Huqúqu’lláh

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Huqúqu’lláh (arabisch ﺣﻘﻮﻕ ﺍﻟﻠﻪ, Umschrift nach Bahai-Transkription, „Das Recht Gottes“[1]), auch das Gesetz oder die Institution des Huqúq genannt, ist ein sozioökonomisches und religiöses Gesetz im Bahaitum, definiert im Heiligsten Buch von Bahāʾullāh. Ganz grundlegend besagt es, dass Bahai eine Abgabe von 19 Prozent auf jenen Besitz leisten sollen, der über das hinausgeht, was für ein bequemes Leben grundlegend notwendig ist. Die Verantwortung für die Berechnung und Zahlung obliegt jedem Einzelnen, sie muss aus freien Stücken erfolgen und darf von niemandem eingefordert oder kontrolliert werden. Das Geld soll für gemeinnützige Projekte eingesetzt werden und in zunehmendem Maße auch einer internationalen, auf Freiwilligkeit basierenden Umverteilung des Reichtums dienen. Für Mitglieder der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland (K.d.ö.R.) gibt es die Möglichkeit, das Geld dem internationalen Haus der Gerechtigkeit zu zahlen, welches es auch für die Entwicklung der eigenen Weltgemeinde und ihrer Ziele verwendet.

Berechnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zahlung von Huqúqu’lláh basiert auf der Berechnung des Wertes des individuellen Eigentums, das materielle Besitztümer, Finanzvermögen und Einkommen des Einzelnen umfasst, nachdem alle notwendigen Ausgaben bezahlt wurden. Wenn der luxuriöse – also über Notwendigkeiten hinausgehende – Besitz einer Person den Wert von mindestens 19 Mithqáls Gold[2][3] (2,2246 Unzen oder 69 Gramm[4]) übersteigt, ist es ihre spirituelle Verpflichtung, neunzehn Prozent des Gesamtbetrags als Huqúqu’lláh zu zahlen. Wann immer der hinzukommende Luxus, also ihr Einkommen abzüglich aller notwendigen Ausgaben, diesen Wert übersteigt, ist eine erneute Zahlung auf den hinzugekommenen Betrag fällig.[5]

Bahāʾullāh hat es jedem Einzelnen überlassen, zu entscheiden, welche Dinge als notwendig erachtet werden und welche nicht. Durch die Angabe des Goldwertes sollen insbesondere auch Personen, die nur wenig materiellen Besitz haben, davor bewahrt werden, sich der Überlegung verpflichtet zu fühlen, ob ein kleiner Teil ihres geringen Eigentums nicht doch Luxus ist. Darüber hinaus hat Bahāʾullāh bestimmte Eigentumskategorien von der Zahlung des Huqúqu’lláh befreit, wie z. B. Wohnsitz, notwendige Haushaltsausstattung, Berufsausstattung und ähnliches.[2][5] Außerdem existieren einige gesonderte Bestimmungen, um Fälle wie zum Beispiel finanzielle Verluste oder eine mögliche Zahlung von Huqúqu’lláh im Todesfall abzudecken.

Sinn und Geistige Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch wenn die Zahlung ausschließlich in der Verantwortung des Einzelnen liegt und somit als freiwillig angesehen werden kann, wird Huqúqu’lláh nicht als Mildtätigkeit betrachtet, sondern als eine Abgabe, auf die Gott Anspruch hat, weil sie der Allgemeinheit zugutekommt. Individueller Wohlstand und die Interessen des Gemeinwohls müssen demnach in einem Gleichgewicht stehen, ein Ausgleich zwischen Arm und Reich gewahrt werden.[6] Die Abgabe ist insofern von Spenden für die verschiedenen Verwendungszwecke der Bahá’í-Gemeinde getrennt zu betrachten und hat Vorrang vor ihnen.[5]

Schrittweise Einführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bahāʾullāhs Heiligstes Buch entstand 1873. Wie viele andere Gesetze des Heiligesten Buches wurde auch das Gesetz des Huqúqu’lláh schrittweise umgesetzt und eingeführt. So nahm Bahāʾullāh zunächst keine Zahlungen an, bis er 1878 den ersten Treuhänder für Huqúqu'lláh ernannte, der die Verantwortung hatte, Huqúqu’lláh-Zahlungen von iranischen Bahai anzunehmen und zu verwalten. Später wurde dies auf die Bahai des Nahen Ostens ausgedehnt. Innerhalb der weltweiten Bahá’í-Gemeinde wurde das Grundkonzept des Huqúqu’lláh vor allem seit 1985 bekannt gemacht. Für Gemeindemitglieder wurde 1991 eine zentrale Verwaltungsstelle für Huqúqu’lláh in Haifa, Israel gegründet. Für sie trat das Huqúqu’lláh-Gesetz 1992 in Kraft. Mit steigenden Zahlungen wurden nach und nach Stellvertreter auf nationaler Ebene ernannt, welche die Zahlungen entgegennehmen und an das Universale Haus der Gerechtigkeit weiterleiten.[2][5] Über die Verwendung der Gelder innerhalb der Bahá’í-Gemeinde entscheidet das Universale Haus der Gerechtigkeit nach eigenem Ermessen. Bahai, die nicht Mitglied der Gemeinde sind, entscheiden selbst, wem sie ihre Huqúqu’lláh-Zahlung im Sinne des wohltätigen Zwecks zukommen lassen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Universale Haus der Gerechtigkeit: Huqúqu’lláh – Das Recht Gottes. Eine Textzusammenstellung aus den Bahá’í-Schriften. Hofheim-Langenhain, Bahá’í-Verlag 2016, ISBN 978-3-87037-463-1.
  • Research Department of the Universal House of Justice: Huqúqu’lláh – The Right of God. Baha'i Publications Canada and Palabra Publications, 2007, ISBN 0-88867-130-X.
  • Firaydoun Javaheri: Huqúqu’lláh – Das Recht Gottes. 12 Lektionen über Huqúqu'lláh. Hofheim-Langenhain, Bahá’í-Verlag 2016, ISBN 978-3-87039-702-9.
  • Stephan Towfigh, Wafa Enayati: Die Bahá’í-Religion. Ein Überblick. 4., überarbeitete Auflage, Olzog, München 2011, ISBN 978-3-7892-8231-7.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Stephan Towfigh, Wafa Enayati: Die Bahá'í-Religion: Ein Überblick. 4., überarb. Auflage. Olzog, München 2011, ISBN 978-3-7892-8231-7, S. 81.
  2. a b c Smith, Peter: An Introduction to the Baha'i Faith. Cambridge University Press, Cambridge 2008, S. 164.
  3. Taherzadeh, Adib: The revelation of Baháʼuʼlláh. Band 4. G. Ronald, Oxford 1988, ISBN 978-0-85398-144-2, S. 253.
  4. Stockman, Robert H.: The Baha’i Faith: A Guide For The Perplexed. A & C Black, 2012, S. 186–189.
  5. a b c d Smith, Peter: A concise encyclopedia of the Baha'i faith. Oneworld, Oxford 2000, ISBN 1-85168-184-1, S. 189 f.
  6. Hatcher, W.S.; Martin, J.D.: The Bahá'í Faith: The Emerging Global Religion. Harper & Row, San Francisco 1998, ISBN 0-87743-264-3, S. 198.