Homo ridens

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Der Begriff Homo ridens (lateinisch lachender Mensch) geht zurück auf eine Formulierung des griechischen Philosophen und Denkers Aristoteles, welcher das Lachen für eine spezifische Eigenschaft (proprium) des Menschen hält.[1] Mehrere Autoren haben diese seither zu einem der Homo-Epitheta avancierte Formulierung aufgegriffen.

In mittelalterlichen Debatten wird fortwährend als exemplarisches Beispiel für essentielle Definition und akzidentelle Definition oder Spezifikation von Propria bzw. Essential- und Nominaldefinition eben das des Menschen in diesem Sinne gebraucht. So etwa Thomas von Aquin im Kommentar zur aristotelischen zweiten Analytik.[2] Die buridanischen Quaestiones in Analytica Posteriora diskutieren viele logisch-semantischen Einzelprobleme anhand der Prädikation „homo est animal risibile“. Oder Guy de Chauliac erklärt: Die Wesensdefinition des Menschen ist „vernunftbegabtes Lebewesen“, die akzidentelle Definition ist „zum Lachen begabtes Lebewesen“.[3] Auch Leibniz verwendet das dem Menschen eigentümliche Vermögen als Beispiel für einen Fehlschluss von „alles Lachende ist menschlich“ auf „alles Menschliche ist lachend“.[4]

Rabelais nennt in einem Vers ebenfalls das Lachen als ein proprium des Menschen.[5] Diese Wendung wird vielfach als typisch für die Einstellung der Renaissance zu Humor, Komik und Lachen gewertet und hat zahlreiche zeitnahe Vorläufer.[6]

Johan Huizinga, der eine vielzitierte Darstellung des Menschen als spielendem Wesen (homo ludens) vorgelegt hatte, formulierte:

„... daß gerade die rein physiologische Verrichtung des Lachens ausschließlich dem Menschen eigentümlich ist, während er die sinnvolle Funktion des Spielens mit den Tieren gemein hat. Das aristotelische homo ridens bezeichnet den Menschen im Gegensatz zum Tier fast noch reiner als das homo sapiens.[7]

Auch Helmut Plessner widmete dem Thema eine Abhandlung: Lachen und Weinen von 1941.[8] Er sieht darin zwei dem Menschen eigentümliche Ausdrucksformen.

Konrad Lorenz schließt sich dieser Auffassung u. a. Plessners an und sieht darin einen affektiven Gegenpol zur klassischen Bestimmung des Menschen als Vernunftwesen.[9]

Der Philosoph G. B. Milner hat eine Theorie unter dem Fokus des lachenden Menschen entwickelt, also mit Bezug auf die Fähigkeit des Menschen, Humor zu entwickeln, zu lachen und auf diesem Wege z. B. Adrenalin und Noradrenalin, Freude, Erleichterung und Belustigung zu empfinden und dadurch soziale Kontakte entstehen zu lassen und zu fördern.[10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Paolo Santarcangeli: Homo ridens. Estetica, Filologia, Psicologia, Storia del Comico (= Biblioteca dell’Archivum Romanicum/Serie 1; Band 223). Olschki, Florenz 1989, ISBN 88-222-3694-7.
  • Gerhard Schmied: Das Rätsel Mensch. Antworten der Soziologie. Verlag Barbara Budrich, Opladen 2007, ISBN 978-3-86649-075-8. S. 150f.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Aristoteles: De partibus animalium 3,10 (673a9): monon gelan tōn zōōn anthrōpon. In der Übersetzung des Theodoros Gazes: homo animalium unus titilletur, et cutis tenuitas est, et quod solus omnium animalium rideat.
  2. Expositio libri Posteriorum Analyticorum lib. 2 l. 3 n. 4: Quarum una est quod quod quid est sit proprium: quaelibet enim res habet propriam essentiam sive quidditatem. Et quia non omne quod est proprium alicui pertinet ad essentiam eius, sicut risibile homini; ideo requiritur secunda conditio, quod praedicetur in quid. Und l. 8 n. 6: Et per hunc etiam modum dicitur esse una ratio, quae est expositiva nominis, vel manifestativa ipsius rei nominatae per aliqua accidentia: ut si dicatur quod homo est animal risibile susceptibile disciplinae.
  3. Guy de Chauliac, hg. Jean Canappe: Opuscules de divers autheurs medecins, Jean de Tournes, Lyon 1552: „la diffinition essentiale de lhomme, cest animant raisonnable, la diffinition accidentale de lhomme, cest animant risible, ou né à rire.“ (S. 25) „Estre risible, cest a dire estre né, & apte à rire, conuient à tout homme, & au seul homme, & en tout temps“. (S. 35) Hier zit. nach Barbara C. Bowen: Enter Rabelais, laughing, Vanderbilt University Press, 1998, S. 19. Dort nachfolgend mehrere weitere Beispiele z. B. aus Montaigne.
  4. Leibniz: Difficultates quaedam logicae.
  5. So im Schluss der Anweisung an die Leser (Aux lecteurs) in seinem Hauptwerk Gargantua et Pantagruel von 1532 bis 1552/1564, u. a. in: Les Oeuvres romanesques, Übers. F. Joukovsky, Paris 1999, S. 5.9; Oeuvres Complètes, Paris 1955, S. 2.
  6. Vgl. etwa Bowen 1998 und bereits den Artikel von Bowen: Le rire est le propre de l’homme, in: Etudes Rabeliennes 21 (1988), 185-190; Daniel Ménager: La Renaissance et le Rire, Paris 1995, S. 5; G. Husso: Lucien philosophe du rire ou „Pour ce que rire est le propre de l’Homme“, in: A. Billault (Hg.): Lucien de Samosate, Lyon 1994, S. 177–184.
  7. Johan Huizinga: Homo Ludens, Reinbek 1991, S, 14.
  8. In: H. Plessner: Gesammelte Schrift, Bd. 7, Frankfurt am Main 1982, S. 201–387.
  9. K. Lorenz: Das sogenannte Böse, Wien 1963, S. 258.
  10. Vgl. Milner: Homo Ridens. Towards a Semiotic Theory of Humour and Laughter. In: Semiotica 5/1 (1972), S. 1–30.