Jüdischer Friedhof (Brandshagen)

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Koordinaten: 54° 15′ 27,6″ N, 13° 11′ 40,9″ O

Jüdischer Friedhof in Niederhof – Zustand 2008
Jüdischer Friedhof Niederhof – Zustand 2016

Der Jüdische Friedhof Brandshagen liegt nördlich von Niederhof. Dieser Ort gehört zu Brandshagen, einem Ortsteil der Gemeinde Sundhagen im Landkreis Vorpommern-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der jüdische Friedhof befindet sich im westlichen Teil des Naturschutzgebietes Kormorankolonie bei Niederhof. Der Friedhof liegt an einem bewaldeten slawischen Ringwall unweit des Sundes in der Nähe einer der größten Kormorankolonien Mitteleuropas. Die Friedhofsfläche umfasst etwa 2,80 Ar. Es sind noch 60 Grabsteine bzw. Grabsteinreste vorhanden, davon in originaler Stellung und in gutem Zustand 26. Jüdische Friedhöfe wurden in den amtlichen Karten als Begräbnisplatz bezeichnet und mit einem L statt einem † signiert. Zwar enthält das Preußische Urmeßtischblatt von 1835 eine Beschriftung als: „Juden Kirchhof“, aber das Messtischblatt von 1880 zeigt keine Signatur und keine Beschriftung. Meistens wurden die Plätze weit außerhalb der Städte oder Gemeinden angelegt, überwiegend an den Scheunenvierteln oder ähnlich abgelegenen Orten. Hier in Niederhof ist eine Lage am weit abgelegenen Burgwall typisch.[1] Ein Gedenkstein zur Erinnerung an die in der NS-Zeit ermordeten Juden ist aufgestellt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dies ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof an der Ostseeküste. Er wurde von der seit 1765 in Stralsund bestehenden jüdischen Gemeinde angelegt. Diese durfte in Stralsund keinen Begräbnisplatz anlegen und war gezwungen, ihre Toten zunächst in Bad Sülze beizusetzen. 1776 verstarb die Tochter des Stralsunder jüdischen Münzagenten Hertz. Diesem wurde vom Münzdirektor Joachim Ulrich Giese erlaubt, das Kind in dessen Gutspark nahe Gut Niederhof beizusetzen. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte erfolgten weitere Beisetzungen in Niederhof. Bis 1850 wurden hier Juden aus Stralsund, Greifswald und anderen vorpommerschen Städten beigesetzt. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Friedhof nicht zerstört, aber er verfiel, weil keine jüdischen Gemeinden mehr vorhanden waren.

Noch in den 1950er Jahren wurden einzelne Grabsteine als Baumaterial entnommen, es gab auch Schändungen. 1964 wurde der außerordentlich schöne Friedhof zum Kulturdenkmal erklärt. Auf einem Fundament aus den Bruchstücken von zerschlagenen Grabsteinen errichtete man einen Gedenkstein mit der Inschrift: „Errichtet im Gedenken derer die hier in Frieden ruhen und zum Gedenken der sechs Millionen ermordeter jüdischer Menschen“. Ein Dr. Ehmke aus der Region rettete viele zu Bauzwecken verstreute Steine des Friedhofes und brachte sie zurück.[2] Ausstellungen zur Geschichte des Friedhofes fanden in Zingst (Kirche), Brandshagen (Kirche), Berlin (Galerie Teasing), Greifswald (Domturmgalerie) und Röbel (Engel´scher Hof-Alte Synagoge) statt. Ein in Wusterhusen gefundener Grabstein von Dore Kirtstein wurde in den Ausstellungen in Greifswald und Röbel gezeigt und konnte dem nicht mehr vorhandenen Friedhof von Greifswald zugeordnet werden, nachdem anfangs alles auf Niederhof hinzudeuten schien. Dieser Stein wurde 2008 dem Pommerschen Landesmuseum übergeben und soll dort ausgestellt werden zur Geschichte der Juden in Pommern.

1990 waren noch die genannten 60 Steine oder deren Reste ermittelbar. 1999 wurde die Umfriedung errichtet, um diese einmalige Anlage mit den 26 stehenden Malen zu schützen. Nach 2008 erfolgte eine umfassende Restaurierung. Alle Steine wurden gereinigt, befestigt und die Schriften restauriert. Die Anlage ist jetzt gut gepflegt.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Brocke, Eckehard Ruthenberg, Kai Uwe Schulenburg: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin). Institut Kirche und Judentum Berlin 1994, ISBN 3-923095-19-8. (Diese Quelle enthält zahlreiche Ungenauigkeiten und Fehler, ist daher wissenschaftlich-historisch nur sehr bedingt geeignet.)
  • „Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus“, Band II, Bonn 2000
  • Martin Kaule: Ostseeküste 1933–1945. Ch. Links 2011, ISBN 978-3-86153-611-6.
  • Brandshagen. In: Klaus-Dieter Alicke: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Band 3: Ochtrup – Zwittau. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008, ISBN 978-3-579-08079-6 (Online-Version) (nicht ausgewertet)
  • Klaus-Dieter Ehmke: Der "Gute Ort von Niederhof" in: Der faschistische Pogrom vom 9./10. November 1938 – Zur Geschichte der Juden in Pommern, Wissenschaftliche Beiträge der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 1989

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Jüdischer Friedhof (Brandshagen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Text: Forschungsprojekt „Jüdische Friedhöfe“ der Fachhochschule Neubrandenburg, veröffentlicht in: https://www.kleks-online.de/editor/?element_id=148500&lang=de
  2. Text: Forschungsprojekt „Jüdische Friedhöfe“ der Fachhochschule Neubrandenburg, veröffentlicht in: https://www.kleks-online.de/editor/?element_id=148500&lang=de