Isolations-Paradox

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Das Isolations-Paradox von Amartya Sen[1] ist im Rahmen der Spieltheorie und Wirtschaftswissenschaft eine Verallgemeinerung des sog. Gefangenendilemmas auf mehr als zwei (N) Spieler.

Das Isolations-Paradox[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Voraussetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Einerseits bevorzugen in der unterstellten Situation alle Spieler von zwei Alternativen A und B stets Alternative A, egal was die anderen Spieler wählen.
  2. Andererseits bevorzugen alle Spieler, vor die Wahl gestellt, dass alle A oder alle B wählen, die “alle B”-Variante.

Nach Sen folgen aus dieser Anreizstruktur drei Resultate:

Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Pareto-Inferiorität: Als Konsequenz ergibt sich ohne Absprachen ein “alle A”-Verhalten, das jedoch Pareto-inferior (ineffizient) ist und daher in einer Abstimmung von allen abgelehnt werden wird.
  2. Strikte Dominanz der individuellen Strategie des Fehlverhaltens: Das atomistische Verhalten ist völlig unabhängig von den individuellen Erwartungen an das Handeln anderer und somit dominiert die individuelle “A-Wahl” für alle Beteiligten strikt über die Alternative “B”.
  3. Durchsetzungs-Notwendigkeit: Selbst wenn eine Abstimmung zwischen “alle A” und “alle B” ein einstimmiges Votum für “alle B” ergibt, wird (unter der Prämisse des Eigennutzverhaltens gemäß der 1. Voraussetzung) jeder stets danach streben, für sich selbst “B” durch “A” zu ersetzen, sodass seine verpflichtende Durchsetzung notwendig bleibt.

Anwendung und Abgrenzung zum Klimaschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Beispiel soll der Klimaschutz dienen. Seine Situation ist komplizierter. Doch zunächst der Spezialfall:

Spezialfall des Klimaschutzes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

N Nationen stehen vor der Wahl, Klimaschutz faktisch zu ignorieren, A, oder, B, Klima anteilig ausreichend zu schützen (lokale Kosten), um globale Entlastung zu erzielen. Vor die Wahl gestellt, alle schützen, oder alle nicht, sagen alle ja, schützen, dennoch werden sie in jedem Moment hiervon abzuweichen versuchen. Das Resultat ist fehlender Klimaschutz. Nehmen wir an, 193 UN-Mitgliedsstaaten können 1000 Geldeinheiten in Klimaschutz investieren, mit einer Rendite von 100 Prozent, also einem Klimaschutzertrag von insgesamt 2000 Geldeinheiten. Der Klimaertrag verteilt sich aber auf alle Staaten (2000 : 193 = circa 10). Die folgenden Tabelle zeigt beispielhaft, wie die Kosten und Erträge verteilt sind, wenn nur Staat 1, nur 2, …, nur 1 und 2, nur 2, 3 … alle Staaten oder kein Staat Klima schützt:

Staat nur 1 nur 2 nur 1, 2 nur 2, 3 alle keiner
1 −990 10 −980 20 1000 0
2 10 −990 −980 −980 1000 0
3 10 10 20 −980 1000 0
10 10 20 20 1000 0
192 10 10 20 20 1000 0
193 10 10 20 20 1000 0
Kostensumme 1000 1000 2000 2000 193000 0
Ertragssumme 1930 1930 4000 4000 386000 0
Klimaschutzgewinn 930 930 2000 2000 193000 0

Wenn A für keinen Klimaschutz und B für Klimaschutz durch den Staat steht, dann sind die 1. und 2. Voraussetzung erfüllt und es ergeben sich die oben genannten Folgen: Vor die Wahl gestellt, alle machen mit (alle B) oder keiner (alle A) werden alle „alle B“ wählen, aber dennoch wird bei fehlender Kontrollierbarkeit und Durchsetzbarkeit jeder Staat wenn möglich zu „ich A“ wechseln. Das Pareto-inferiore Resultat ist „alle A“, also kein Staat investiert (letzte Spalte).

Allgemeiner Fall[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Klimaschutzbeispiel passt hier nur unter der zusätzlichen Annahme, dass gemeinsam umgesetzter Klimaschutz allen mehr nutzt als gemeinsam unterlassener Klimaschutz. Dies ist eventuell kurzfristig unrealistisch. Ist man als Nation sehr egoistisch (me first), nicht in der ersten Reihe der Meistbetroffenen oder verwendet in einer interpretatorisch fehlerhaften Weise beispielsweise eine relativ hohe sogenannte soziale Diskontrate (hohe lokale Kurzsichtigkeit), so ist es theoretisch denkbar, dass die 2. Voraussetzung nicht gilt, also dass es ein Land gibt, nennen wir es ME.NOW.FIRST, das trotz erheblicher Konsequenzen für sich selbst in nicht ferner Zukunft durch seine Haltung die 2. Voraussetzung außer Kraft setzt. Die Konsequenz ist dann, dass selbst bei unterstellter Kontrollierbarkeit und Sanktionierbarkeit des Nichtbeitrages es nie zu einem einstimmigen Votum für Klimaschutz kommen kann. Das heißt, extreme nationale Kurzsichtigkeit und Egoismus verhindert jede sinnvolle Lösung dauerhaft, nicht einmal eine perfekt kontrollier- und sanktionierbare Lösung ist erreichbar. Zudem dürften allgemein in Kosten- und Ertragsverteilung des Klimaschutzes zwischen den UN-Mitgliedern erhebliche Unterschiede bestehen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Amartya Sen: Isolation, Assurance and the Social Rate of Discount. In: The Quartely Journal of Economics. Band 81, Heft 1, Februar 1967, S. 112–124 (PDF; 331 kB).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Amartya Sen: Isolation, Assurance and the Social Rate of Discount. In: The Quartely Journal of Economics. Band 81, Heft 1, Februar 1967, S. 114 (PDF; 331 kB).