Hans Sedlmayr

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Hans Sedlmayr (* 18. Januar 1896 in Hornstein, Österreich-Ungarn; † 9. Juli 1984 in Salzburg) war ein österreichischer Kunsthistoriker.

Leben

Hans Sedlmayr studierte Architektur an der Technischen Universität Wien und Kunstgeschichte an der Universität Wien.

Seine Dissertation bei Julius Schlosser behandelt den Barockarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach. Später wandte er sich dem Strukturalismus zu und avancierte in geistiger Nachfolge Alois Riegls zum Begründer der Strukturanalyse in der Kunstwissenschaft, was insbesondere in seinem 1948 erschienenen Hauptwerk Verlust der Mitte durch die Betrachtung der Kunstwerke und Kunstepochen im Kontext ihrer Entstehungszeit zum Ausdruck kommt. Sedlmayr habilitierte sich 1933 und wurde 1936 Nachfolger seines Lehrers auf dem Wiener Lehrstuhl.

Hans Sedlmayr trat bereits 1930 in die österreichische NSDAP ein, der er bis 1932 angehörte. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich erfolgte Sedlmayrs Wiedereintritt mit dem für ehemalige illegale NSDAP-Angehörige vorgezogenen Eintrittsdatum 1. Januar 1938.[1] 1942 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Wegen der Mitgliedschaft in der NSDAP verlor er 1945 seine Professur für Kunstgeschichte. In den Nachkriegsjahren publizierte er unter dem Pseudonym Hans Schwarz, im Gedenken an seinen besten jüdischen Freund, der im Krieg ermordet wurde. 1951 erhielt er wieder einen Ruf an die Universität München, 1965, bereits emeritiert, wurde er Professor an der Universität Salzburg, wo er die Lehrkanzel für Kunstgeschichte gründete. 1965 erschien seine Schrift Die demolierte Schönheit – Ein Aufruf zur Rettung der Altstadt Salzburgs. Am 9. November 1972 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Salzburg verliehen.

Sedlmayr gilt als Verfechter der figürlichen Malerei. Bekannt ist die Auseinandersetzung mit dem Maler Willi Baumeister beim „ersten Darmstädter Gespräch“ im Jahr 1950, bei dem neben Kunsthistorikern auch Psychologen, Architekten etc. anwesend waren. Festgehalten von dem Gespräch sind u. a. Stellungnahmen von Theodor W. Adorno zur Thematik abstrakte vs. figurative Kunst. Er war mit der früheren Sängerin Maria von Schmedes verheiratet.[2]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Fischer von Erlach der Ältere. R. Piper, München 1925.
  • Die Architektur Borrominis. Frankfurter Verlags-Anstalt, Berlin 1930.
  • Zu einer strengen Kunstwissenschaft. In: Kunstwissenschaftliche Forschungen, Band 1, S. 7–32.
  • Zum Begriff der Strukturanalyse. In: Kritische Berichte zur kunstgeschichtlichen Literatur, Band 32, 1931, S. 146–160.
  • Das erste mittelalterliche Architektursystem. In: Kunstwissenschaftliche Forschungen, Band 2, 1933, S. 25–62.
  • Die 'Macchia' Bruegels. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, N.F. Band 8, 1934, S. 137–160.
  • Über eine mittelalterliche Art des Abbildens. In: Critica d'arte, Band 1, 1935/36, S. 261–269.
  • Verlust der Mitte. Otto Müller Verlag, Salzburg/Wien 1948.
  • Die Entstehung der Kathedrale. Zürich 1950.
  • Allegorie und Architektur. In: Castelli, Enrico (Hrsg.): Retorica e Barocco. (Atti del Congresso Internazionale di Studi Umanistici, Venezia 15–18 giugno 1954). Rom 1955, S. 197–207.
  • Die Revolution der Modernen Kunst. Rowohlts Deutsche Enzyklopädie, Hamburg 1955.
  • Die Schauseite der Karlskirche in Wien. In: Kunstgeschichtliche Studien für Hans Kauffmann, hrsg. v. Wolfgang Braunfels, Berlin 1956, S. 262–271.
  • Johann Bernhard Fischer von Erlach. Wien/München 1956. 2. Auflage Wien 1976. Neuausgabe Stuttgart 1997.
  • Epochen und Werke. Gesammelte Schriften zur Kunstgeschichte. 2 Bände, Wien/München 1959/1960.
  • Der Tod des Lichtes. Salzburg 1964.
  • mit Hermann Bauer: Rokoko. Struktur und Wesen einer europäischen Epoche. Köln 1991/1992.
  • Die Kollegienkirche und die Kirche der Sorbonne. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 120/121, Salzburg 1980/81, S. 371–398.
  • Das goldene Zeitalter. Eine Kindheit. München/Zürich 1986.

Literatur (Auswahl)

Vergleiche auch die speziellere Literatur zu „Verlust der Mitte“.
  • Hans H. Aurenhammer: Hans Sedlmayr und die Kunstgeschichte an der Universität Wien 1938–1945. In: Schwerpunkt: Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus, hrsg. v. Jutta Held, Martin Papenbrock, Göttingen 2003, S. 161–194.
  • Hans H. Aurenhammer: Sedlmayr, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 126–128 (Digitalisat).
  • Eva Frodl-Kraft: Hans Sedlmayr. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 44, 1991, S. 7–46.
  • Ivan Gerat: Unerwünschte Freiheit' Instrumentalisierung des Mittelalterbildes im kunstgeschichtlichen Denken von Hans Sedlmayr. Diss. Freiburg i. Br. 1994.
  • Maria Männig: Hans Sedlmayrs Kunstgeschichte. Eine kritische Studie, Böhlau, Wien 2016
  • Albert Ottenbacher: Kunstgeschichte in ihrer Zeit. Zu Hans Sedlmayrs „abendländischer Sendung“. In: Kritische Berichte 29 (2001), S. 71–86.
  • Friedrich Piel: Hans Sedlmayr 1896–1984. Verzeichnis seiner Schriften. Mit einem Nachruf von Gerhard Schmidt, Salzburg/Falkenberg 1996.
  • A. Prater: Revolution und Wahrheit. Anmerkungen zum Geschichtsverständnis Hans Sedlmayrs. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 45 (2000), S. 97–109.
  • Heinz Quitzsch: Verlust der Kunstwissenschaft? Eine kritische Untersuchung der Kunsttheorie Sedlmayrs. Leipzig 1963.
  • Gerhardt Schmidt: Hans Sedlmayr. In: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1986, S. 399–406.
  • Norbert Schneider: Hans Sedlmayr (1896–1984). In: Heinrich Dilly (Hrsg.): Altmeister moderner Kunstgeschichte. Berlin 1990, S. 267–288.
  • Marco A. Sorace: Sedlmayr, Hans. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 32, Bautz, Nordhausen 2011, ISBN 978-3-88309-615-5, Sp. 1261–1270.

Einzelnachweise

  1. Hans H. Aurenhammer: Sedlmayr, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 126–128 (Digitalisat).
  2. Maria von Schmedes 85-jährig gestorben, Der Standard, 26. Februar 2003