Kachel (Schimpfwort)

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Kachel ist im bairischen und schwäbischen Sprachraum ein Schimpfwort für eine Frau, insbesondere in der Form von „alte Kachel“ für „altes Weib“,[1] außerdem eine abwertende Bezeichnung für die weibliche Scham.[2][3] In schwäbischen Dialekten erscheint Kachel zusätzlich in der Bedeutung von „dickes, plumpes Weib“,[4]:261 als Tratschkachel[4]:116 in der Bedeutung „Klatschbase“ und als Grauz-[4]:209 oder Mauzkachel[4]:315 für eine jammernde Frau.

Die Brüder Grimm vermerken zu Kachel: „2) brunzkachel, kammerkachel u. ä., schon im 15. jh. unter kachel allein verstanden (wie heute topf) […] 3) obscön vom weibe, bes. von alten weibern, brunzkachel […]“[5]

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wort Kachel leitet sich ab aus mittelhochdeutsch kachel(e) für ‚irdener Topf‘[6] und althochdeutsch kahhala, entlehnt aus dem Früh-Romanischen (Vulgärlatein) cacculus („Kochgeschirr“), einer Variante des klassisch-lateinischen caccabus, vom Altgriechischen kákkabos („Tiegel, Schmorpfanne“, ursprünglich „dreibeiniger Kessel“), zurückgehend auf ein semitisches Lehnwort (Quelle unklar).[7]

Umgangssprachlich ist mit Brunzkachel ein Nachttopf gemeint, im übertragenen Sinne Schimpfwort für eine Person, die häufig uriniert.[8]

Literarische Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Abraham, der Sara, die alte Kachel zum Weibe gehabt.“

Martin Luther: Luther’s Werke I. Ausgabe von Jena 1555–1558. S. 299.[9]

„Mit diser weiß, wann diß gelten solt, möcht einer ein jden Hautjuckigen Vogel für ein Gauch ansehen, ein Sau für ein Baier, ein Nuß für eyn Schwaben, eyn Geiß für ein Schneider, ein Maulthier für ein Francken, ein Schlesischen Esel für aller Hasen Großmuter, ein Pomerisch Storckennest für Salat, ein Ku für ein Schweitzer, ein Töringisch Pflugrädlin für ein Prettstell, ein weisen Hund für ein Müllerknecht, die Eselin für Frau Müllerin, ein Hasenkopff für ein Niderländer, ein Hammel für ein Flamming, ein Kachel für ein Baßlerische Köchin.“

Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Text der Ausgabe letzter Hand von 1590.[10][11]

„Ich ließ es gut seyn, und legte mich mit meiner alten Schachtel alle Abend zu Bette, als hätte ich die Junge nie lieb gehabt. Doch war diß meine Plage, daß ich allen Gästen Gesellschafft leisten muste, dann wer Lust zu sauffen hatte, dem solte ich zu Gefallen das Tannzapffen-Bier in den Leib giessen, davon ward ich endlich so ungesund, daß ich meinem Leibe keinen Rath wuste, zu grossen Glücke kam eine Rechts Sache zu Ende, davon ich 2000. Thl. participirte, und meine alte Kachel starb in Kindesnöthen.“

Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. 1672.[12]

„Er hat einige Klepper und seine Frau ist fahrtoll! […] Was hat denn der arme Schelm gesündiget? Er wurde ia gezwungen, es zu thun. Sie, die B * kachel verdiente eher, von einem Stier' in die Lufft geworfen zu werden. Aber wer den Esel nicht prügeln kann, prügelt den Sattel.“

Wilhelm Heinse: Die Petronübersetzung Wilhelm Heinses. Petronius (Arbiter): Begebenheiten des Enkolp (Satyricon). 1773.[13]

„Besser eine alte Kachel als gar keinen Ofen, sagte der Töpfer, als er sich eine funfzigjährige geheirathet hatte.“

Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Band 2. Leipzig 1870, Spalte 1086.

„Ach so! Da ist die alte verliebte Kachel auch mit bei der Sippe?“

Karl May: Unter den Werbern. Humoristische Episode aus dem Leben des alten Dessauer von Karl May. 1876.[14]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Kachel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Heinz Küpper: Pons Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Klett, Stuttgart 1987, S. 385 (als „unverträgliche alte Frau“ seit dem 16. Jahrhundert).
  2. Rudolf Schützeichel et al.: Althochdeutsch. Winter, Heidelberg 1987, S. 1110.
  3. Nach Küpper (1987) aus der Bedeutung von „kleine Grube“, seit dem 17. Jahrhundert.
  4. a b c d Hermann Fischer, HermannTaigel: Schwäbisches Handwörterbuch. 3. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 1999.
  5. Kachel. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 11: K – (V). S. Hirzel, Leipzig 1873 (woerterbuchnetz.de).
  6. Nach Küpper (1987) mit den Bedeutungen „Nachtgeschirr“ im Mittelhochdeutschen und „irdener Topf“ seit dem 15. Jahrhundert.
  7. Friedrich Kluge, Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage. De Gruyter, Berlin 2002, S. 458.
  8. gomeck.de
  9. Zitiert nach: Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Band 2. Leipzig, 1870. Sp. 1086 (zeno.org).
  10. Karl Friedrich Wilhelm Wander merkt in Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Band 2. Leipzig 1870, Sp. 1086 zu diesem Zitat an: ‚Steht hier wol in der Bedeutung von: alter Frau‘ – unter Berufung auf den Eintrag bei Grimm V, 11, 3:
    […] FISCHART, von Gargantuas kleidung redend, über seinen latz, dann so lang, weit und breit er war, so wol war er von innen proviandiert … oho, er dorft nicht wie jener baurenhebel ein gänskrag drein stecken, gleich wie die Baslerkacheln lumpen für dütten (brüste). Garg. 115a (206 Sch.), vgl. 123a (222) ein kachel für ein Baslerische köchin (ansehen); das ist wol vielmehr wie büchse, schachtel (quintipse), die man, z. b. in Thüringen, Sachsen, als schimpf-, neck- oder liebkosendes kraftwort hören kann, selbst harmlos gebraucht und ahnungslos für kinder und in frauenmund, während sie ursprünglich die weibliche scham bezeichnen; so sehr vergessen sich und schwächen sich dergleichen kraftwörter.
  11. Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 176 (zeno.org).
  12. Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale, 1878. S. 47 (zeno.org).
  13. Begebenheiten des Enkolp (Satyricon). In: Wilhelm Heinse: Sämmtliche Werke. Band 2. Leipzig, 1903. S. 90 (zeno.org).
  14. Unter den Werbern. In: Deutsches Familienblatt. Band 2 (Heft 5). Dresden 1876, S. 74 (zeno.org).