cht“ durch. Der Ursprung der Hacht geht auf das 1165 unter Erzbischof Reinald von Dassel entstandene Hachttor zurück.[2] Es lag am heutigen Domhof 9 / Am Hof 17; der Domhof war zu jener Zeit von Unkraut bewachsen und von einer übel riechenden Kloake durchzogen. Das Hachttor bildete die südliche Grenze der Domimmunität, der Grenze des Bischofsbezirks mit dem Dom. Der heutige Straßenname „Am Hof“ erinnert hieran und markiert die alte Grenze. Das Hachtgebäude entstand durch die Verbindung des im Jahre 1165 errichteten Hachttores mit einigen benachbarten Räumlichkeiten[3] gemäß Errichtungsurkunde von 1205 bis 1208 unter Erzbischof Bruno IV. von Sayn.

Es umfasste zwei erkennbar getrennte Häuser, die lediglich durch die in der gemeinschaftlichen Mittelmauer angebrachten Türen in Verbindung standen. Das kleinere, nordwärts dem Domhof zugewandte Gebäude hatte außer dem Erdgeschoss nur eine Etage, worin der Erbvogt seine Sitzungen abhielt. Das Gebäude mit dem Hachttor im östlichen Teil belegten der Hachtmeister und die Gefangenen.[4] Die Hacht war wohl ein düsterer Bau, mit Halseisen und Handfesseln ausgestattet. Das Gebäude bestand aus dem „Hachtgericht“ und dem eigentlichen Hachtgefängnis. Das westliche Nachbarhaus der Hacht war der zuvor 1164 erbaute Erzbischöfliche Palast, östlich grenzte die Drachenpforte „porta draconis“ an.[5] In Richtung Am Hof standen die der Hacht benachbarten Bingerhäuser, die bereits 1382 als erzbischöfliches Lehen bezeugt sind.[6] Später stand der „Kamp(f)hof“ in der Nähe der Hacht.[7] Die Kölner Stadtansicht von 1531 des Anton Woensam zeigt die südliche Rückseite des erzbischöflichen Palastes. Arnold Mercators Kölner Stadtansicht von 1570 zeigt deutlich die Gebäudeanordnung von der Drachenpforte („Draken pforts“) über den erzbischöflichen Palast bis zur Hachpforte.

Adolf von Neuenahr ließ 1573 sein Wappen mit der Umschrift „Adolff Graf zo Newenahr en Limburg, Erbvogt des Hohen Stiffts Colln, Herr zo Alpen en Hackenbroch, Helpenstein, Erbherr zo Linep“ an der Hacht auf dem Domhof anschlagen. Dieses gräflich neuenahrsche Wappen an dem Gebäude wurde erst 1708 endgültig abgenommen.[8]

Erbvogteilicher Hof neben der Hacht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1263 wird ein Gebäude am Laurenzplatz als Vogtshof der Kölner Erbvögte erwähnt, 1307 war es nicht mehr in ihrem Besitz; das Anwesen wurde später Hof zur Stesse genannt.[9] Urkundlich ist belegt, dass der Edelvogt Gumprecht I. von Heppendorf-Alpen († 1379/80)[10] ein Anwesen im Hachtbezirk innehatte, von dem einzelne Wohnungen an verschiedene „Hausgenossen“ vermietet wurden.[11]

1442 erwarb der Erbvogt Gumprecht (II.) IV. von Neuenahr († 1484) von der Stadt Köln den 1404 abgebrannten[12] „Saal“ (palatio; Stadtschloss)[13] auf dem Domhof neben der „Hacht“ (dem Gefängnis).[14] Vermutlich ist dieses Gebäude später zusammen mit dem gegenüber liegenden Linneper Hof verwaltet worden, als beide den Grafen von Neuenahr gehörten.[14]

Eines von vielen Gerichten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An Gerichten mangelte es in der freien Reichsstadt Köln nicht. Es gab ein Appellationsgericht, ein Bürgermeister-Gericht, ein Rats- und Amtsgericht, ein Turmgericht, ein Gewaltgericht, ein Fiskalgericht, das Unterla(h)n-Gericht, die Weinschule und das Hachtgericht.[15] Es war eines von den 5 kleineren oder so genannten Flügelsgerichten in Köln.[16] Flügelsgerichte waren ursprünglich Nebengerichte von geringer Bedeutung.[17] Zu den Flügelsgerichten gehörten außerdem der Eichelstein (Eigelstein), Weiherstraße, Gerconis (St. Gereon) und Severini (St. Severin).[18]

Zuständigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rechtsprechung des Hachtgerichts beruhte auf den gerichtlichen Befugnissen, die der Erzbischof seinem Vogt über die Ministerialen (unfreie Dienstleute) übertragen hatte.[19] Im Hachtgericht wurden Frauen als Hexen angeklagt und gefoltert.[20] Das Hachtgericht verhandelte alle Straftaten, vom Diebstahl bis zu Kapitalverbrechen, nur das Urteil über Blutschuld blieb dem Erzbischof vorbehalten. Es bestand aus einem Präses und zwei Schöffen. Ein Hächter gelobte gemäß Eid, dass er „die gefangenen misstätigen und arrestierten Personen besten Vermögens zu bewachen, dasjenige, so den Armen in die Hacht gegeben wird, getreulich einzubringen…“[19] Gefangene blieben hier lebenslang oder warteten auf ihre Todesstrafe, falls sie nicht begnadigt wurden.[21]

Das Hinrichtungszeremoniell sah zunächst die Vorführung des Straftäters am Domhof vor dem erzbischöflichen Palast vor. Für Gefangene mit verhängter Todesstrafe läutete nach ihrer Einlieferung in die Hacht die Sterbeglocke, sobald sie ihre Todesstrafe antraten. Der mehrfache Bürgermeister Johann von Berchem steht exemplarisch für die Prozedur der Todesstrafe. Nachdem sein Geständnis durch Folter im Flachskaufhaus am Alten Markt erzwungen worden war, verhängte man gegen ihn die Todesstrafe und verbrachte ihn zum Hachtgefängnis. Am nächsten Tag brachte man ihn zum „blauen Stein“[22], an den ihn der Henker dreimal stieß. Von dort aus transportierte man ihn zum Heumarkt, wo er am 11. Januar 1513 geköpft wurde.[23] Im Rahmen des Kölner Weberaufstandes gaben sich die Weber mit der Hinrichtung des Schöffen Rutger Hirzelin vom Grin am 20. Mai 1369 nicht zufrieden, sondern verlangten die Hinrichtung eines in der Hacht wegen Straßenraubs eingesperrten Mannes, dessen Prozess den Webern zu lange dauerte.[24] Als die Weber drohten, die Hacht zu stürmen, gaben die Schöffen den Delinquenten in den Pfingsttagen des Jahres 1369 heraus, und die Weber köpften ihn ohne Urteil.

Hacht – Abriss 1893

Wem nicht die Todesstrafe drohte, musste von der Hacht beginnend einen hölzernen Mantel („Huick“) bis zu einem Backhaus namens „Backhaus Schmitz“ auf der Severinstraße tragen. Hier angekommen war die Strafe überstanden, wonach die Delinquenten entweder aus der Stadt geführt oder ins Bonner Spinnhaus gebracht wurden.[25] Bis heute bezeugt das kölsche Sprichwort „Du bes noch nit lans Schmitz-Backes vorbei“ (Du bist noch nicht am Schmitz-Backes vorbei) davon, dass sich jemand noch nicht außer aller Gefahr befindet.

Schicksal des Gebäudes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Hachtgericht lag innerhalb eines eigenen Schreinsbezirks Hacht. Der Hachtschrein wies 138 Häuser, Hofstätten und Gaddemen auf. Die Hacht brannte 1404 ab, ihr Grundstück wurde im Jahre 1809 verkauft;[26] ein Neubau entstand hierauf 1820. In diesem befand sich zeitweilig das Hotel Francfort, bis das heruntergekommene Gebäude im August 1893 abgerissen wurde, zumal es den freien Blick auf den Dom versperrte.[27] Das andere Nachbargebäude, das ehemalige Hospital und Armenhaus Heiliggeisthaus wurde bereits um 1845 niedergelegt. An dieser Stelle (Domhof 9) befindet sich heute das Dom-Hotel.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Friedrich Everhard von Mering, Reischert: Die Bischöfe und Erzbischöfe von Köln. Band 2, 1844, S. 73.
  2. Hugo H. Böhlau: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung. Band 51, 1931, S. 424
  3. Friedrich Baudri (Hrsg.): Organ für christliche Kunst. Band 8, Nr. 23 vom 1. Dezember 1858, S. 267.
  4. DuMont-Schauberg: Organ für christliche Kunst. Band 8, Nr. 23 vom 1. Dezember 1858, S. 267
  5. die Drachenpforte ermöglichte im Osten den Zugang als Hafentor, im Westen zur Domimmunität; 1807 abgebrochen
  6. Hermann Keussen: Topographie der Stadt Köln im Mittelalter. (Preis-Schriften der Mevissen-Stiftung 2), Band I und II. Hanstein, Bonn 1910 (Nachdruck: Droste, Düsseldorf 1986), Bd. II, S. 306a.
  7. „…unseren kamphoff so wie der gelegen ist by der hacht…“; Böhlau-Verlag: Bonner Jahrbücher. Bände 57/58, 1876, S. 107.
  8. Notarialinstrument vom 10. Juli 1708; Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland Duisburg (Kurköln, Urkunden Nr. 5410).
  9. Vgl. Hermann Keussen: Topographie der Stadt Köln im Mittelalter. (Preis-Schriften der Mevissen-Stiftung 2), Band I und II. Hanstein, Bonn 1910 (Nachdruck: Droste, Düsseldorf 1986), Band I., S. 209b und S. 210a.
  10. Vgl. Manfred Wolf: Der Streit um die Verpfändung Alpens. In: Hans-Georg Schmitz (Hrsg.): Alpen. Festbuch zur 900-Jahr-Feier. o. O. o. J. [Büderich 1974], S. 20–30, bes. S. 30.
  11. Urkunde vom 4. Oktober 1365; Historisches Archiv der Stadt Köln (Bestand 102H Schreinsurkunden Hacht, U 1/9), u. a.
  12. Vgl. Klaus Militzer: Grundstücksübertragungen im Kölner Hachtbezirk im 13.-15. Jahrhundert. In: Katharina Colberg(Hrsg.): Staat und Gesellschaft in Mittelalter und Früher Neuzeit. (Gedenkschrift Joachim Leuschner). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1983, S. 75–91, bes. S. 78.
  13. Leonard Ennen: Der Domhof zu Köln und sein früherer Aufstand. In: Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands 4 (1878), S. 693–714, bes. S. 702–706 (Google-Books).
  14. a b Vgl. Hermann Keussen: Topographie der Stadt Köln im Mittelalter. (Preis-Schriften der Mevissen-Stiftung 2), Band I und II. Hanstein, Bonn 1910 (Nachdruck: Droste, Düsseldorf 1986), Bd. II, S. 293a.
  15. Ernst Weyden: Köln vor fünfzig Jahren. 1862, S. 207.
  16. Theodor Heinsius: Vollständiges Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 2, 1829, S. 207.
  17. Hans Peter Korsch: Das materielle Strafrecht der Stadt Köln vor dem Ausgang des Mittelalters bis in die Neuzeit. 1958, S. 217
  18. Johann Christoph Adelung, Dietrich Wilhelm Soltau, Franz Xaver Schönberger: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. 1808, S. 227.
  19. a b Leonard Ennen: Geschichte der Stadt Köln. Band 1, 1863, S. 595.
  20. Helmut Signon: Alle Straßen führen durch Köln. 2006, S. 298
  21. Leonard Ennen: Geschichte der Stadt Köln. Band 2, 1863, S. 440.
  22. Blauer Stein am Domhof. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. (Abgerufen am 18. August 2022)
  23. Ernst Weyden: Köln vor fünfzig Jahren. 1862, S. 167.
  24. Peter Fuchs (Hrsg.): Chronik zur Geschichte der Stadt Köln. Band 1, 1991, S. 314
  25. Rheinische Provincial-Blätter für alle Stände, Band 4, 1834, 278 ff.
  26. Leonard Schwann: Die profanen Denkmäler der Stadt Köln. 1930, S. 344
  27. Carl Dietmar, Gérals Chaix: Chronik Köln. 1997, S. 282

Koordinaten: 50° 56′ 25,5″ N, 6° 57′ 25,5″ O