Kabinettskrieg

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Der Kabinettskrieg ist ein Typus des Krieges in Europa, der die Epoche des Absolutismus, vom Westfälischen Frieden bis zur Französischen Revolution bestimmte. Er wird durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet:

  • kleines stehendes Heer
  • meist adeliges Offizierskorps
  • zurückhaltende Kriegsführung
  • beschränkte Kriegsziele und häufig wechselnde Koalitionen zwischen den Kriegsparteien
  • Verrechtlichung und »Hegung« des Krieges
  • Nichtbeteiligung der Öffentlichkeit.

Der Begriff spielt auf die Kabinettsregierung des Absolutismus an (vergleiche Kabinettsjustiz, Kabinetts-Ordre) und konnotiert insbesondere die »Geschäftsmäßigkeit« und Begrenztheit des Krieges, die mit den Religionskriegen, die vorausgingen, und dem revolutionären Volkskrieg, der folgen sollte, einen denkwürdigen Kontrast bildet. Wenn Kabinettskrieg in einem weiteren Sinne gebraucht wird, so sind es diese Merkmale, zusammen mit der Nichtbeteiligung der Öffentlichkeit, die gemeint sind.

Die Bezeichnung hat ihren Ursprung darin, dass die meisten Kriege dieser Zeit, dem Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung, auf scheinbar rationalen und abgewogenen Entscheidungen der Herrscher und ihrer Berater im Kabinett beruhten. War noch der Dreißigjährige Krieg aufgrund von Religionsstreitigkeiten ausgebrochen und zuletzt durch wilde Plünderungen und marodierende Heere gekennzeichnet, so wurden die Kriege des 18. Jahrhunderts meist begrenzter und gezielter geführt, auch wenn die Durchzüge der Heere oft weiterhin enormes Leid bei der betroffenen Zivilbevölkerung verursachten. Dennoch waren Greuelszenen, wie sie die Religionskriege kennzeichneten, die Ausnahme. Der Normalfall war jedoch ein weitgehend "korrektes" Verhalten - so wurde etwa Berlin während seiner Besetzung durch die Russen im Siebenjährigen Krieg nicht geplündert und die Einwohner weitgehend in Ruhe gelassen.

Kabinettskriege wurden nur noch für begrenzte Ziele geführt, das prinzipielle Existenzrecht des Gegners wurde - auch dies anders als noch während der Religionskriege - nicht mehr bestritten. Auch waren Allianzen zwischen ehemaligen Kriegsgegnern schnell möglich, wenn dies dem jeweiligen Souverän Vorteile versprach. Angebliche Erbfeindschaften der Völker, wie sie vielfach die Kriege des 19. und 20. Jahrhunderts prägten, waren im Zeitalter der Kabinettskriege nicht relevant.

Zu den Kabinettskriegen im engeren Sinne werden meist die folgenden Kriege im Europa der Zeit zwischen 1650 und 1792 gezählt:

Die Zeit der französischen Revolution sorgte für das Ende der Kabinettskriege. Die anschließenden Revolutionskriege sowie die napoleonischen Koalitionskriege und Befreiungskriege wurden nicht mehr allein aufgrund von Kabinettsentscheidungen geführt, der Volkswille trat als entscheidendes Merkmal hinzu, selbst in weiterhin autokratisch regierten Staaten wie Preußen oder Österreich-Ungarn. Als später Nachzügler der Kabinettskriege wird allerdings manchmal der Krimkrieg bezeichnet, der auf eng begrenztem Raum und mit begrenzten Zielen geführt wurde und nur geringe Leidenschaften bei den Völkern der beteiligten Staaten auslöste.

Siehe auch: Liste der Kriege, Liste von Schlachten