Martin Luther


Martin Luther (* 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546 ebenda) war ein deutscher Augustinereremit und Theologieprofessor, der zum Urheber der Reformation wurde. Er sah in Gottes Gnadenzusage und der Rechtfertigung durch Jesus Christus die alleinige Grundlage des christlichen Glaubens. Auf dieser Basis wollte er damalige Fehlentwicklungen der römisch-katholischen Kirche beseitigen und sie in ihrer ursprünglichen Gestalt nach dem Evangelium wiederherstellen („re-formieren“). Entgegen Luthers Absicht kam es im Lauf der Reformation zu einer Kirchenspaltung, aus der evangelisch-lutherische Kirchen und weitere Konfessionen des Protestantismus entstanden.
Luthers Theologie und Kirchenpolitik trugen zu tiefgreifenden Veränderungen der europäischen Gesellschaft und Kultur in der Frühen Neuzeit bei. Die Lutherbibel beeinflusste entscheidend die Entwicklung der neuhochdeutschen Sprache.
Leben
Herkunft, Name, Geburtsjahr

Luther war der erste Sohn des Hüttenmeisters Hans Luder (1459–1530) und seiner Frau Margarethe Lindemann (1459–1531). Sie hatten um 1479 geheiratet und waren nach Eisleben gezogen, wo Hans Luder eine Hütte pachtete. Seine Familie führte ihren Nachnamen in verschiedenen Varianten.[1] Luther wählte seine Nachnamensform um 1512 oder 1517, leitete sie vom Herzog Leuthari II. oder vom griechischen Adjektiv eleutheros („frei“) ab und benutzte zeitweise die Form Eleutherios („der Freie“).[2]
Luthers Geburtstag war der 10. November; am Folgetag wurde er auf den Vornamen des Tagesheiligen Martin von Tours getauft.[3] Luthers Geburtsjahr ist unklar; verschiedene Eigenangaben verweisen auf 1482 oder 1484. Im zweiten Fall wäre Mansfeld sein Geburtsort gewesen. 1542 hielt Luthers Mitarbeiter Philipp Melanchthon ihn für 58 Jahre alt, legte aber nach Luthers Tod 1483 als sein Geburtsjahr fest und berief sich dazu auf Martins jüngeren Bruder Jacob Luther (1490–1571).[4]
Kindheit und Jugend
Im Sommer 1484 zog Hans Luders Familie nach Mansfeld und bezog dort bald ein repräsentatives Wohnhaus gegenüber dem Schloss Mansfeld. Hier wuchs Martin mit seinem Bruder Jacob und drei Schwestern auf und lernte wohl die lokale Niederdeutsche Sprache.[5] In der Mansfelder Lateinschule (1490–1497) lernte er vor allem Grammatik, etwas Logik, Rhetorik und Musik. Ab 1491 wurde der relativ wohlhabende Vater Mitglied des Stadtrats.[6] Ab 1497 besuchte Martin rund ein Jahr lang die Magdeburger Domschule und wohnte dazu im Hieronymushaus Magdeburg. Er verkehrte auch im Haus von Paul Moßhauer, der auch aus einer Mansfelder Bergbauunternehmerfamilie stammte und Offizial des Erzbischofs Ernst II. von Sachsen war.[7]
Von 1498 bis 1501 lernte Luther auf der Pfarrschule St. Georgen in Eisenach fließend Latein zu sprechen und zu schreiben. Anfangs musste er als Kurrendensänger seinen Unterhalt verdienen, bis er in einem Wohnhaus der Familien Cotta und Schalbe unterkam (vermutlich dem heutigen „Lutherhaus Eisenach“).[8] So lernte er das vom Franziskanerorden geprägte Collegium Schalbense aus Mönchen und Bürgern kennen. Im Haus des Priesters Johannes Braun beteiligte er sich an Musizieren, Gebeten und Gesprächen über geistliche und humanistische Texte. In diesem Kreis wurde auch die heilige Anna verehrt.[9]
1501 wurde Luther in der Artistenfakultät der Universität Erfurt eingeschrieben.[10] Ob er in der Georgenburse oder im Collegium Porta Coeli wohnte, ist ungewiss.[11] Am 29. September 1502 legte er zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgreich das Bakkalaureats-Examen ab. Der Tod einiger Kollegen und Professoren infolge der Pest, die 1504/05 in und um Erfurt grassierte, stürzte ihn in eine Krise. Doch am 6. Januar 1505 schloss er seine akademische Grundbildung mit dem Magister artium ab. Als seine akademischen Lehrer nannte er später Jodocus Trutfetter von Eisenach und Bartholomäus Arnoldi von Usingen.[12] In seiner philosophischen Grundausbildung hatte er den habitus-Begriff von Aristoteles in scholastischer Interpretation kennengelernt: Wie der „leicht, sicher, lustvoll und vollkommen“ handelnde Virtuose erfülle der tugendhafte Christ leicht, spontan und freudig, was Gott fordere.[13]
Auf Wunsch seines Vaters studierte Luther im Sommersemester 1505 Jura in Erfurt, um später in die gräfliche Verwaltung eintreten und das Familienunternehmen leiten zu können. Doch als ihn am 2. Juli 1505 bei Stotternheim ein schweres Gewitter überraschte, gelobte er der heiligen Anna in Todesangst, er wolle Mönch werden, wenn sie ihn rette.[14] Am 17. Juli 1505 bat er das Augustinerkloster (Erfurt) um Aufnahme. Als Gründe für diesen Schritt vermuten Historiker, dass das Jurastudium und eventuell elterliche Pläne einer Geldheirat ihn bedrückten, die Pest und das Gewitter ihm seine Schutzlosigkeit zeigten[15] und er diese Lebenskrise im Kloster bewältigen wollte.[16]
Priesterausbildung und Theologiestudium

Nach einer ersten Generalbeichte wurde Luther wohl schon im Herbst 1505 für ein Probejahr Novize bei Johannes von Paltz, der ihn in die Klostergemeinschaft einwies.[17] Ab April 1506 wurde der Generalvikar der Augustinereremiten Johann von Staupitz Luthers Beichtvater und Seelsorger. Die Ordensoberen hatten Vertrauen in Luthers Entwicklung und erwarteten einiges von ihm, während er selbst ein Ungenügen empfand.[18] Mit seiner Profess im September 1506 wurde er endgültig als Mönch aufgenommen. Seine Vorgesetzten legten fest, dass er Priester werden und anschließend Theologie studieren sollte.[19] Am 4. April 1507 weihte ihn Weihbischof Johann Bonemilch von Laasphe im Erfurter Dom zum Priester.[20]
Dann begann Luther das Theologiestudium. Sein wichtigstes Lehrbuch war Gabriel Biels Sentenzenkommentar (Collectorium), der Wilhelm von Ockhams Lehre mit anderen scholastischen Lehrmeinungen ausglich[21] und (anders als Thomas von Aquin und das Konzil von Trient) ein pelagianisches Verständnis von Willensfreiheit vertrat. Luthers spätere reformatorische Theologie war auch ein Gegenentwurf zu Biels Ockhamismus.[22]
Auf Empfehlung von Staupitz versetzte die deutsche Augustinerkongregation Luther am 18. Oktober 1508 nach Wittenberg.[23] Dort sollte er an der Artistenfakultät Moralphilosophie lehren und zugleich wie damals üblich weiterstudieren. Im März 1509 erwarb er den Grad des Baccalareus biblicus. Nach einem weiteren Semester disputierte er für den nächsten Grad des Baccalaureus sententiarius. Bevor er seine Antrittsvorlesung halten konnte, rief sein Kloster ihn jedoch ohne Absprache mit Staupitz überraschend zurück.[24] Luther traf noch 1509 wieder in Erfurt ein.[25] Seitdem las er De trinitate und De civitate Dei von Augustinus von Hippo, doch noch nicht dessen Auseinandersetzung mit den Pelagianern.[26] Im Frühjahr 1510 hielt Luther am Erfurter Dom seine Sentenzenvorlesung und wurde zum Baccalaureus sententiarius ernannt.[27] Im Wintersemester 1510 lehrte er als Sententiar in Erfurt[24] und zog dann ganz nach Wittenberg.[28]
Dem Renaissance-Humanismus verdankte Luther das Interesse an den biblischen Sprachen.[29] 1506 erwarb er das Lehrbuch Johannes Reuchlins De rudimentis hebraicis und brachte sich damit die hebräische Sprache selbst bei. 1512 erwarb er zudem Reuchlins Ausgabe der sieben Bußpsalmen (Septem psalmi poenitentiales) mit hebräischem Text, lateinischer Übersetzung und grammatischen Erläuterungen.[30] Luther hatte zu den Erfurter Humanisten Crotus Rubeanus, Mutianus Rufus (ab 1515)[31] und Johann Lange Kontakt, gehörte aber nicht zu ihrem Kreis. Er interessierte sich für Autoren der Antike und besaß früh das griechische Neue Testament (NT) von Erasmus von Rotterdam.[32]
Romreise
Ende 1510 oder später reiste Luther mit einem Mitbruder nach Rom, eventuell um dort im Auftrag der Augstinereremiten gegen die von der Münchner Ordensleitung befohlene Vereinigung der strengen Observanten mit den liberaleren Augustinerklöstern der sächsischen Ordensprovinz zu protestieren.[33] Falls er die Romreise erst 1511/12 antrat, wäre er von Wittenberg aufgebrochen und wohl nicht gegen die Vereinigungspläne der Augustiner aufgetreten, sondern weiter als Unterstützer seines Beichtvaters Staupitz. Luther hatte seine Herkunftsregion zuvor noch nie verlassen und reiste nie wieder so weit und lange fort. Er nutzte seinen etwa vierwöchigen Romaufenthalt auch für seine dritte Generalbeichte und besuchte viele Gnadenorte.[34] Laut Johannes Wallmann beteiligte sich Luther damals an der römischen Buß- und Ablasspraxis und war zwar entsetzt über den dortigen Unernst und Sittenverfall, aber unbeirrt in seinem Glauben an die Kirche.[35] Nach Volker Leppin war Rom für Luther noch 1519 die von Gott besonders beachtete Kirche des Simon Petrus, des Paulus von Tarsus und der vielen Märtyrer. Wegen Luthers Eigenaussagen sei seine Romreise eventuell eine Pilgerreise, keine Dienstreise gewesen. Erst in späten Tischreden habe er Verfallserscheinungen in Rom erwähnt, die er auch aus anderen Quellen gekannt haben könne.[36]
Aufgaben in Wittenberg
Auf Staupitz’ Rat zog Luther im September 1511 von Erfurt nach Wittenberg, der Hauptstadt von Kursachsen, und bewarb sich für ein theologisches Doktorat. Die dortige Leucorea und das Augustinerkloster Wittenberg waren damals noch im Aufbau.[37] Beim Ordenskapitel der Augustinereremiten in Köln am 5. Mai 1512 unterstützte Luther wahrscheinlich Staupitz in ordensinternen Konflikten. Das Kapitel ernannte Luther zum Subprior und Studienleiter sowie Klosterprediger der Wittenberger Ordensniederlassung. Er sollte die Bibelprofessur, die zuvor Staupitz innehatte, auf Lebenszeit übernehmen. Kurfürst Friedrich der Weise war deshalb bereit, die Promotionskosten zu übernehmen.[38]

Da Kursachsens Gebiet zu mehreren Bistümern gehörte, befand sich Luthers Landesherr kirchenpolitisch in einer starken Position. Das Allerheiligenstift in Wittenberg samt der inkorporierten Stadtkirche unterstand jedoch direkt dem Papst.[39] Weil dessen Kantor Ulrich von Dinstedt seine Aufgabe als Prediger an der Stadtkirche nicht wahrnahm, erhielt Luther den Predigtauftrag. Er bezog daraus seine für lange Zeit einzigen persönlichen Einkünfte (jährlich 8 Gulden 12 Groschen). Luthers erste sicher datierten Predigten stammen aus dem Jahr 1514.[40] Auf dem Kongregationskapitel in Gotha am 1. Mai 1515 wurde er zum Provinzialvikar ernannt und übernahm damit zusätzlich Leitungsaufgaben in seinem Orden, die mit einer erheblichen Visitations- und Reisetätigkeit verbunden waren.[41] Als Vikar unterstanden ihm zehn Konvente, darunter sein ehemaliger Heimatkonvent in Erfurt. Dort setzte er 1516 Johann Lange zum Prior ein, dem er als Subprior unterstand und zugleich als Vikar dessen Vorgesetzter war.[42]
Professor für Bibelauslegung

Im Oktober 1512 wurde Luther durch Andreas Bodenstein an der Leucorea zum doctor theologiae promoviert. Sein Doktoreid verpflichtete ihn auf die Heilige Schrift und die theologische Erschließung ihres Gehalts. Darauf berief er sich im späteren Konflikt mit der Papstkirche.[43] In Wittenberg bot Luther pro Semester eine zweistündige Vorlesung an.[44] In Luthers erhaltener ersten Psalmenvorlesung (1513–1515), dem Wolfenbütteler Psalter, legte er den lateinischen Vulgata-Text noch traditionell mit dem vierfachen Schriftsinn aus, betonte aber schon: Alle Psalmen handelten von Jesus Christus. Da sie vor dem irdischen Leben des Jesus von Nazaret entstanden seien, täten sie dies im Literalsinn, aber auf prophetische Weise (sensus litteralis propheticus). Diesen hermeneutischen Zugang verdankte Luther seinem Mentor Staupitz.[45]
Seine Römerbriefvorlesung (1515/16) bereitete Luther schon nach dem griechischen NT vor, legte aber für seine Studenten weiter den lateinischen Text zugrunde. Hier rückte er allmählich vom vierfachen Schriftsinn ab und zitierte sehr oft Augustin nach dem achten Band einer Werkausgabe (Basel 1506). Darin enthaltene antipelagianische Texte wie De spiritu et littera halfen ihm zum systematisch-theologischen Verstehen des Römerbriefs und der paulinischen Theologie insgesamt.[46]
Im Wintersemester 1516/1517 las Luther über den Brief des Paulus an die Galater, dann zeitlich parallel zum Ablassstreit zwei Semester über den Brief an die Hebräer.[44] Nur von wichtigen biografischen Ereignissen unterbrochen, las er regelmäßig bis November 1545 über ein biblisches Buch (lectura in biblia).[47] Dabei wählte er oft Themen aus dem Alten Testament (AT), wohl weil er seine Hebräischkenntnis höher als seine Griechischkenntnis einstufte. Nur vier von 32 Jahren seiner Bibelprofessur widmete er NT-Schriften.[48]
Im August 1518 berief die Universität Wittenberg Philipp Melanchthon an den neu eingerichteten Lehrstuhl für Altgriechische Sprache. Er wurde Luthers engster Mitarbeiter.
Reformatorische Wende
Wann Luther entdeckte und formulierte, dass der Mensch Gottes Gerechtigkeit allein aus Gnade (sola gratia) empfangen kann, ist ungewiss. Seine an Röm 1,17 LUT angelehnte Randnotiz Justus Ex fide vivit („Der Gerechte lebt aus Glauben“) in einem Werk des Baptista Mantuanus wird auf 1508 datiert. Luther schrieb dieser Glosse später eine wesentliche Rolle bei seinem Weg zur Reformation zu.[49] In einem Rückblick von 1545 beschrieb er den eigentlichen Wendepunkt als unerwartete Erleuchtung in seinem Arbeitszimmer im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters. Dieses „Turmerlebnis“ wird abhängig von seinem Inhalt verschieden datiert (1511–1513; 1515 oder um 1518). Luther beschrieb es als große Befreiung bei seiner Vorbereitung auf seine zweite Psalmenvorlesung (also zwischen Frühjahr und Herbst 1518). Wie ein Brief Luthers an Staupitz zeigt, hatte er damals große Probleme mit dem Bußsakrament und fühlte sich trotz seines untadeligen Lebens als Mönch vor Gott als Sünder, unfähig, den strafenden Gott zu lieben.[50] In der einsamen Meditation über Röm 1,17 habe er plötzlich entdeckt, was er seit einem Jahrzehnt vergeblich gesucht hatte:
„Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche aus dem Glauben kommt und zum Glauben führt; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben.“
Dieser Vers habe ihn zu seinem neuen Schriftverständnis geführt: Gottes ewige Gerechtigkeit sei ein reines Gnadengeschenk, das dem Menschen nur durch den Glauben an Jesus Christus gegeben werde. Keine Eigenleistung könne dieses Geschenk erzwingen. Auch der Glaube, das Annehmen der zugeeigneten Gnade, sei kein menschenmögliches Werk.
Ob diese Erkenntnis einen Bruch mit der gesamten mittelalterlichen Theologie einschloss, ist in der Lutherforschung umstritten. Laut Volker Leppin war die spätmittelalterliche christliche Mystik eine Wurzel von Luthers Gnadentheologie, besonders die Predigten Johannes Taulers.[51] 1516 veröffentlichte Luther die Theologia deutsch eines unbekannten Mystikers, den er mit Tauler identifizierte. Das Werk bestärkte ihn in seiner wachsenden Ablehnung äußerlicher kirchlicher Riten.[52] Er benutzte auch die von Johannes Mauburnus zusammengestellte Meditationsanleitung Rosetum (1494) aus dem Umfeld der devotio moderna oft[53] und kannte Schriften von Pseudo-Dionysius Areopagita und Jean Gerson.[54] Besonders schätzte er Bernhard von Clairvaux, bei dem das irdische Leben Jesu im Zentrum stand. Die erinnernde Betrachtung der Passion Jesu solle den Menschen zum Mitleiden mit Christus bewegen. Staupitz vermittelte Luther als Seelsorger und Beichtvater diese spätmittelalterliche mystische Tradition.[55]
Als Luther seine Kreuzestheologie entwickelte, befasste er sich intensiv mit mystischer Literatur. Gott könne wahrhaft nur auf dem Weg des Kreuzes erkannt werden, den er selbst in seinem menschgewordenen Sohn gegangen sei: Dieser Gedanke Luthers kann von Taulers Kreuzesmystik geprägt worden sein.[56] Jedoch widersprach Luther auch einigen Grundannahmen der Mystik, lehnte eine menschliche Mitwirkung an der Erlösung ab und verneinte zuletzt auch die Möglichkeit, der Mensch könne sich oder seinen Willen mit Gott oder dessen Willen in diesem Leben vereinen (unio mystica). Insgesamt bestritt er die mittelalterliche Annahme, dass Rechtfertigung und Heiligung im Heilsprozess miteinander verbunden seien.[57] Das betonte sola gratia ließ sowohl einen Willen zur Reform der katholischen Kirche als auch einen Willen zum Bruch mit ihr erkennen.[58]
Streit um den Ablass (1517–1518)
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Papst Leo X.
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Albrecht von Brandenburg
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Beichtbrief Albrechts zugunsten des Petersdoms, 1516/17
Papst Leo X. war seit seinem Amtsantritt 1513 für den Weiterbau des Petersdoms in Rom verantwortlich. Im gleichen Jahr ernannte er Albrecht von Brandenburg trotz fehlender Qualifikation durch einen teuer bezahlten Dispens zum Erzbischof von Magdeburg und gab ihm zudem 1514 gegen geltendes Kirchenrecht das Bistum Mainz. Im Sommer 1514 schlug Albrecht dem Papst vor, in seinen drei Bistümern acht Jahre lang einen Ablass zu verkünden, dessen Einnahmen je zur Hälfte für den Petersdom und zum Bezahlen von Albrechts Schulden bestimmt sein sollten. Für die Zusage, den Ablass nicht vorzeitig zu beenden, keine konkurrierenden Ablässe zu gewähren und den Preis für Albrechts Ämterhäufung nicht zu steigern, versprach er dem Papst eine Sofortzahlung von 10.000 Kammerdukaten.[59] Leo erließ daraufhin am 31. März 1515 die päpstliche Bulle Sacrosanctis und hielt die Ablassdetails im Frühjahr 1516 wunschgemäß als schriftlichen Vertrag fest.[60] Der entsprechende Ablassbrief erließ Käufern bei einer sofort und in der Todesstunde abgelegten Beichte die zeitliche Sündenstrafe im Fegefeuer für fast alle Sünden und hob fast alle Gelübde auf (außer Klostergelübde).[61]
Ab 22. Januar 1517 ließ der Dominikaner Johann Tetzel als Generalsubkommissar für die Ablasskampagne[62] eine vergröbernde Ablassanweisung drucken, um deren finanziellen Ertrag zu erhöhen. Er verdiente kräftig daran, durfte jedoch nicht in Kursachsen aktiv werden. Dessen Kurfürst Friedrich III. sah die Werbung für den Plenarablass als Konkurrenz für seinen Wallfahrtsort, eine Reliquiensammlung in Wittenberg. Auch dort konnte man an bestimmten Feiertagen enorme Ablassgnaden kaufen. Darum wollte er den Abfluss von Einkünften aus Kursachsen in das rivalisierende Brandenburg verhindern.[63]
Weil dennoch viele Wittenberger ihren Ablassbrief in nahen Orten Brandenburgs erwarben und manche dann bei der Beichte eine Lossprechung von Sünden ohne Buße verlangten, erfuhr Luther als Beichtvater von der Ablasskampagne.[64] Schon ab 1514 hatte er den Ablasshandel in Vorlesungen und Predigten kritisiert, etwa als „billige Gnade“ der Kirche.[65] In seinem Traktat über die Ablässe bejahte er diese noch teilweise. Im Sommer 1517 begann er überraschend, sich auch mit der Scholastik auseinanderzusetzen.[66] Im Spätsommer las er Tetzels Ablassanweisung.[67] Mit 97 Thesen vom 4. September 1517 wollte er eine Disputation über die scholastische Theologie unter seinen Mitdozenten anregen. Seine Disputatio contra scholasticam theologiam wandte sich erstmals ausführlich gegen die herrschende Scholastik, die auf der Philosophie des Aristoteles aufbaute.[68] Diese Kritik brachte ihn zunehmend in Konflikt mit kirchlichen Autoritäten und machte ihn öffentlich bekannt. Zudem gelangte er dadurch zu Glaubenseinsichten zum Bußsakrament, das ihn schon länger beunruhigte.[69]

In einem Brief an Erzbischof Albrecht vom 31. Oktober 1517 äußerte Luther seine Sorge über Ablassmissverständnisse in der Bevölkerung. Er nehme an, Tetzel habe seine Ablassanweisung ohne Kenntnis und Zustimmung Albrechts verfasst. Dass hinter der Kampagne der Papst stand, wusste Luther noch nicht. Er unterschrieb als Doktor der Theologie und legte dem Brief 95 Thesen bei, die er ebenfalls für eine akademische Disputation verfasst hatte. Darin forderte er, die bisherige Ablasspraxis abzuschaffen, da sie dem Evangelium widerspreche. Der bequeme Erwerb von Ablassbriefen statt einer aufrichtigen Buße entspreche nicht der Berufung der Gläubigen, „Christus durch Leiden Tod und Hölle nachzufolgen“ und „durch viel Trübsal in den Himmel einzugehen.“ Indem er an das neutestamentliche Verständnis der Buße als einer lebenslangen Glaubensübung anknüpfte (These 1), stellte er das ganze mittelalterliche Ablasswesen in Frage.[70] Dabei galt sein Protest eher der darin manifesten verkehrten Bußgesinnung als den Finanzpraktiken der römischen Kirche.[71] Dabei glaubte er, im Einklang mit dem amtierenden Papst gegen schädliche Missbräuche vorzugehen: „Wenn […] die Ablässe nach dem Geist und Sinn des Papstes gepredigt würden, so ließen sich alle Einwände leicht entkräften.“ Allerdings sah er die Aufgabe des Papstes nur in der Fürbitte für die Gläubigen und sprach ihm damit die Schlüsselgewalt zur Aufhebung jenseitiger Sündenstrafen ab, die ihm die schultheologische Ablasslehre zusprach.[70]
Für eine akademische Debatte sandte Luther die 95 Thesen eventuell auch an seine Universitätskollegen[72] und andere Gelehrte und erbat deren Meinung dazu.[73] Mit weiteren Briefen wandte er sich wohl auch an andere Bischöfe der Region.[74] So wollte auch der Merseburger Bischof Adolf II. (ab 1521 ein Gegner Luthers) die 95 Thesen „an vielen Orten angeschlagen“ sehen, um die „armen Leute“ vor Tetzels „Betrug“ zu warnen.[70]

Laut Melanchthon schlug Luther die Thesen am 31. Oktober 1517 am Hauptportal der Schlosskirche Wittenberg an. Diese lange als Legende eingestufte Angabe wurde durch eine 2006 entdeckte Notiz Georg Rörers wieder wahrscheinlicher. Die 95 Thesen kursierten in Handschriften und wurden im Dezember 1517 in Nürnberg, Leipzig und Basel gedruckt. Daraufhin verwarf auch Erasmus 1518 im Vorwort seines Enchidrion militis christiani den Ablasshandel als Missbrauch[70] und schickte Luthers Thesen an Thomas Morus nach England.[75]
Spätestens im Dezember 1517 erhielt Tetzel Luthers Thesen[59] und trat ihnen am 20. Januar 1518 an der Universität Frankfurt an der Oder mit einer Disputation über den Ablass entgegen. Seine Gegenthesen stellte Konrad Wimpina auf; sie bekämpften Luthers Thesen als Irrtümer, interpretierten die Buße strikt als Sakrament und bekräftigten die gängige Ablasspraxis und die dahinter stehende Ekklesiologie.[76]
In seinem deutschsprachigen Sermon von dem Ablass und Gnade vom März 1518 erklärte Luther den Ablass als Mittel für faule Christen. Man solle lieber den Armen helfen und freiwillig zum Bau des Petersdoms Geld spenden. Ob der Ablass den Toten nütze, sei ungewiss; besser sei die Fürbitte für sie. Der Sermon wurde Luthers erster großer literarischer Erfolg.[77] Bis April 1518 meldete sich Theologieprofessor Johannes Eck in Ingolstadt als gewandter Gegner Luthers zu Wort. Beide lieferten sich einen polemischen Schlagabtausch, Christoph Scheurl versuchte zu vermitteln.[78]
Römischer Prozess (1518–1520)
Albrecht von Brandenburg sandte Luthers 95 Thesen am 13. Dezember 1517 an den Vatikan[79] und beantragte ein Gutachten der Universität Mainz. Dieses empfahl der römischen Kurie am 17. Dezember 1517, Luthers Rechtgläubigkeit bei einem Ketzerprozess zu prüfen, da seine Thesen offenbar die Macht des Papstes zur Ablasserteilung begrenzten und damit von der Kirchenlehre abwichen. Ab Januar 1518 wurde Luthers Fall in der Kurie aktenkundig.[80] Mit einem Breve vom 3. Februar 1518 bat Papst Leo den Generalsuperior der Augustinereremiten Gabriel della Volta, auf Luther einzuwirken, damit er dem Volk keine neuen Lehren verkünde.[81]
Am 26. April 1518 leitete Luther beim Generalkapitel der sächsischen Reformkongregation der Augustinereremiten in Heidelberg die öffentliche Heidelberger Disputation. Darin stellte er die an Paulus und Augustin orientierte Kreuzestheologie (theologia crucis) in einen ausschließenden Gegensatz zur scholastischen Herrlichkeitstheologie (theologia gloriae). Damit gewann er einige Anhänger unter den anwesenden Theologen, die später auch Reformatoren wurden.[82]
Im März 1518 hatten die sächsischen Dominikaner Luther wegen Ketzerei in Rom angezeigt. Die Kurie beauftragte daraufhin den Fiskalprokurator Mario de Perusco, einen kanonischen Prozess gegen Luther einzuleiten. Als Luther davon erfuhr, sandte er dem Papst über Staupitz am 30. Mai 1518 seine 95 Thesen mitsamt einer ausführlichen Erläuterung zu (Resolutiones). Darin berief er sich auf die Freiheit des Christen, sich auf das reine unverfälschte Gotteswort der Bibel zu stützen und alle Lehrmeinungen der Scholastiker abzulehnen, die nicht biblisch begründet seien. Zudem griff er die „Höflinge“ der Kurie und Kirchenfürsten als profitgierige Reformgegner an. In seinem Begleitbrief kennzeichnete er die Ablassprediger als die wirklichen Ketzer, die Leos Namen in Verruf brächten, und griff Irrlehrer an, die die Kerninhalte der Bibel zur Majestät Gottes mit den „Träumereien des Aristoteles“ vermischten. Gemeint war der Thomismus der Dominikaner. Er schloss einen Widerruf seiner Ablasskritik aus, stellte sich als ungebildeter, nur an der Wahrheit interessierter, von neidischen Feinden verleumdeter Einzelchrist dar und verwies zugleich auf seinen Beschützer Kurfürst Friedrich III. Zuletzt unterwarf er sich ganz dem Urteil des Papstes, in dem die Stimme Christi herrsche und spreche: „Wenn ich den Tod verdient habe, werde ich mich nicht weigern zu sterben.“[83]
Im Juni 1518 beauftragte Papst Leo daraufhin den Hoftheologen Silvester Mazzolini, genannt Prierias, zu einem Gutachten zu Luthers Thesen, und den Kurienbeamten Girolamo Ghinucci, Luther nach Rom zu zitieren, falls der Häresieverdacht zutreffe.[84] Das Gutachten stellte das Grundproblem, die Frage der Autorität von Kirche und Papst, klar heraus[85] und erklärte sowohl die Lehre als auch die Praxis der Kirche für unfehlbar: „Wer mit Blick auf die Ablässe sagt, die römische Kirche dürfe das nicht tun, was sie tatsächlich tut, der ist ein Ketzer.“[86] Im Juli 1518 eröffnete die Kurie das Verfahren gegen Luther und gab ihm eine Frist von 60 Tagen, sich in Rom einzufinden, um sich dort gegen den Ketzereivorwurf zu rechtfertigen. Nach Erhalt der Zitation am 7. August 1518 erreichte Friedrich III., dass man Luther auf dem Reichstag zu Augsburg verhörte.[85]
Im August 1518 ließ Luther die Resolutiones drucken und sandte sie auch an Bischof Albrecht. Darin zeigte er, dass die 95 Thesen die Diskussion anregen sollten, und äußerte sich zum Fegefeuer: „Mit dem strafenden Umgang Gottes mit den Toten konnte Luther nichts anfangen. Entweder sind ihnen die Sünden vergeben, dann sind die Toten in der Gemeinschaft Gottes, oder sie sind ihnen nicht vergeben, dann sind sie in der Hölle.“[87] Am 23. August 1518 stellte der Papst in einem Breve Luthers notorische, offenkundige Ketzerei fest. Damit war die Beweiserhebung weitgehend abgeschlossen. Kardinal Thomas Cajetan sollte Luther beim Reichstag in Augsburg festnehmen. Am 25. August 1518 forderte auch der Protomagister der Augustinereremiten vom sächsischen Ordensprovinzial Gerhard Hecker schriftlich Luthers Festnahme und bedrohte alle seine Helfer mit einem Interdikt.[88]

Vom 12. bis 14. Oktober 1518 traf Luther in Augsburg mehrmals den Kardinal Cajetan. Dieser durfte ihn bei einem verweigerten Widerruf exkommunizieren, festnehmen und nach Rom deportieren lassen.[89] Zugleich war er bereit, Luthers Widerruf väterlich anzunehmen; Luther aber wollte diskutieren. Am dritten und letzten Tag seines Verhörs erläuterte er Cajetan sein Verständnis des Bußsakraments und seine Deutung von Röm 1,17 schriftlich:[90] Das gesprochene Absolutionswort vermittle dem Glaubenden im Bußsakrament persönliche Heilsgewissheit. Dabei sah er seine Lehre noch als übereinstimmend mit der Lehre der Kirche an. Cajetan dagegen beurteilte Luthers Auffassung als „unkatholisch“ und meinte, daraus würde der Bau einer „neuen Kirche“ folgen. Denn nach katholischer Lehre gründe sich die Heilsgewissheit nicht auf ein unmittelbares Gottesverhältnis, sondern auf die Zugehörigkeit zur Kirche als Heilsmittlerin. Cajetan erkannte, dass das Primat der persönlichen Heilsgewissheit dem Gefüge der Papstkirche als Heilsanstalt widersprach und dass Luther über den Gnadenschatz die Lehre vom Papst als Stellvertreter Jesu Christi und damit die päpstliche Autorität angriff.[89] Nach dem Verhör wartete Luther einige Tage und verabschiedete sich dann am 18. Oktober per Brief von Cajetan: Da er nicht widerrufen wolle, könne er nicht vor den Kardinal zurückkehren und wolle sich von Augsburg „anderswohin“ begeben. Am Abend des 20. Oktober ließen ihn Freunde durch ein kleines Stadttor hinaus und gaben ihm ein Pferd, mit dem er bis 31. Oktober nach Wittenberg zurückritt.[91]
Wegen Luthers Argumenten ließ Cajetan die unklar formulierte Bulle Unigenitus Dei filius (1343) am 9. November 1518 dogmatisch fixieren. Mit der Dekretale Cum postquam stellte Leo X. fest, der Papst könne mit seiner Schlüsselgewalt Sündenstrafen durch Austeilung des Schatzes der Verdienste Christi und der Heiligen nachlassen. Der Ablass für die Toten wirke durch Fürbitten.[92] Die nachträgliche Präzisierung enthielt keine Begründung durch Bibel- oder Kirchenväterzitate und diente dazu, dass die Kurie Luthers Position als häretisch verurteilen konnte.[89]
Inzwischen hatte Cajetan Kurfürst Friedrich per Brief aufgefordert, Luther entweder nach Rom auszuliefern oder aus dem Kurfürstentum Sachsen zu vertreiben. Der Kurfürst wollte neben Luther auch den Ruf der Wittenberger Universität schützen und antwortete daher am 7. Dezember 1518, Gelehrte hätten Luthers Sache noch nicht genug diskutiert. Bis dahin betrachte man ihn in Kursachsen nicht als Ketzer und behalte ihn im Lande. Aus politischen Rücksichten vermied die Kurie einen Kirchenbann gegen Luther.[93]
Nach dem Tod von Kaiser Maximilian I. am 12. Januar 1519 wurde sein Enkel Karl V. sein Nachfolger. Da dieser auch das Königreich beider Sizilien regierte, drohte dem Kirchenstaat eine Umklammerung.[94] Darum ließ Papst Leo Luthers Prozess zunächst ruhen und beauftragte den Nuntius Karl von Miltitz, Friedrich III. für eine friedliche Lösung in der Glaubensfrage zu gewinnen.[95] Die dabei erzielten Vereinbarungen blieben jedoch wirkungslos, weil Luther in die Kontroverse zwischen Andreas Bodenstein (Karlstadt) und Johannes Eck hineingezogen wurde und diese auf der Leipziger Disputation (4. bis 14. Juli 1519) öffentlich austrug. Zuvor veröffentlichte er seine Thesenreihe gegen Eck mit der offensiven Schlussthese: „Daß die römische Kirche über die anderen gestellt sei, wird bewiesen aus den ganz kalten Dekreten der römischen Päpste, die in den letzten 400 Jahren entstanden sind. Gegen sie stehen die anerkannte Geschichtsdarstellung von 1100 Jahren, der Text der [Heiligen] Schrift und das Dekret des für alle heiligen Konzils von Nicaea, welches die Gleichrangigkeit der altkirchlichen Patriarchate festgelegt hatte.“[96] Damit isolierte sich Luther auch im Kollegenkreis und radikalisierte seine Position: Das Papsttum konnte er nur als irdische Institution ohne den Nimbus einer überirdischen Stiftung und Berufung anerkennen. Die Päpste seien nicht irrtumslos und hätten nicht das Monopol der richtigen Bibelauslegung.[97]
Auf dem Höhepunkt der Disputation mit Eck argumentierte Luther mit der Gleichrangigkeit der altkirchlichen Patriarchate. Daraufhin bezeichnete Eck ihn als Anhänger des als Häretiker verbrannten Jan Hus, der diese Meinung vertreten habe, und konfrontierte ihn mit dem Konzil von Konstanz, das Hus verurteilt hatte. Bis dahin hatte Luther an der Autorität von Konzilsbeschlüssen festgehalten, musste nun aber einräumen: „Auch Konzile können irren.“ Damit verließ er nach Ecks Urteil die Kirchengemeinschaft.[98]
Nach Karls Wahl zum neuen Kaiser am 28. Juni 1519 nahm die Kurie im Frühjahr 1520 Luthers Häresieprozess wieder auf. Nach einem weiteren ergebnislosen Verhör vor Cajetan erließ der Papst am 15. Juni 1520 die Bulle Exsurge Domine. Sie drohte Luther den Kirchenbann an und verdammte 41 seiner Aussagen, davon 40 wörtliche Zitate, zu den Themen Buße, Ablass, Fegefeuer, Papsttum und Anthropologie, ohne sie argumentativ zu widerlegen. Sie gab Luther und seinen Anhängern eine Frist von 60 Tagen zum Widerruf ihrer Irrtümer. Johannes Eck und der Humanist Hieronymus Aleander sollten die Bulle bekannt machen.[99]

Reichstag zu Worms (1521)
Im Oktober 1520 widmete Luther Papst Leo seine Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen und appellierte an ein neues Konzil. Am 10. Dezember 1520 fand vor dem Wittenberger Elstertor auf Einladung Melanchthons eine Bücherverbrennung statt. Dabei warf deren Organisator Johannes Agricola mehrere Bände des Kanonischen Rechts, das Beichthandbuch des Angelus de Clavasio von 1488 sowie einige Schriften von Johannes Eck und Hieronymus Emser ins Feuer. Dann warf Luther einen Druck der Bannandrohungsbulle hinein.[100]
Am 3. Januar 1521 wurde Luther mit der Bannbulle Decet Romanum Pontificem exkommuniziert.[101] Dies und seine reformatorischen Hauptschriften machten ihn im ganzen Reich bekannt. Der Buchdruck, die allgemeine soziale Unzufriedenheit und politische Reformbereitschaft verhalfen ihm zu einem außergewöhnlichen publizistischen Erfolg: Bis zum Jahresende waren 81 Einzelschriften und Schriftsammlungen von ihm in insgesamt 653 Auflagen erschienen, vielfach in andere Sprachen übersetzt.[102] In vielen Ländern regten sich ähnliche Reformbestrebungen, die stark von den politischen Spannungen zwischen Fürstentümern und Zentralmächten bestimmt wurden.

Kurfürst Friedrich erreichte auf dem Verhandlungsweg, dass Luther seine Position beim nächsten Reichstag zu Worms (1521) nochmals erläutern und verteidigen durfte.[103] Luther reiste am 2. April 1521 mit Johannes Zacharias Petzensteiner, Nikolaus von Amsdorf, Petrus Suawe und Justus Jonas nach Worms.[104] Am 17. April 1521 stand er vor Kaiser Karl V. und den im Bischofshof (Worms) versammelten Fürsten und Reichsständen, die ihn verhörten und letztmals zum Widerruf aufforderten. Nach einem Tag Bedenkzeit und im Wissen, dass dies seinen Tod bedeuten könne, lehnte er mit den Worten ab:
„… wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“[105]
Der überlieferte letzte Satz „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ ist nicht in den Verhandlungsprotokollen, doch als deutschsprachiger Zusatz zum lateinischen Redemanuskript Luthers belegt: „Ich kann nicht anderst/ hie stehe ich/ Got helff mir/ Amen.“ Wahrscheinlich ergänzte Luther den Satz nach seinem letzten Gespräch mit Johann von Eck am 25. April 1521, um seine ungewisse Situation als Bekenner des Evangeliums auszudrücken. Als Druck Johann Gronenbergs in Wittenberg wurde dieses Manuskript weit verbreitet.[106]
Am 19. April verhandelte der Kaiser mit den Ständen über das weitere Vorgehen und erklärte ihnen, als Schutzherr des katholischen Glauben werde er alles in seiner Macht Stehende gegen diesen notorischen Häretiker unternehmen; das erwarte er auch von den Ständen. Diese wollten am 20. April nochmals einen Ausgleich suchen und uther von seinen Irrtümern überzeugen. Am 22. April gewährte der Kaiser ihnen dazu drei Tage Zeit, danach sollte die Reichsacht unmittelbar ausgehen.[107] Eine reichsständische Kommission versuchte daraufhin, Luther um der Einheit der Kirche willen zum Einlenken zu bewegen. Die beiden Humanisten Hieronymus Vehus[108] und Konrad Peutinger kamen Luther als Unterhändler dabei sehr weit entgegen. Jedoch blieben auch diese Gespräche ergebnislos. Am Abend des 25. April forderte ein kaiserlicher Rat Luther daher offiziell zum Aufbruch auf. Luther wusste bereits, dass sein Landesherr ihn in Sicherheit bringen würde.[109]
Vom 26. April bis 2. Mai 1521 reisten Luther und seine Begleiter von Worms nach Eisenach. Luther wollte dann mit Petzensteiner und von Amsdorff zu Verwandten in Möhra weiterreisen. Am 4. Mai überfielen mehrere mit Armbrust bewaffneter Reiter die drei wie geplant bei Schloss Altenstein und brachten Luther zur Wartburg.[110] Am 26. Mai verhängte der Wormser Reichstag das vom Kaiser unterzeichnete, auf den 8. Mai zurückdatierte Wormser Edikt über ihn. Mit Berufung auf die Bannbulle verbot es im gesamten Reich, Luther zu unterstützen oder zu beherbergen, seine Schriften zu lesen oder zu drucken, und gebot, ihn festzusetzen und dem Kaiser zu überstellen. Dies wirkte bis 1531 als effektives Mittel zur Unterdrückung der reformatorischen Bewegung. Obwohl nur wenige Daten in den Reichstagsakten dies belegen, hatte Friedrich III. am 23. Mai 1521 mit Karl V. eine Absprache zur Anwendung der Reichsacht im Kurfürstentum Sachsen getroffen. Darum erhielt dieses kein Achtmandat zugestellt.[111] Weil der Kaiser keinen Konflikt mit einem mächtigen Kurfürsten wagte, konnte Friedrich das Wormser Edikt jahrelang ignorieren. So wurde Luther gerettet.[112]
Auf der Wartburg (1521–1522)
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Luther als „Junker Jörg“. Lucas Cranach der Ältere, 1522
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Lutherstube auf der Wartburg um 1900
Auf der Wartburg wurde Luther bis zum 1. März 1522 in einer Stube und Schlafkammer für adlige Gefangene einquartiert und vom Burghauptmann Hans Sittich von Berlepsch beaufsichtigt. Er legte die Tonsur und das Verhalten eines Mönchs ab und nahm Kleidung, Haar- und Barttracht eines Ritters („Junker Jörg“) an.[113] Alle Kontakte nach außen kontrollierte Georg Spalatin, der die ein- und abgehenden Schriften im Sinne der kursächsischen Politik weitergab oder zurückhielt.[114] Luther verfasste viele Schriften und versuchte, die von der Reformation ausgelöste Wittenberger Bewegung zu beeinlussen. Deren Wortführer waren die Prediger Karlstadt an der Stadtkirche und Gabriel Zwilling im Augustinerkloster; Melanchthon wurde als Laie in dieser Rolle nicht akzeptiert. Luther versuchte erfolglos, ihm einen Predigtauftrag zu verschaffen.[115]
An Weihnachten 1521 ließ Karlstadt das Abendmahl in einer schlichten Form mit der Kelchkommunion und ohne vorherige Beichte und Fasten feiern. An Neujahr, dem folgenden Sonntag und beim Epiphaniasfest nahmen jeweils über tausend Menschen an dieser neuen Abendmahlsform teil.[116] Im Mai 1521 heirateten die ersten Priester und folgten damit Luthers Kritik am Zölibat. Trotz Disziplinarmaßnahmen ihrer Bischöfe folgten 1521/22 viele Kleriker ihrem Beispiel. Zudem traten viele Mönche aus Klöstern aus, was die Gültigkeit der Klostergelübde in Frage stellte. Luthers eigener Konvent geriet in eine schwere Krise, so dass Wenzeslaus Linck für den 6. Januar 1522 ein außerordentliches Kapitel nach Wittenberg einberief. Dafür schrieb Luther im November 1521 ein Gutachten über die Mönchsgelübde und betonte darin die Freiheit des Evangeliums: Ein Gelübde, das als notwendig für den Ordensstand abgelegt worden sei, um Gerechtigkeit und Heil zu finden, verstoße gegen die evangelische Freiheit und sei nichtig. Spalatin hielt diese brisante Schrift bis Februar 1522 zurück.[117]
Anfang Dezember 1521 ritt Luther nach Wittenberg, um sich inkognito ein Bild der Lage zu machen. In einem Brief an Spalatin äußerte er sich erfreut über die Veränderungen.[118] Bei diesem Treffen regte Melanchthon an, das NT ins Deutsche zu übersetzen. Dies tat Luther in nur elf Wochen bis zum Ende seines Wartburgaufenthalts. Grundlage dafür war die zweite Auflage des von Erasmus herausgegebenen griechischen NT, die auch Erasmus’ Übersetzung ins Lateinische und erklärende Anmerkungen enthielt.[119]
Später übersetzte Luther auch das AT. Für die Lutherbibel wie auch sonst in seinen deutschen Texten verwendete Luther das Meißner Kanzleideutsch und mittelhochdeutsches Wortgut. Die Biblische Exegese war der entscheidende Antstoß Luthers zur Kritik an katholischer Tradition, am Ablass und Papsttum.[120]
Um die Jahreswende 1521/22 kamen die sogenannten Zwickauer Propheten nach Wittenberg. Besonders die Biblische Exegese des ehemaligen Wittenberger Studenten Markus Thomae (genannt Stübner), der die Säuglingstaufe kritisierte, beeindruckte Melanchthon und Amsdorff. Sie hielten es für möglich, dass die Zwickauer vom Heiligen Geist inspiriert seien. An Neujahr beriet sich der Kurfürst dazu mit Amsdorff und Melanchthon, hielt aber einen Rückberufung Luthers für unnötig. Die Zwickauer sollten aus der Bibel belehrt werden, aber kein Forum für eine Disputation erhalten. Auch Luther erkannte die Brisanz des Themas Säuglingstaufe damals noch nicht. In einem Brief kritisierte er, dass die Zwickauer offenbar keine Anfechtungen erlebten, die zu einer authentischen Gotteserfahrung gehörten. Nur Stübner blieb danach von den Zwickauern noch länger in Wittenberg und gewann dort einige Anhänger.[121]
Am 24. Januar 1522 beschloss der Wittenberger Rat eine Kirchenordnung, die vorsah, Altäre und Heiligenbilder in Gottesdiensträumen abzuschaffen, den „Gemeine Kasten“ für kirchliche Einnahmen zugunsten der Armen einführte und Bettelei verbot. Unerwartet folgte darauf ein gewaltsamer Bildersturm, und viele Studenten wanderten aus Wittenberg ab, weil sie aufs Betteln zum Unterhalt angewiesen gewesen waren oder weil ihre Familien sie zurückriefen. Daraufhin verbot die kurfürstliche Regierung am 13. Februar alle Neuerungen und untersagte Karlstadt und Zwilling das weitere Predigen. Seit 9. Februar gehörten Luthers enge Freunde Lucas Cranach und Christian Döring zu Wittenbergs Stadtrat und setzten sich dort für Luthers Rückkehr nach Wittenberg ein. Der Kurfürst war im Blick auf die politischen Risiken unentschieden. Luther selbst wollte schon länger zurück. Ihm fehlte der kollegiale Austausch, den er für seine schriftstellerische Tätigkeit, besonders die Bibelübersetzung, brauchte. Im Auftrag des Kurfürsten begründete er mit Hilfe des Juristen Hieronymus Schurff seine Rückkehr schriftlich mit seiner Sorge um die Gemeinde und der Absicht, einen Volksaufstand zu verhindern. So hoffte man, künftigen reichsrechtlichen Problemen durch Luthers Auftreten in Wittenberg begegnen zu können.[122]
Prediger in Wittenberg (1522–1524)

Luther verstand sich 1522 bis 1524 primär als Prediger an der Wittenberger Stadtkirche und kehrte zunächst nicht an die Universität zurück.[123] Er trat öffentlich mit frischgeschnittener Tonsur auf und zog wieder ins Augustinerkloster. Dessen Einkünfte brachen weg, bis nur noch der Prior Eberhard Brisger und Luther dort wohnten. Am 9. Oktober 1524 erschien er erstmals öffentlich in weltlicher Kleidung.[124]
In seinen achttägigen Invokavitpredigten ab 9. März 1522 nahm er zu den Wittenberger Reformen Stellung, nämlich zur Abschaffung von Messe, Beichte, Priesterehe, Fastengeboten, Beseitigung der religiösen Bilder und zum Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Er hielt alle diese Reformen für richtig, kritisierte aber ihre Art und Weise als rücksichtslos gegenüber den Schwachen, die noch am Hergebrachten hingen.[125] Daraufhin wurden alle Reformen der Messe zurückgenommen; nur das Abendmahl konnte man auf eigenen Wunsch in beiderlei Gestalt empfangen. In seinen Predigten kritisierte Luther jedoch kontinuierlich die herrschende Praxis. Darum wurde das Sakrament an Fronleichnam nicht mehr mitgeführt; 1524 wurde jene Prozession in Wittenberg nicht mehr begangen. Ab 1523 wurde das Abendmahl in beiderlei Gestalt gereicht; wer dies noch ablhente, galt nun als verstockt. Bis Ende 1524 wurde der alte Ritus nur noch im Allerheiligenstift fortgesetzt.[126]
Im April und Mai 1522 reiste Luther zum Predigen nach Borna, Altenburg, Zwickau und Torgau. Er hielt die Wahl des Predigers für ein Recht der Gemeinde und setzte sich daher für Gabriel Zwilling ein, den man in Altenburg gewählt hatte. Doch wegen Zwillings Rolle in Wittenberg lehnte der Kurfürstenhof diese Wahl ab und gab Wenzeslaus Linck die Stelle in Altenburg. In Wittenberg wählte der Stadtrat Johannes Bugenhagen zum Prediger der Stadtkirche. Er wurde ein enger Mitarbeiter Luthers und sein Seelsorger.[127]
Luthers im Mai 1522 erschienenes, oft wieder aufgelegtes Betbüchlein enthielt Auslegungen der Zehn Gebote, des Apostolicums, Vaterunsers und Ave Marias. Es sollte die bisherigen Beichtspiegel und Andachtsbücher ersetzen. Das Taufbüchlein von 1522 übertrug den wohl in Wittenberg üblichen lateinischen Ritus (Exorzismus, Salzgabe, Ohrenöffnung, Salbung, Westerhemd, Taufkerze); 1526 erschien eine überarbeitete Version.[128] Luthers „Ratsherrenschrift“ von 1524 beeinflusste die Bildungspraxis und Schulgründungen in evangelischen Gebieten stark.[129]
Zum Bauernkrieg (1524–1525)

Im Deutschen Bauernkrieg erhoben sich Bauern vieler Regionen und ärmere Stadtbewohner gegen adelige Grundherren, herrschende Patrizier und den Klerus. Ihre 12 Artikel forderten unter anderem, Gewohnheitsrechte wiederherzustellen, die Leibeigenschaft aufzuheben und demokratische Grundrechte zu gewähren. Sie beriefen sich dabei auf das „göttliche Recht“ und Luthers Schriftprinzip sola scriptura. Wie er erklärten sie sich bereit, ihre Forderungen fallenzulassen, sobald man ihnen aus der Bibel ihr Unrecht beweise. Dies gab ihren früheren religiös begründeten Hoffnungen auf soziale Befreiung erstmals Durchschlagskraft.[130]
Luther reagierte darauf mit seiner wohl Anfang Mai 1525 gedruckten Flugschrift Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben. Er hielt die Berufung der Aufständischen auf die Bibel für falsch und etikettierte sie als „Rotten- und Mordgeister“, griff aber einige ihrer Forderungen als berechtigt auf und wies sowohl sie als auch die Fürsten zurecht. Die Ermahnung kam jedoch zu spät, um den Verlauf noch zu beeinflussen. Auf einer Reise nach Eisleben Anfang Mai 1525 predigte Luther über die Leidensbereitschaft des Christen und traf auf eine aggressive Zuhörerschaft. Hier hatte Thomas Müntzers Lehre von der Gleichheit aller Menschen die Bauern beeindruckt.[131] Daraufhin verfasste Luther am 6. Mai 1525 in Wittenberg die Schrift Wider die Mordischen und Reuberischen Rotten der Bawren. Darin nannte er Müntzer den „Erzteufel von Mühlhausen“. verdammte die Aufstände als Werk des Teufels und rief alle Fürsten gleich welcher Konfession dazu auf, die Bauern mit aller notwendigen Gewalt niederzuschlagen: „Drum soll hie zuschmeißen (zerschmettern), würgen, und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, denn ein aufrührerischer Mensch, gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muß, schlägst du nicht, so schlägt er dich und ein ganzes Land mit dir.“[132]
Am 15. Mai 1525 schlug ein bewaffnetes Reiterheer der Fürsten die kaum bewaffneten Bauern in der Schlacht bei Frankenhausen vernichtend und richtete ein Blutbad an. Müntzer wurde wenige Tage später gefasst und enthauptet. Luther rechtfertigte dies später so: „Ich habe Müntzer getötet, der Tod liegt auf meinem Hals. Ich habe es aber deswegen getan, weil er meinen Christus töten wollte.“ Propagandaschriften von Melanchthon und Agricola prägten Müntzers Negativbild in der Geschichtsschreibung stark.[133]
Heirat (1525)

Bis Juni 1525 wurde in Wittenberg Luthers Absicht bekannt, die Nonne Katharina von Bora zu heiraten. Sie war 1523 mit zehn weiteren Zisterzienserinnen aus dem Kloster Nimbschen nach Wittenberg geflohen. Luthers Freunde lehnten seinen Heiratsplan einhellig ab. Daraufhin verlobte sich das Paar am 13. Juni im Augustinerkloster und ließ sich direkt anschließend von Bugenhagen trauen. Der übergangene Melanchthon kritisierte Luthers Vorgehen in einem Brief an Joachim Camerarius den Älteren.[134] Beim Hochzeitsfest mit auswärtigen geladenen Gästen am 27. Juni[135] erhielt das relativ mittellose Ehepaar Geld- und Sachgeschenke, die ihm einen gemeinsamen Hausstand ermöglichten. Kurfürst Johann der Beständige überließ Luther das ehemalige Augustinerkloster als Wohnung und setzte ihm 200 Gulden als Professorengehalt aus.[136] Katharina Luther betrieb eine Burse als zusätzliche Einnahmequelle. Das Ehepaar hatte dann drei Töchter und drei Söhne:
- Johannes (* 7. Juni 1526 in Wittenberg; † 27. Oktober 1575 in Königsberg),
- Elisabet (* 10. Dezember 1527 in Wittenberg; † 3. August 1528 in Wittenberg),
- Magdalena (* 4. Mai 1529 in Wittenberg; † 20. September 1542 in Eisleben),
- Martin (* 9. November 1531 in Wittenberg; † 2. März 1565 in Wachsdorf),
- Paul (* 28. Januar 1533 in Wittenberg; † 8. März 1593 in Leipzig),
- Margarete (* 17. Dezember 1534 in Wittenberg; † 1570 in Mohrungen).
Konsolidierung der Reformation

Friedrich III. starb 1525 mitten im Bauernkrieg. Sein Nachfolger Johann der Beständige stand der Reformation wohlwollend gegenüber. Anders als sein Vorgänger stand er in direktem Austausch mit Luther und traf ihn mehrfach. Die sieben Jahre seiner Regierung ermöglichten den Aufbau von neuen kirchlichen Ordnungen in Kursachsen.[137]
1522 hatten einige Städte die Heilige Messe in deutscher Sprache eingeführt. 1525 begann Luther, mit den Kapellmeistern Johann Walter und Konrad Ruppsch eine deutsche Liturgie auszuarbeiten. Am 29. Oktober stellte der Zelebrant Georg Rörer ihren Entwurf der Wittenberger Gemeinde vor. Weihnachten 1525 wurde die Deutsche Messe eingeführt und erschien zum Jahresende im Druck. Sie beteiligte die des Lateins unkundige Bevölkerung stärker. Lateinische Messen sollten weiter für die Lateinkundigen stattfinden, damit sie auch künftig in anderen Ländern am Gottesdienst teilnehmen konnten. Daneben schlug Luther eine dritte Form des Abendmahlsgottesdienstes für jene vor, die „mit ernst Christen wollen seyn und das Euangelion mit hand und munde bekennen“.[138] Dabei hatte er wohl Kerngemeinden in Privathäusern vor Augen; die Idee stammte wohl von Kaspar von Schwenckfeld, der ihn im Dezember 1525 besuchte. Diese Gottesdienstform wurde zu Luthers Zeit nicht verwirklicht. Er verstand seine Messordnungen als Beispiele eines evangeliumsgemäßen Gottesdienstes, nicht als allgemein verbindliche Vorschrift. Den oberdeutschen Prädikantengottesdienst, den Matthäus Alber ihm im Januar 1526 vorlegte, hieß Luther gut. Doch er war unzufrieden mit der Akzeptanz seiner Deutschen Messe in Wittenberg. Bis Ende 1527 beherrschte die Gemeinde die neuen Melodien noch nicht.[139]
Nach dem Zusammenbruch des katholischen Kirchensystems in den Gebieten der Reformation mussten die einzelnen Pfarreien mit geeigneten Predigern und Lehrern versorgt und deren Unterhalt geregelt werden. Im Auftrag des Kurfürsten unternahmen Luther und andere Reformatoren dazu Visitationsreisen. Im Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum zu Sachsen (1528) gingen Luther und Melanchthon von einer einmaligen reformatorischen Neuordnung mit Hilfe der Obrigkeit aus. Doch damit stellten sie die Weichen für ein aus dem Bischofsamt hergeleitetes Beaufsichtigungssystem von oben anstelle einer presbyterial-synodalen Repräsentation der Gemeinden.[140]
Antinomistischer Streit (1527)
1527 entstand ein erster Antinomistischer Streit um die Geltung und Bedeutung der Tora, besonders der Zehn Gebote, im Leben eines Christen.[141] Bei ihren Visitationen hatten Luther und Melanchthon beobachtet, dass das Evangelium in manchen Gemeinden leichtfertig gepredigt wurde und zu einer ungebundenen Freiheit führte. Melanchthon glaubte daher, die Gebote Gottes müssten wieder stärker verkündigt werden. Er verfasste dazu die Schrift Articuli de quibus egerunt per visitatores, zu der Luther ein Vorwort schrieb. Darin forderte er, eine christliche Verkündigung müsse die Predigt von der Buße und Vergebung der Sünden enthalten, setze also die Predigt des Gesetzes voraus. Dem widersprach Johannes Agricola, mittlerweile Rektor in Eisleben: Nur das Evangelium, nicht die Befolgung der Tora sei zur Erweckung der christlichen Buße notwendig. Luther erreichte auf dem Torgauer Colloquium (26.–29. November 1527) einen Kompromiss, der Melanchthon weitgehend Recht gab und keine wirkliche Klärung herbeiführte. Agricola entfremdete sich danach von den Wittenbergern. Da er und Melanchthon bei ihren Meinungen verharrten, brach der Konflikt einige Jahre später wieder auf.[142]
Abendmahlsstreit (1529)

Huldrych Zwingli hatte 1523 seine Übereinstimmung mit Luthers Abendmahlslehre betont. Dann lernte er die symbolische Deutung der Abendmahlsworte durch Cornelisz Hendricxz Hoen kennen, die für ihn und Johannes Oekolampad eine Verstehenshilfe wurde. Er sah das Abendmahl nun als Dank- und Bekenntnisfeier der Gemeinde.[143] Die Straßburger Reformatoren Martin Bucer und Wolfgang Capito waren von Zwinglis Abendmahlsverständnis beeindruckt und erbaten im Dezember 1524 Luthers Stellungnahme dazu. Im Syngramma Suevicum vom Oktober 1525 bekannten sich 14 Reformatoren aus dem schwäbischen Raum zu Luthers Abendmahlsverständnis. Beide Seiten erwarteten nun eine große Abendmahlsschrift Luthers, die jedoch ausblieb. Sein Sermon von dem Sakrament des Leibes und Blutes Christi wider die Schwarmgeister wurde wohl ohne sein Zutun veröffentlicht und war für die theologische Diskussion mit Zwingli kaum geeignet.[144]
Dagegen widmete sich Zwingli nun intensiv dem Thema Abendmahl und arbeitete Luthers Schriften dazu durch. Seine Amica exegesis setzte sich dem Titel nach freundschaftlich, in der Sache jedoch hart mit Luthers Thesen auseinander. Keine davon genügte Zwinglis Ansprüchen.[145] Luther erhielt Zwinglis Aufsatz im April 1527 und reagierte verbittert. Praktisch gleichzeitig hatte er seine Schrift Daß diese Worte Christi «Das ist mein Leib» etc. noch fest stehen wider die Schwarmgeister veröffentlicht (Ubiquitätslehre). Die beiden Schriften nahmen keinen Bezug aufeinander, provozierten aber Entgegnungen, von Luthers Seite: Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis (März 1528). Die Schweizer lehnten Luthers emotionale und polemische Argumentationsweise ab.
Um nach der Protestation zu Speyer ein protestantisches Verteidigungsbündnis zu ermöglichen, wollte Landgraf Philipp von Hessen den theologischen Konflikt überwinden. Darum lud er die Streitparteien im Juni 1529 zu einem Religionsgespräch ein. Die Wittenberger sagten erst zu, nachdem Philipp über den Kurfürsten Druck auf sie ausgeübt hatte. Auf Initiative des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach schrieben Luther und Melanchthon die Schwabacher Artikel als gemeinsame Glaubensbasis für ein künftiges Militärbündnis. Dieser Bekenntnistext war als Abgrenzung zu den Schweizern formuliert, sollte aber als Verhandlungsbasis dienen.[146] Damit reiste die siebenköpfige Delegation um Luther bis zum 30. September 1529 nach Marburg; drei weitere Reformatoren kamen dort bis 2. Oktober dazu. Die Schweizer Delegation (Zwingli, Oekolampad, Bucer und Hedio) war schon eingetroffen. Alle Teilnehmer wohnten auf dem Marburger Schloss. Nach getrennten Vorgesprächen kamen alle am 2. Oktober in einer Stube des Schlosses zusammen. Luther erklärte, die Einsetzungsworte („Das ist mein Leib / mein Blut“) seien nur wörtlich zu verstehen; man solle ihn aus der Bibel widerlegen. Oekolampad zitierte Joh 6 als Beleg dafür, dass Christi Leib geistlich gegessen werden müsse. Luther gestand zu, dass es ein solches geistliches Essen gebe, bestand aber auf dem wörtlichen Sinn der Einsetzungsworte. Christus sei im Abendmahl unsichtbar zugegen. In der nächsten Gesprächsrunde brachte Oekolampad das Argument, Christus sei nach der Auferstehung erhöht bei Gott dem Vater und könne nicht an zwei Orten zugleich sein. Zwingli ergänzte: Christus habe jetzt göttliche und nicht menschliche Gestalt (Phil 2,6 ff.). Luther schlug nun die samtene Tischdecke zurück, und man sah die Einsetzungsworte Hoc est corpus meum, die er zuvor mit Kreide auf die Tischplatte geschrieben hatte. Auf Zwingli machte dies keinen Eindruck. Er konnte nicht nachvollziehen, warum sich die Wittenberger dermaßen auf diesen Glaubensartikel versteiften.[147]
Am 3. Oktober, einem Sonntag, wurde ergebnislos weiterdiskutiert. Der hessische Kanzler Johann Feige forderte beide Seiten auf, eine Einigung zu suchen. Da die Krankheit Englischer Schweiß grassierte, sollten die Gespräche möglichst abgekürzt werden. Am Montag forderte der Landgraf Luther dazu auf, die Artikel aufzustellen, über die man einig oder uneinig sei (Marburger Artikel). Luther legte dafür weitgehend die Schwabacher Artikel zu Grunde. In vielen Punkten zeigten die Teilnehmer sich bereit, aufeinander zuzugehen. Als Differenz blieb nur die Frage der Gegenwart von Leib und Blut Christi im Abendmahl. Der Landgraf wirkte auf einen versöhnlichen Schluss hin: dass man einander christliche Liebe erweisen und Gott um das rechte Verständnis bitten wolle. Daraufhin reiste die Wittenberger Delegation am 5. Oktober ab.[148]
Reichstag zu Augsburg (1530)

Die Erste Wiener Türkenbelagerung von 1529 veranlasste Kaiser Karl V., den Reichstag zu Augsburg 1530 einzuberufen. Dort wollte er die Glaubensspaltung im Reich überwinden, um alle militärischen Kräfte zur Abwehr der Türken zu bündeln. Luther, Melanchthon und weitere Theologen reisten im Gefolge des Kurfürsten Johann der Beständige nach Coburg. Luther, der noch immer unter der Reichsacht stand, blieb dort bis zum 4. Oktober 1530; die übrige Delegation zog nach Augsburg weiter. Veit Dietrich fungierte als Sekretär und Kontaktperson Luthers nach außen. Dieser empfing viele Besucher und erfuhr dadurch vom Tod seines Vaters. Am Reichstag konnte er nur durch Briefwechsel mit Melanchthon teilnehmen. Dieser informierte ihn nur spärlich, da er eine andere Strategie verfolgte: Um ein Kriegsbündnis Philipps von Hessen mit den Schweizern und Straßburgern zu verhindern, suchte er einen Ausgleich mit den Katholiken um Karl V. und Albrecht von Mainz. Sein Mindestangebot an sie war, die bischöfliche Kirchengewalt wiederherzustellen, wenn sie den Evangelischen den Laienkelch, die Priesterehe und evangelische Messe zugestehen würden.[149]
Das von Melanchthon verfasste Augsburger Bekenntnis erhielt durch die Vorrede des kursächsischen Kanzlers Gregor Brück den Rang eines Bekenntnisses der lutherischen Fürsten und Stände. Am 25. Juni 1530 verlas der kursächsische Kanzler Christian Beyer es vor dem Reichstag und übergab es ihm. Luther akzeptierte diesen Text, kritisierte aber, dass die Themen Fegefeuer und päpstlicher Primat darin fehlten.[150]
Wittenberger Konkordie (1536)
Die Verständigung der oberdeutschen Reformatoren mit Luther zur Abendmahlsfrage ging von Martin Bucer aus. Philipp von Hessen förderte das Projekt und lud Melanchthon und Bucer dazu für Weihnachten 1534 nach Kassel ein. Luthers schroffe Instruktion dafür betonte, dass Christi Leib mit oder in dem Brot wahrhaft gegessen werde und sich sein Empfang nicht von dem des Brotes ablösen lasse.[151]
Melanchthon und Bucer einigten sich beim Treffen in Kassel Ende Dezember auf die Formel, dass Christi Leib mit dem Brot wesentlich und wahrhaftig empfangen werde. Luther stimmte der Formel im Januar 1535 prinzipiell zu, wollte aber noch auf Reaktionen der oberdeutschen Städte warten, die ihm ihre Vertrauenswürdigkeit erst beweisen sollten. Ein solches Signal war die Berufung von Johann Forster als Prädikant nach Augsburg.[152] Auf Luthers Vorschlag hin lud Kurfürst Johann Friedrich zum Abschluss der Konkordie nach Eisenach ein. Wegen eines akuten, monatelangen Harnsteinleidens Luthers[153] fand das Treffen vom 21. Mai bis 28. Mai 1536 in seinem Haus in Wittenberg statt.
Dass Zwinglis Schrift Fidei christianae expositio genau dann in Zürich neu gedruckt erschien, fasste Luther als Provokation auf und forderte gleich zu Beginn der Gespräche unerwartet schroff von Bucer und den Vertretern der oberdeutschen Städte den ausdrücklichen Widerruf.[154] Danach wurden die Verhandlungen wegen Luthers Schwäche unterbrochen; die Gäste waren schockiert und erwogen ihre Abreise. Am 23. Mai trug Bucer seine Position vor: Er habe bisher nicht alles recht verstanden und gelehrt. Die übrigen oberdeutschen Theologen erklärten, mit Bucer übereinzustimmen. Luther konnte sich also weitgehend durchsetzen. Die Atmosphäre entspannte sich, die Gäste konnten am Himmelfahrtstag die ihnen unvertraute Deutsche Messe kennenlernen und wurden von Luther und Lukas Cranach zu Festmählern eingeladen.[155]
Schmalkaldener Bundestag (1537)

Am 2. Juni 1536 schrieb Papst Paul III. ein Konzil in Mantua aus. Im Bei Sondierungen dazu begegnete Luther am 7. November 1535 im Schloss Wittenberg zu dem Nuntius Pietro Paolo Vergerio und erklärte sich bereit, auf einem Konzil zu erscheinen. Dabei versuchte er erfolgreich, seinen schlechten Gesundheitszustand zu verdecken. Tatsächlich war er Ende 1536 so krank, dass der Kurfürst ihn bat, ein theologisches Testament zu verfassen. Luther schrieb einen von der katholischen Lehre abgrenzenden Bekenntnistext: Die Rechtfertigungslehre sei „der Artikel, mit dem die Kirche steht und fällt.“ In der Frage des Messopfers sei man „ewiglich geschieden“, denn dies sei eine Konkurrenz zum Sühnetod Christi. Der Papst könne nicht kraft göttlichen Rechts das Haupt der Christenheit sein, und es sei auch nicht ratsam, ihn als Oberhaupt der irdischen Ordnung zu akzeptieren. Dann erlitt Luther am 18. und 19. Dezember einen oder mehrere Herzanfälle. Daraufhin diktierte er den zweiten Teil des Dokuments in kurzgefasster Form.[156]
Bei einer Zusammenkunft Luthers mit den anderen Wittenberger Theologen sowie Agricola, Spalatin und Amsdorff wurde ein weiterer Artikel (gegen die Anrufung der Heiligen) ergänzt. Änderungswünsche Melanchthons berücksichtigte Luther nicht. Die Mitglieder des Treffens unterschrieben mit persönlichen Bemerkungen. Am 3. Januar 1537 übersandte Luther dem Kurfürsten das Dokument und stellte ihm die Verwendung frei. Der Fürst wollte die Artikel als kursächsische Bekenntnisschrift auf dem Schmalkaldischen Bundestag einbringen. Dieser verzögerte sich aber wegen der vielen eintreffenden Delegationen, darunter vielen Reformatoren.[157]
Luther trat weiter für eine evangelische Delegation zum Konzil in Mantua ein, doch die Schmalkaldischen Bundesstände lehnten ab, weil Mantua nicht das geforderte freie christliche Konzil sei. Luthers Schmalkaldische Artikel bargen so viel Konfliktpotential, dass stattdessen die Augsburger Konfession und die Wittenberger Konkordie zur Grundlage der theologischen Beratungen genutzt wurden. Melanchthon verfasste eine Ergänzung über den Primat des Papstes und die Jurisdiktion der Bischöfe. Luther selbst nahm nur sporadisch am Bundestag teil, denn das schmerzhafte Harnsteinleiden trat wieder auf. Durch eine Fehlbehandlung des landgräflichen Leibarztes wurde er so hinfällig, dass man seinen Tod erwartete. Er wollte in Kursachsen sterben, so dass ein Reisewagen für ihn hergerichtet wurde. Der in Schmalkalden anwesende päpstliche Legat argwöhnte, Luthers Leichnam solle fortgebracht werden. Tatsächlich rettete der Krankentransport ihm das Leben, denn durch die Erschütterungen löste sich die Harnverhaltung. Am 14. März 1537 war Luther wieder in Wittenberg, wo er sich langsam erholte.[158]
Polemik gegen Herzog Heinrich II. (1541)
Der einflussreiche katholische Herzog Heinrich II. (Braunschweig-Wolfenbüttel) schrieb 1540 eine polemische Duplik, in der er den amtierenden Kurfürsten Johann Friedrich I. „Trunkenbold von Sachsen“ nannte und behauptete, Luther würde ihn „seinen lieben andächtigen Hans Wurst“ nennen. Darauf antwortete Luther mit der Gegenschrift Wider Hans Worst (1541) mit größter Schärfe und Grobheit.[159] Die Schrift enthielt aber auch eine Darstellung seiner Ekklesiologie.[160]
Luthers Tod

Trotz eines schon länger währenden Herzleidens reiste der 62-jährige Luther im Januar 1546 nach Eisleben, um dort die Erb- und Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Mansfeldischen Grafenfamilie beilegen zu helfen. Ein Zettel vom 16. Februar, den Johannes Aurifaber abschrieb, ist Luthers letzte schriftliche Äußerung: „Den Vergil in seinen Bucolica und Georgica kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Hirte oder Bauer gewesen. Cicero in seinen Briefen, so fasse ich es auf, versteht niemand, der nicht zwanzig Jahre in einem bedeutenden Staatswesen tätig war. Die Heilige Schrift glaube niemand genug verschmeckt zu haben, wenn er nicht hundert Jahre mit den Propheten die Gemeinden geleitet hat.“ Luthers Schlusssatz lautete: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“[161]

In der Nacht zum 18. Februar 1546 erwachte Luther durch einen Schmerzanfall. Er erwartete nun seinen Tod und erhielt letzte medizinische Hilfen. In seiner Stube kamen seine Frau, die beiden Stadtärzte, Graf Albrecht mit Gattin, der Hauswirt, der Stadtschreiber, Justus Jonas der Ältere und Michael Caelius zusammen. Die Frage der letzteren beiden, ob er bis zum Tod seine Lehre bekenne, bejahte er nach ihrem Zeugnis. Danach reagierte er nicht mehr und starb morgens um drei Uhr. Am 22. Februar 1546 wurde er in der Schlosskirche Wittenberg unterhalb der Kanzel beigesetzt.[162]
Theologie
Heilsgewissheit
Nach der katholischen Tradition konnte der Mensch nie sicher sein, ob er im „Stand der Gnade“ sei. Denn Gott sei frei, seine Gnade zu schenken, wem er wolle, und ein der Gnade gewisser Mensch würde leichtsinnig und vermessen. Luther bezeichnete diese lebenslange Ungewissheit und Angst als „Monstrum“, „Hölle“ oder „Pest“.[163] Für ihn beruhte Heilsgewissheit allein auf dem Geschenk der Gnade Gottes, zu dem der Sünder nichts beitragen könne und solle. Doch diese bedeutete für ihn nicht, dass die Lebensführung des Christen egal und sein Handeln beliebig sei. Auch könne man den Glauben und das subjektive Gefühl des Trostes nicht als ständigen Besitz verbuchen; beides sei gefährdet und könne verloren gehen. Schließlich solle der Christ über Gottes Pläne mit dem Menschen (Prädestination) nicht spekulieren. Heilsgewissheit ist für Luther „die Erkenntnisseite des Glaubens, das Bewusstsein von dem, was im Glauben geschieht: die empfangende Annahme der rettenden Gemeinschaft mit Gott.“[164]
Sola Scriptura
sola scriptura: „Allein die Heilige Schrift“ sei die Quelle dieses Glaubens an und des Wissens von Gott und daher der kritische Maßstab allen christlichen Redens und Handelns. Sie sei aber von ihrer „Mitte“ Jesus Christus her kritisch zu beurteilen. Damit gab Luther einer sachgerechten Bibelauslegung den Vorzug gegenüber kirchlicher Tradition und sonstigen möglichen Quellen für theologische Urteils- und Lehrbildung. Die Bibel kann allein dieser Aufgabe gerecht werden, weil sie nach Luthers Überzeugung in sich selbst klar genug ist: So präsentiert der Inhalt der Bibel die äußere Klarheit des Textes und wird durch die innere Klarheit bestätigt, die der Heilige Geist im Herzen des Hörers oder Lesers bewirkt. Die Bibel gewinnt die notwendige Klarheit dort, wo sie sich selbst interpretiert (sacra scriptura sui ipsius interpres), sie sorgt selbst für ihre Auslegung, sie ist ihr eigener Interpret.[165] So lege die Schrift sich selbst aus, weil sie durch Gottes Geist erschlossen werde – durch das innere Wort, verbum internum des Heiligen Geistes, das als verbum externum hinzutritt – darin zeige sich auch ihre Inspiration und ihre Offenbarungstätigkeit. Angemessen auslegen und verstehen kann der Leser die Schrift nur, wenn man sich „ihren Worten“, claritas externa stelle und von „ihrer Sache“, claritas interna, ergriffen sei.
Schon in seinen Randbemerkungen zu Augustin und Petrus Lombardus (1509/10) betonte Luther gegen die Scholastik, aber noch mit dem Ockhamismus den Gegensatz zwischen Glauben und Wissen und die Autorität der Bibel gegenüber der kirchlichen Tradition. Er grenzte Glauben von einem menschlichen habitus ab und betonte seine Identität mit Hoffnung und Liebe, so dass er nicht neben unrechtem Handeln (Sünde) bestehen könne.[166]
Indem Luther die menschliche Antwort auf Gottes Wort radikalisierte, wurde ihm Gottes Gerechtigkeit selbst zum Problem. Obwohl er alle damaligen theologischen Denkschulen genau kannte, legte er die Bibel in seiner ersten Psalmenvorlesung (1512/13) fast ohne scholastische Begriffe aus und grenzte ihren Wortlaut gegen die überkommenen, besonders die aristotelischen Deutungsmuster ab. Dabei fasste er den Literalsinn des Bibeltextes unmittelbar als Hinweis auf Christus auf: Dieser selbst war für ihn der Ausleger der Psalmen, der Geist in allen Buchstaben, der Grundtext, der sich selbst mitteilt und Glauben an ihn schafft. Der Mensch könne sein Dasein nur entweder aus dem Gesetz oder dem Glauben, dem Sichtbaren oder dem Unsichtbaren, der sinnlichen Wahrnehmung oder dem Von-Gott-erkannt-Sein heraus verstehen. Das, was Menschen aus dieser wahrnehmbaren Welt heraus für das höchste, göttliche Wesen halten, könne im Angesicht Jesu Christi nur der Gipfel ihrer Selbstgerechtigkeit und Heuchelei sein. Eine Vermittlung ist undenkbar.[167]
Solus Christus
„Allein Jesus Christus“ (solus Christus) ist für Luther der wahre Mensch und wahre Gott. Nur dieser habe durch seine stellvertretende Hingabe am Kreuz Gottes geoffenbarten Willen ganz erfüllt und damit ein für alle Mal des Menschen Rechtfertigung und Heiligung erwirkt, die dem Christen im mündlichen Evangelium und im Abendmahl zugeeignet werde.
Damit übernahm Luther die altkirchliche Zweinaturenlehre, spitzte sie jedoch schon früh auf eine Theologia crucis hin zu: Das stellvertretende Leiden Christi, des menschgewordenen Gottessohns, am Kreuz erwirkt Gottes Gnade und ermöglicht die Sündenerkenntnis des Christen, die ihn zur Annahme der Erlösungsgnade Christi führt und in die Kreuzesnachfolge ruft. Nur wer sich laut Luther auf das Kreuz Christi einlässt, versteht, wer Gott und was sein wahrer Wille ist. Daher sei das Kreuz in der christlichen Theologie kein Thema neben anderen, sondern das Thema schlechthin.[168] Dies beinhaltet eine fundamentale Absage an jede Theologia gloriae, die Gottes Macht und Ruhm ohne Teilnahme an seinem Leiden verkündet. Die theologia crucis (Gottes aktuelles Urteil im Gekreuzigten) schließt jeden zum Eigenruhm menschlichen Erkenntnisvermögens geschaffenen Gottesbegriff der aristotelischen Metaphysik unbedingt aus (Römerbriefvorlesung 1515; Heidelberger Disputation 1518).[169]
Sola Gratia
Luthers Rechtfertigungslehre kreiste um die Frage: Wie wird der sündige und verlorene Mensch gerecht und damit gerettet vor Gott? Im Zentrum stehen Gottes Gerechtigkeit und der Wandel von der Werkgerechtigkeit zur Glaubensgerechtigkeit des Menschen. Ursprünglich verstand Luther unter Gottes Gerechtigkeit eine Strafgerechtigkeit, in der Gott über die Menschen wie ein gerechter Richter urteilt. Das trieb ihn in Angst und Selbstzweifel, bis er in Röm 1,17 das Gnadengeschenk der Gerechtigkeit vor Gott entdeckte. Das Rechtfertigungsgeschehen unterscheide sich somit fundamental von einer Strafgerechtigkeit und allen übrigen menschlichen Gerechtigkeitsformen. Gott erkläre den Glaubenden aus reiner Barmherzigkeit für gerecht und rechne dem bußfertigen Glaubenden seine Schuld nicht zu, sondern vergebe sie ihm. Gottes Gerechtigkeit sei also seine Gnade. Sie werde gnädig geschenkt, nicht durch menschliche Werke verdient. Der Grund dafür sei das allumfassende Erlösungshandeln Jesu Christi am Kreuz. Dieses könne nicht durch menschliche Mitwirkung geschmälert und dadurch entwertet werden. Allein im Glauben an die durch Jesu Kreuzesopfer geschenkte Vergebung werde den Sündern die Rechtfertigung und Erlösung Gottes aus Gnade zuteil.[170]
In der 62. der 95 Thesen von 1517 benannte Luther das allerheiligste Evangelium von Gottes Herrlichkeit und Gnade als den wahren Schatz der Kirche. Damit widersprach er der Lehre der römisch-katholischen Kirche vom Gnadenschatz, der auf Verdienst der Heiligen (Thesaurus meritorum) und Zugehörigkeit zur Kirche (Thesaurus ecclesiae) beruhe.[171]
Gott allein kann den Menschen annehmen und rechtfertigen und tut es im Kreuz Jesu Christi: Dieser Vorgang ist in der reformatorischen Theologie eine Tat Gottes allein aus Gnade (sola gratia). Kein Werk, keine gute Tat des Menschen kann für Luther diese Rechtfertigung herbeiführen. Der Gnadenakt gründet bei ihm in der Erwählung des Menschen durch Gott in Jesus Christus, in dessen Kreuzestod und der darin erwirkten Erlösung. In seiner Auslegung von Ps 51,3 LUT („Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte“) fand Luther seine Auffassung klar formuliert, nämlich die Wahrheit über Sünde, Buße, Gnade und Rechtfertigung. In diesem Psalm gehe es nicht nur um David und dessen sündhafte Beziehung zu Batseba, sondern vielmehr um die „Wurzel der Gottlosigkeit“, um das Verstehen von Sünde und Gnade.
Gerecht und Sünder zugleich
Aus seinem Verständnis von Rechtfertigung als reine Gnade Gottes gewann Luther im Anschluss an Paulus und Augustin ein vertieftes und radikales Verständnis der menschlichen Sünde. Getragen auch von einer gewissenhaften Selbstbeobachtung, widersprach er der Lehre, der Mensch könne Gottes Gebote mit seinen natürlichen Kräften erfüllen, und stellte in Frage, Todsünde und Lässliche Sünden zu unterscheiden.[172]
Nach scholastischer Theologie konnten Sünde und Gnade unmöglich auch nur einen Augenblick „zugleich“ den Menschen bestimmen. Dieser befinde sich entweder im Stand der Sünde oder der Gnade, und das jeweils ganz. Luthers These, der Mensch sei zugleich gerecht und Sünder (simul iustus et peccator), ergab sich aus seinem Denken in Beziehungen: „Sünde ist die vom Menschen begonnene Beziehung der Feindschaft gegen Gott, des Widerstands, der Verachtung […]. Gnade, Gerechtigkeit dagegen ist die Beziehung […], die Gott mit dem Menschen trotz seiner Sünden, gegen seine Sünde immer wieder neu begründet.“[173]
Wort - Glaube - Sakrament
Für Augustin machte das Stiftungswort im NT aus einer mehrdeutigen sakramentalen Handlung das eindeutige sakramentale Zeichen (Accedit verbum ad elementum et fit sacramentum.).[174] Im Hochmittelalter hatte Thomas von Aquin gelehrt, im Sakrament werde die „Heilstat Christi erinnert, ihre gegenwärtige Heilswirkung gefeiert und ausgeteilt, die ewige Vollendung erahnt und im «Angeld» vorweggenommen.“ Von den sieben Sakramenten der katholischen Tradition war besonders das Bußsakrament für den christlichen Laien damals bedeutsam. Nach dem Kernsatz ex opere operato wirkte es durch den Vollzug, sofern der Empfänger es bejahend, nicht nur scheinbar annehme (non ponit obicem). Folglich verschob sich das theologische Interesse von der Heilstat Christi zu den objektiv feststellbaren Bedingungen, wann das Sakrament wirken könne.[175]
In seiner Vorlesung zum Hebräerbrief (1517/18) stellte sich mit Hebr 5,1 EU für Luther die Sakramentsfrage so dringlich, dass neuere Forschung hier einen Zusammenhang mit der reformatorischen Wende sieht.[176] In seiner Hauptschrift Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche (1520) formulierte Luther sein Sakramentsverständnis aus. Er zitierte oft Augustins Satz,[174] versuchte aber viel stärker, das entscheidende Kriterium der gesprochenen Zusage im NT für die Heilswirkung des Sakraments in der Frömmigkeit jedes Christen zu verankern. Gott sei zwar überall, „er will aber nicht, daß du überall nach ihm tappest, sondern wo das Wort ist, da tappe nach, so ergreifst du ihn recht.“[177] Demgemäß reduzierte er die sieben katholischen Sakramente auf jene drei, die Jesus im NT selbst eingesetzt habe: Taufe, Abendmahl und Buße (Beichte). Er betonte darin die fundamentalen Bestandteile des Sakraments: a) Das Zeichen, b) die Bedeutung und c) den Glauben. Damit sprach er dem katholischen Konzept des ex opere operato die Bedeutung ab und betonte dagegen die Wichtigkeit des Glaubenden als des Subjekts und somit das Konzept des opus operantis. Bahnbrechend war vor allem die theologische Begründung: Jesu eigenes, gepredigtes Wort vermittle das Heil. Die Sakramente veranschaulichten seine Zusage und dienten ihrer Vergewisserung, fügten ihr aber nichts hinzu.
Freiheit und unfreier Wille
Schon in seiner Heidelberger Disputation (1518) hatte Luther den freien Willen des Menschen nach dem Sündenfall zur „Sache bloßen Namens“ erklärt. In Bezug auf Gottes Gnade besitzt der Mensch für Luther keine Willensfreiheit, sondern ist völlig abhängig von Gottes Willen und Handeln. In Bezug auf die Folgen dieser Gnade aber betonte er in seiner Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520) die Befreiung des Christen von vielen damaligen frommen Aktivitäten, die Gott nicht geboten habe. Sie seien überflüssig und eigensüchtig, nämlich gelenkt von der Sorge um das eigene private Seelenheil. Wirklich gute Werke aber seien solche, die dem Mitmenschen nützten. In Bezug auf das christliche Leben fasste Luther das Evangelium also als umfassende Befreiung von unbiblischen und unnützen Traditionen und Riten auf.[178] Angelehnt an Paulus fasste Luther diese „evangelische Freiheit“ in zwei Sätzen dialektisch zusammen: „Ein Christ ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan – durch den Glauben. – Ein Christ ist ein dienstbarer Knecht aller und jedermann untertan – durch die Liebe.“

1524/25 führte Luther diese Sicht im Konflikt mit dem Humanisten Erasmus von Rotterdam weiter aus. Dieser hatte sich seit 1517 von Luthers 95 Thesen eine Reform der Kirche erhofft, ohne sein Anhänger zu werden. Ab 1521 distanzierte er sich immer deutlicher von Luther, um nicht in dessen Ketzerprozess verwickelt zu werden.[179] In seiner Schrift De libero arbitrio (1. September 1524) nahm Erasmus „irgendeine Kraft des freien Willens“ an und empfahl dem Christen, sich den Vorschriften in Bibel und Tradition für ein gutes Leben zuzuwenden. Man solle alles Gute, was daraus entstehe, Gottes Güte zuschreiben und sich unnötiger Spekulationen enthalten. In der Bibel gebe es dunkle Stellen, zu deren Verständnis man die kirchliche Auslegungstradition brauche.[180]
Ende September 1524 reagierte Luther darauf indirekt mit seiner Vorrede zum Buch Prediger Salomo: Dieses sei ganz gegen den freien Willen gerichtet. Auf Drängen verschiedener Seiten schrieb er bis Ende 1525 die Gegenschrift De servo arbitrio („Vom geknechteten Willen“, ein Zitat Augustins). Darin stellte er fest, dass Erasmus sich trotz seiner Skepsis gegenüber der Bibel deren Geboten und kirchlicher Tradition unterwerfe. Die Bibel sei jedoch kein dunkles, sondern ein klares Buch, das von seiner Mitte Jesus Christus her verständlich sei. Dunkle seien durch klare Bibelstellen erklärbar.[181] Das Konzept von der Klarheit der Schrift (claritas scripturae) war ein exegetischer und hermeneutischer Paradigmenwechsel.[182]
Inhaltlich bekräftigte Luther, der Mensch könne sich unmöglich selbst in das „richtige“ Verhältnis zu Gott setzen; diese Unfreiheit des menschlichen Willens sei der „Dreh- und Angelpunkt der Sache“. Dem Menschen einen Willen zum Guten und damit ein Mitspracherecht bei Gottes Vorherbestimmung zum Heil zu unterstellen, wie es Erasmus tue, lehnte Luther strikt ab. Dies folgte für ihn notwendig aus der Rechtfertigung allein durch Christus und allein durch Gottes Gnade: Der Mensch sei passiv und unfrei gegenüber Gottes Heilshandeln. In seinem Alltagshandeln aber könne er frei entscheiden; die alltäglich dabei erfahrene Freiheit sei kein unwirklicher Schein. Der Mensch könne dem rechtfertigenden Gott durch sein Alltagshandeln sogar antworten und freiwillig am Aufbau des Reiches Gottes in der Welt mitwirken. Luther vertrat also keinen anthropologischen Determinismus.[183]
Erasmus verteidigte sich gegen Luthers Polemik mit der Schrift Hyperaspites („Schildhalter [zur Abwehr von Spitzen]“). Darauf reagierte Luther nicht mehr, so dass die Auseinandersetzung abbrach.[184]
Buße
Zur wahren Buße gehört nach Luther zweierlei:
- erstens die Erkenntnis der Sünde und der Gnade,
- zweitens die Furcht vor Gott und das Vertrauen auf seine Barmherzigkeit.
Beides gelte es immer wieder neu zu erlernen; denn auch die vom Heiligen Geist erleuchteten Menschen blieben auf das Wort Gottes angewiesen. Aber nicht die einzelne Verfehlung stehe zur Debatte, sondern das gesamte Wesen der Sünde, ihre Quelle und ihr Ursprung müsse bedacht werden. Sünde bestehe nicht nur in Gedanken, Worten und Werken, Sünde sei das ganze Leben, das wir von Vater und Mutter übernommen hätten (Erbsünde), und auf dieser Grundlage entstünden dann die einzelnen Vergehen. Die natürliche Konstitution des Menschen sei weder im zivilen noch im geistlichen Bereich intakt. Infolge der Sünde hätten sich die Menschen von Gott abgewandt und suchten ihren eigenen Ruhm. Der Glaubende fühle den Zorn Gottes, und ebenso sinnlich erfahre er Gottes Gnade, wenn er schließlich voll Freude feststelle: Zwar kann ich vor mir selbst nicht bestehen, aber in Christus bin ich gerechtfertigt und gerecht, gerecht gemacht durch Christus, der gerecht ist und gerecht macht.[185] Deshalb sei Jesus Christus der zentrale Inhalt und das entscheidende Kriterium der Schrift. Nehme man Christus aus ihr heraus, dann könne man nichts Wesentliches mehr in ihr finden: Die ganze Heilige Schrift spreche überall allein von Christus.[186]
Gemeinde und Kirche

Mit der Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520) rief Luther die Fürsten auf, die Reformation praktisch durchzuführen, weil die Bischöfe darin versagt hätten. Denn die „Romanisten“ hätten die kirchliche Obrigkeit über die weltliche gestellt und behauptet, nur der Papst dürfe die Bibel auslegen und ein Konzil einberufen. Bildung solle allen zugänglich sein, nicht nur dem Klerus. Zölibat und Kirchenstaat sollten abgeschafft, das Zinsnehmen eingeschränkt und das Betteln zugunsten einer geregelten Fürsorge für die Armen verboten werden. Er verwarf das Papsttum, das katholische Bischofsamt und das Sakrament der Priesterweihe, weil das NT das Priestertum aller Gläubigen lehre. Die Geistlichen sollten nur die Gemeinde leiten, besonders im Gottesdienst, mit Unterricht und Seelsorge. Jede Kirchengemeinde dürfe ihre Lehrer (Pfarrer) wählen und gegebenenfalls abwählen (Daß eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, 1523).
Luther selbst ordinierte 1542 Nikolaus von Amsdorf zum Bischof von Naumburg und 1544 einen weiteren evangelischen Bischof. Der Grundsatz der Gemeindewahl wurde nach dem Klevischen Krieg 1543 und dem Schmalkaldischen Krieg 1546/47, den Luther nicht mehr erlebte, nicht weiterverfolgt. Das zunächst als Provisorium gedachte „landesherrliche Kirchenregiment“, das auch das Ein- und Absetzen von „Notbischöfen“ (Luther) umfasste, blieb bis 1918 bestehen.[187]
Zwei-Reiche- und Drei-Stände-Lehre
Eine Ständeordnung prägte das damalige Europa, wobei die Formen der Herrschaftsausübung und Machtteilhabe regional erheblich variierten. Die Teilnahme der Stände in den einzelnen europäischen Regionen an den Agenturen und Administrationen gliederte sich zweifach. So bestanden auf Land- und Ständetagen für die höhere römisch-katholische Geistlichkeit und den Adel im Grundsatz Möglichkeiten zur Teilhabe an den Herrschaftsinstitutionen bzw. -entscheidungen, für die Bauern, Handwerker und Bürger hingegen kaum. Die bestehenden Ständegrenzen waren kaum durchlässig. Man wurde in einen Stand geboren und starb auch meist darin. Die ständische Ordnung galt als gottgegeben, durch die Schöpfung begründet. An der Spitze der Gesellschaft standen Kaiser und Papst, der (Hoch-)Adel, die regierenden Fürsten und Könige und der sich wesentlich aus dem Adel rekrutierende hohe Klerus, also Bischöfe, Äbte und Prälaten.[188]
In seinem Aufsatz Von der Freiheit eines Christenmenschen hatte Luther zwar die Befreiung von kirchlichen Traditionen und Autoritäten zugunsten des Dienstes am Mitmenschen betont. Doch eine Veränderung der hierarchischen mittelalterlichen Gesellschaftsordnung lag außerhalb seines Blickfelds. Im irdischen Leben habe jedermann, ohne aufzubegehren, an seinem Platz in der ständischen Ordnung zu verharren. Für Luther gab es prinzipiell zwei von Gott geführte, gottgewollte Regimente: Das weltliche Regiment (civitas terrena) der jeweiligen Inhaber von Regierungsämtern; ihre Zuständigkeit war die Einhaltung von Recht und Ordnung. Das geistliche Regiment (civitas dei) unterstellte Luther dem Wort Gottes. Diese Zweiteilung der Autorität und Herrschaftsbereiche Gottes stammte von Augustin: Dieser hatte Gottes Machtbereich unterteilt in die civitas dei (Gottes unsichtbares Reich und die Kirche als dessen irdisches Abbild) und die civitas terrena, das weltliche (konkret das vom christlichen Kaiser regierte römische) Reich. Die beiden Regimente durften nicht vermischt werden und ihre jeweiligen Vertreter durften keinen Einfluss auf das jeweils andere Reich nehmen.
Luthers Zwei-Reiche-Lehre beeinflusste seine Drei-Stände-Lehre:[189] Er wandelte das geläufige Ständeschema etwas ab und beantwortete durch seine strikte Trennung des geistlichen vom weltlichen Reich die alte Frage, ob Papst oder Kaiser die Oberherrschaft im weltlichen Bereich hätten, klar zugunsten der Kaiser und Fürsten. Zudem definierte er den dritten Stand vornehmlich als Hausstand, in dem die Eltern über die übrigen Hausangehörigen herrschen. Luther und die Lutheraner verlegten die Hierarchien zwischen den Ständen also in die drei Hauptstände:
- In der ecclesia (Kirche) standen die Prediger der Gemeinde gegenüber,
- in der politia (weltlicher Regierstand) die Obrigkeit den Untertanen und
- in der oeconomia (Hausstand) das Elternpaar den Kindern und dem Gesinde.
Da auch protestantische Geistliche verheiratet sein sollten, befanden auch sie sich im Hausstand. Auf diese Weise waren alle Menschen zugleich in allen drei Ständen verortet, die deshalb auch als genera vitae (Lebensbereiche) bezeichnet wurden. Theoretisch waren damit die drei Stände nebeneinander und nicht mehr untereinander angeordnet. In der Realität tasteten die Reformatoren die Herrschaftsverhältnisse nicht an. Der dritte Stand blieb weiter zugleich der Untertanenstand.[190]
Endzeiterwartung
Luther erwartete in seinen letzten Lebensjahren das Weltende. Er befasste sich stärker mit der Johannesapokalypse, die er früher als problematisch betrachtet hatte. Er identifizierte den Papst seit dessen Befehl zum Verbrennen seiner Schriften 1520 mit dem Antichrist. Die Türken und das Papsttum waren für ihn die beiden Mächte, die die letzte Bedrohung der Christenheit darstellten. Erschüttert reagierte er deshalb auf den Friedensschluss von Kaiser und Papst 1544 mit den Türken: Dies sei ein „verbrecherischer und wahnwitziger Vorgang“.[191]
Verhältnis zum Judentum
Zur Trias der vermeintlichen Feinde Jesu Christi hatte Luther schon früh neben Papstttum und Islam das Judentum gezählt. Er sah es als Werkreligion und damit als latente Gefährdung des evangelischen Christentums. 1523 hatte er die Christen jedoch ausdrücklich zur Anerkennung der Juden als leibliche Geschwister Jesu, zur Abkehr von der Gewaltmission und sozialen Integration jüdischer Minderheiten aufgerufen (Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei). Angesichts des für ihn enttäuschenden Reformationsverlaufs war er zunehmend davon abgerückt. 1543 veröffentlichte er drei antijudaistische Schriften, zuletzt Von den Juden und ihren Lügen: Darin rief er alle evangelischen Fürsten zur Vertreibung oder Versklavung der Juden ihrer Gebiete und zur Zerstörung ihrer Synagogen und Bethäuser auf, um die bisherige fürstliche Duldung der Juden zu beenden. Die Schrift veranlasste den Kurfürsten von Sachsen zum Judenmandat vom 6. Mai 1543, fand sonst damals aber kaum ein politisches Echo.[192] Langfristig trug Luthers theologischer Antijudaismus jedoch erheblich zum Antisemitismus unter deutschen Protestanten bei und diente in der Zeit des Nationalsozialismus zur Rechtfertigung der Judenverfolgung, besonders der Novemberpogrome 1938.
Verhältnis zur Täuferbewegung
In seinen Frühschriften warb Luther noch um Toleranz für abweichende religiöse Positionen. So schrieb er 1524, dass Häretikern mit der Heiligen Schrift und nicht mit dem Scheiterhaufen begegnet werden solle.[193] In seiner Ende 1527 verfassten Schrift Von der Wiedertaufe an zween Pfarrherrn wies Luther die Forderung der reformatorischen Täuferbewegung nach einer Bekenntnistaufe zwar zurück, kritisierte jedoch auch die bereits begonnenen Verfolgungen der noch jungen Bewegung. So schreibt er, es sei ihm „nicht recht und wahrlich leid, dass man solche elenden Leute so jämmerlich ermorde, verbrenne und greulich umbringe […] Man soll einen jeglichen lassen glauben, was er will. Glaubt er unrecht, so hat er genug Strafen an dem ewigen Feuer“.[194] Allein die täuferischen Anführer sollten außer Landes gewiesen werden.
Ab 1530 jedoch wollte auch Luther die Todesstrafe für die Täufer nicht mehr ausschließen.[195] Dieser Umschwung ist eventuell auf Melanchthons Einfluss und auf das Wiedertäufermandat des Reichstags von 1529 zurückzuführen. 1531 unterschrieb Luther mit Melanchthon ein Gutachten, das sich ausdrücklich für die Todesstrafe für Täufer aussprach. Er sah diese nun vor allem unter den Aspekten des Aufruhrs und der Blasphemie. Staatliche Stellen sollten sie vor allem wegen des angeblich durch sie geschürten Aufruhrs verfolgen. Für ihn waren die Täufer von einem „mörderischen, aufrührerischen, rachgierigen Geist, dem der Odem nach dem Schwert stinkt“.[196] Dass die Täufer ihre Treffen wegen der zunehmenden Verfolgung geheim abhielten, hielt Luther für „ein gewiss Zeichen des Teufels“. Er sprach selbst stets mit antitäuferischer Tendenz von Wiedertäufern.
Verhältnis zu Türken und Islam
In den Türkenkriegen (1521–1543) benutzte Luther die Gefahr der osmanischen Expansion zunächst für seine kirchenpolitischen Zwecke. Er erklärte, dass es zunächst gelte, den „inneren Türken“, also den Papst, zu besiegen, bevor man sich daran machen könne, gegen den Großtürken von Istanbul loszuschlagen, die er beide für Inkarnationen des Antichristen hielt. Als Wiens Belagerung durch Sultan Süleyman I. 1529 auch Mitteleuropa gefährdete, differenzierte er seine Haltung.[197] In seiner Schrift Vom Kriege wider die Türken erläuterte er, dass der Papst den Türkenkrieg bisher nur als Vorwand zum Kassieren von Ablassgeldern benutzt habe. Die Misserfolge in der Abwehr der osmanischen Expansion erklärte er mit seiner Zwei-Reiche-Lehre: Es sei nun einmal nicht Aufgabe der Kirche, zu Kriegen aufzurufen oder sie selbst zu leiten – dies ist eine deutliche Anspielung auf den ungarischen Bischof Pál Tomori, der als einer der Kommandanten für die verheerende Niederlage in der Schlacht bei Mohács (1526) verantwortlich war. Für die Verteidigung gegen die Türken sei allein die weltliche Obrigkeit zuständig, der jeder Mensch Gehorsam schulde, die mit dem Glauben jedoch nichts zu tun habe. Mit dieser Argumentation war jede Vorstellung von einem Kreuzzug gegen die Osmanen unvereinbar. Den Krieg gegen die Türken selbst rechtfertigte Luther als Verteidigungskrieg und mahnte zu gemeinsamem Handeln.
Diese strikte Trennung von geistlichen und weltlichen Zuständigkeiten hob Luther wenige Monate später wieder auf, als er im Herbst 1529 in seiner Heerpredigt wider die Türken diese als Feinde Christi und eschatologische Vorzeichen des Jüngsten Gerichts hinstellte und es zur Aufgabe gerade der Christen erklärte, „getrost dreinzuschlagen“. Mit diesen entschiedenen Tönen wollte er Vorwürfen den Boden entziehen, er habe sich durch Untergraben der Einheit des Christentums zum Handlanger der Türken gemacht.[198]
Luther bezog seine Korankenntnis hauptsächlich aus dem zur Koranwiderlegung verfassten Werk Contra legem Sarracenorum (1300) von Ricoldo da Monte di Croce, das er 1542 ins Deutsche übersetzte.[199]
Missiologie
Luthers Verständnis von „äußerer Mission“ bewegt sich im Wesentlichen in den Bahnen reformatorischer Vorstellungen. Es ist vor allem vom Gedanken an das wirkungsmächtige Wort Gottes geprägt. Von Gott ausgesandt, sei das Evangelium durch die Predigt der Apostel weltweit verbreitet worden: „Das ist auch geschehen, daß das Evangelium ist geprediget und dadurch das Reich Christi sehr groß erbauet an allen Orten unter dem Himmel.“[200] Der Lauf des Evangeliums vollzieht sich, so Luther ergänzend, aber auch in nachapostolischer Zeit und sammelt weltweit bis zum Jüngsten Gericht Menschen zum Reich Christi.
Eine organisierte Missionsveranstaltung sei nicht mehr notwendig, zumal das Apostolat und die damit einhergehende Berufung zur Weltmission (Mt 28,18-20) nicht mehr bestehe. Wenn die Umstände es erfordern, sei dennoch jedem Christen das missionarische Zeugnis aufgetragen: „Die Christen sollen auch dazu viel Frucht durchs Wort unter allen Heiden schaffen, viele bekehren und selig machen, also daß sie um sich fressen sollen wie ein Feuer.“[201]
Musik
Schon früh kam Luther mit Musik in Berührung, etwa als Kurrendesänger in Eisenach von 1498 bis 1501 und Chorsänger im Chorus musicus der Georgenkirche. Sein Studium der Septem artes liberales in Erfurt führte ihn auch musiktheoretischen Themen zu. Als er im April 1503 durch einen Degenstich zur Bettruhe gezwungen wurde, lernte und verbesserte er sein Lautenspiel, auch durch Unterricht von Erfurter Studenten. Auch mit dem Niederschreiben von Musikstücken, etwa der Intabulierung von Singstimmen für Instrumente, befasste er sich damals. So lernte er das Komponieren im polyphonen Stil seiner Zeit. Besonders schätzte er Kompositionen von Josquin Desprez und Ludwig Senfl, zu dem er um 1520 Briefkontakt hatte. Bei seiner Romreise 1511/12 lernte er die sich wandelnde Kirchenmusik kennen. Die Werke von Josquin Desprez beeinflussten nachhaltig Luthers Vorstellungen von einer reformatorischen Kirchenmusik.[202] Er kannte auch Werke von Pierre de la Rue und Heinrich Finck.[203]
Um 1525 stellte Kurfürst Friedrich III. Johann Walter als Sänger und Komponist der kursächsischen Hofkapelle zu Torgau ein. Walter leitete mit Luther im Herbst 1525 in Wittenberg die Reform der deutschen Messe ein. Doch Kurfürst Johann der Beständige löste die Hofkantorei 1526 auf. Gleichwohl wurde der in der katholischen Messe unübliche Gemeindegesang zu einem wesentlichen Element der evangelischen Gottesdienste.
Luther maß der Musik höchste Bedeutung für das Seelenheil des Menschen zu, weil sie „den Teufeln zuwider und unerträglich sei“ und „solches vermag, was nur die Theologie sonst verschafft, nämlich die Ruhe und ein fröhliches Gemüte.“[204]

Dabei wies er der musica practica eine stärkere Bedeutung bei als der Musiktheorie und Musikphilosophie, (musica speculativa).[205] So reimte er in seiner Vorrede auf alle guten Gesangbücher von 1538 als Lob der „Frau Musica“: „Hier kann nicht sein ein böser Mut, / wo da singen Gesellen gut. / Hie bleibt kein Zorn, Zank, Haß noch Neid / weichen muß alles Herzeleid. / Geiz, Sorg und was sonst hart anleiht / fährt hin mit aller Traurigkeit. […] Dem Teufel sie sein Werk zerstört / und verhindert viel böser Mörd.“ Laut Friedrich Schorlemmer fasste er damit therapeutische, kathartische, sublimierende und friedensstiftende Funktionen der Musik zusammen.[206]
Luther sah Musik auch als notwendigen Teil der schulischen und universitären Ausbildung. Jeder Schulmeister müsse singen können, auch angehende Pfarrer sollten musikalische Fertigkeiten mitbringen.[207] Er sagte in einer Tischrede: „Könige, Fürsten und Herren müssen die Musica erhalten. Denn grossen Potentaten und Regenten gebühret, über guten freyen Künsten und Gesetzen zu halten. […] Man muß Musicam von Noth wegen in Schulen behalten. […] Die Jugend soll man stets zu dieser Kunst gewöhnen, denn sie machet fein geschickte Leute.“[208]

Luther wandte sich gegen Tendenzen in der Reformationsbewegung, für ein rein innerlich-geistiges Glaubensverständnis auf Kunst und Musik zu verzichten:[209] „Auch daß ich nicht der Meinung bin, daß durchs Evangelion sollten alle Künste zu Boden geschlagen werden und vergehen, wie etliche Abergeistliche fürgeben, sondern ich wollt alle Künste, sonderlich die Musica, gerne sehen im Dienst des, der sie geben und geschaffen hat.“[210]
In den reformatorischen Kirchen gehörte der Gemeindegesang von Anfang an zu den fundamentalen Handlungselementen des Gottesdienstes. Um die Gemeinde stärker zu beteiligen, sollten laut Luthers Deutschen Messe von 1526 deutschsprachige Gemeindelieder, sogenannte Ordinariumslieder, lateinische Teile der Messe ersetzen oder ergänzen.[211] Dabei wollte er nicht nur den lateinischen Text übersetzen, sondern auch die Melodik der deutschen Sprache anpassen:[212] „Es muß beide, Text und Noten, Accent, Weise und Geberbe aus rechter Muttersprache und Stimme kommen; sonst ist Alles ein Nachahmen wie die Affen thun.“[213]
Von Luther sind 36 Lieder überliefert. Wahrscheinlich verfasste er insgesamt 45 Lieder und Gesänge und komponierte für mindestens 20 davon auch die Melodien selbst. Bei einigen unterstützten ihn der kurfürstliche Sangmeister Konrad Rupff und der Kantor Johann Walter.[214] Dabei verwendete Luther viele Formen der Übersetzung, Erweiterung und Kontrafaktur und schuf auch freie neue Lieder und Texte.[215] Er übersetzte traditionelle lateinische gregorianische Hymnen und passte ihre Melodie bei Bedarf dem Duktus der deutschen Sprache an. Seine Textdichtung sah er dabei kritisch, etwa als „garstige und schnöde Poeterey“.[216] Daneben verwendete er traditionelle Melodien von Volks-, Weihnachts-, Studenten- oder Kirchenliedern und wandelte sie teilweise geringfügig ab.[217] Durch neue Texte wollte er damals populäre weltliche Lieder allmählich dem geistlichen Gebrauch widmen:[218] „Gassenhauer, Reiter- und Bergliedlein christlich, moraliter und sittlich verändert, damit die bösen ärgerlichen Weisen, unnützen und schandbaren Liedlein auf der Gassen, Feldern, Häusern und anderswo zu singen, mit der Zeit abgehen möchten, wenn man christliche, gute, nützliche Texte und Worte darunter haben könnte.“
Luthers Lieder werden in Gattungen gegliedert:[219]
- Hymnenbearbeitungen und -übertragungen wie Nun komm, der Heiden Heiland (EG 4), Christum wir sollen loben schon, Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist (EG 126)[220]
- Katechismuslieder wie Dies sind die heilgen zehn Gebot (EG 231), Mensch, willst du leben seliglich, Wir glauben all an einen Gott (EG 183), Vater unser im Himmelreich (EG 344).
- Leisen wie Gelobet seist du, Jesu Christ (EG 23), Nun bitten wir den Heiligen Geist (EG 124), Christ ist erstanden (EG 99).
- Liturgische Gesänge: ein deutsches Sanctus, ein Kyrie (EG 192), ein Agnus Dei (EG 190.2), das Te Deum Herr Gott, dich loben wir (EG 191), Mit Fried und Freud ich fahr dahin (EG 519).
- Psalmlieder wie Aus tiefer Not schrei ich zu dir (EG 299), Wär Gott nicht mit uns diese Zeit, Ach Gott, vom Himmel sieh darein (EG 273), Es woll uns Gott genädig sein (EG 280), Lieder zu den Psalmen 14, 128. Diese Gattung gilt als „ureigenste Erfindung Luthers“, die alte Gesänge und Gebete Israels für die Christen seiner Zeit zugänglich machen und ihre Formen im reformatorischen Gottesdienst erhalten sollte.[221]
- Eigene Schöpfungen wie Ein neues Lied wir heben an (über die ersten Märtyrer der Reformation Hendrik Vos und Johannes van Esschen) und Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362, angelehnt an Ps 46). Auch bei weiteren Lutherliedern sind textliche und musikalische Vorbilder möglich.
Die Lutherchoräle erschienen erstmals 1523/24 im Achtliederbuch und 1524 in Wittenberg in einem evangelischen Gesangbuch. Sie wurden zu einer Säule des reformatorischen Gottesdienstes und prägten die Geschichte des geistlichen Liedes auf dem europäischen Kontinent nachhaltig.
Rezeption

Sprachprägende Wirkung
Luthers Sprachform war das Ostmitteldeutsche seiner Heimat, in dem nord- und süddeutsche Dialekte schon teilweise verschmolzen waren, was eine große Verbreitung seiner Schriften ermöglichte. Luthers Sprache ist nach Werner Besch (2014) außerdem eingebunden in die maßgebliche kursächsische Schreibtradition Wittenbergs. Erst Luthers Bibelübersetzung verschaffte dem obersächsisch-meißnischen Dialekt den Impuls zum allgemeinsprachlichen Frühneuhochdeutsch in ganz Deutschland, vor allem im niederdeutschen Raum, später auch im Oberdeutschen. „Das Deutsch seiner Bibel ist wohl der wichtigste Steuerungsfaktor in der jüngeren Sprachgeschichte“, so das Fazit von Besch.[222]
Mit der Bibelübersetzung, einem Gemeinschaftswerk Luthers, Melanchthons und weiterer Wittenberger Theologen, erzielte der Reformator eine große Breitenwirkung. Die endgültige sprachliche Gestaltung behielt sich Luther vor, so dass die Bezeichnung Lutherbibel zutreffend ist. Es gab vorher schon vierzehn hochdeutsche und vier niederdeutsche vorlutherische deutsche Bibeln. Die Prinzipien seiner Übersetzungsarbeit hat Luther selbst in seinem Sendbrief vom Dolmetschen von 1530 ausführlich dargestellt und gegen den katholischen Vorwurf der Textverfälschung gerechtfertigt.
Luther übersetzte nicht wortgetreu, sondern versuchte, biblische Aussagen nach ihrem Sinn (sensus literalis) ins Deutsche zu übertragen. Dabei legte er die Bibel gemäß seiner Auffassung von dem her aus, „was Christum treibet“, und dies hieß für ihn, auszugehen von Gottes Gnade in Christus als Ziel und Mitte der ganzen Schrift. Er begriff das Evangelium „eher als mündliche Botschaft denn als literarischen Text, und von daher erhielt die Übersetzung ihren sprechsprachlichen, hörbezogenen Charakter.“ Seine sprachliche Gestaltung wirkte bis zur Gegenwart stil- und sprachbildend. Im Bereich des Wortschatzes ersann er Ausdrücke wie „Sündenbock“, „Lückenbüßer“, „Lockvogel“ oder „Dachrinne“. Auch Redewendungen wie „Perlen vor die Säue werfen“ gehen auf ihn zurück. Neben diesen Neuerungen bewahrte er aber auch historische Formen der Morphologie, die schon weitgehend durch Apokope verschwunden waren, wie das lutherische e. Durch seine Übersetzung wurde die Großschreibung der Nomen beibehalten. Luthers Bibel gilt auch dichterisch als große Leistung, da sie bis in den Silbenrhythmus (Prosodie) hinein durchdacht ist.[223]
Lutherforschung
Luthers Theologie wird seit 1800 erforscht, systematisch seit etwa 1900. Ihre Deutung war stets eng mit der Zeitgeschichte verbunden. Wichtige Lutherforscher waren Theodosius Harnack (konfessionelle preußisch-konservative Restauration), Albrecht Ritschl und Wilhelm Herrmann (neukantianischer Individualismus), Karl Holl und Erich Seeberg (Lutherrenaissance), wichtige Lutherinterpreten waren Friedrich Gogarten, Rudolf Bultmann, Gerhard Ebeling (existentiale Interpretation), Walther von Loewenich, Ernst Wolf und Hans Joachim Iwand (sozialkritisches Luthertum nach 1945).
Die kritische Weimarer Gesamtausgabe entstand ab 1883. Bis 1920 wurden viele Luthermanuskripte entdeckt (Vorlesungen 1509–1518, Predigtnachschriften, Disputationsprotokolle 1522–1546). Die 1918 gegründete Luther-Gesellschaft gibt die Zeitschrift Luther sowie die Lutherjahrbücher heraus. Seit 1945 findet im mehrjährigen Turnus ein Internationaler Kongress für Lutherforschung statt, an dem seit dem dritten Treffen in Helsinki auch katholische Fachleute teilnehmen.[224]
Zahlreiche Studien zu bestimmten Lebensabschnitten oder Einzelfragen erschienen. Dabei wurde auf evangelischer Seite lange vorrangig die reformatorische Wende erforscht. Neuere Textfunde und interkonfessionelle Forschungsprojekte hellten allmählich das differenzierte und komplexe Verhältnis Luthers zur katholischen Tradition auf.[225] Wie zuerst der Kirchenhistoriker Otto Scheel feststellte, kam Luther vor seinem Theologiestudium mit keinen häretischen, humanistischen und kirchenkritischen Strömungen seiner Zeit in Berührung.[226] Der Psychoanalytiker Erik H. Erikson versuchte 1958, Luthers Theologie aus frühkindlichen Deformationen seiner Sexualität und angestauten Schuld- und Hassgefühlen gegen seinen Vater zu erklären.[227] Joseph Lortz repräsentiert eine neuere katholische Sicht: Luther habe Augustinus als „katholisches Erbe“ lebenslang bewahrt, den Ockhamismus und Thomas von Aquin dagegen zu wenig gekannt und bekämpft: „Luther rang in sich einen Katholizismus nieder, der nicht katholisch war.“[228]
Bilder

Luther gehört zu den am häufigsten abgebildeten Personen der deutschen Geschichte. Zu Lebzeiten schuf die Cranachwerkstatt rund 500 Bilder von ihm, davon mindestens 306 Porträts. Viele davon beruhen auf elf Porträts, die Lucas Cranach der Ältere und seine Söhne als Hofmaler des sächsischen Kurfürsten herstellten und für die Luther Modell saß. Das Totenbild schuf Lukas Furtenagel. Zudem malten fast alle damaligen wichtigen Künstler nicht persönlich autorisierte Lutherbilder. Nur Albrecht Dürer, der Luthers Lehren seit 1520 anhing und abzubilden wünschte, fehlt aus unbekannten Gründen. Zudem wird eine hohe Dunkelziffer verschollener Lutherbilder vermutet.[229]
Verschiedene Bildmerkmale kennzeichnen Luther etwa als Mönch (mit Tonsur und Mönchskutte), Theologe (mit Doktorhut), Junker Jörg (mit Vollbart), Ehemann (mit Katharina von Bora), Prediger bzw. Kirchenvater (in schwarzem Gewand, mit Buch oder Schriftrolle), Professor (in Schaube mit Pelzkragen).[230] Spätere Künstler interpretierten die von Cranach dem Älteren geprägten Luthertypen immer wieder für die eigene historische Situation und Position und stellten ihn etwa als milde lächelnden Pietisten, Aufklärer, romantisches Genie, Visionär des Kaiserreichs, als ,Nationalsozialisten‘ oder Parteigänger der Herrschenden dar. Neuere Bearbeitungen verwenden sein Bild als Werbeträger oder Medium digitaler Kunstwerke.[231]
Gedenken und Museen
Zum 450. Jahrestag der Reformation erschien Luthers Porträt mit Doktorhut im Briefmarken-Jahrgang 1967 der Deutschen Post der DDR. Zum 500. Luthergeburtstag 1983 prägten die Bundesrepublik Deutschland und die DDR jeweils eine silberne Gedenkmünze; es erschienen Sonderbriefmarken, so im Briefmarken-Jahrgang 1982 der Deutschen Post der DDR, auf einem im gleichen Jahr verausgabten Kleinbogen der Deutschen Post der DDR, auf einem Briefmarkenblock vom 18. Oktober 1983 der DDR-Post, im Briefmarken-Jahrgang 1983 der Deutschen Post der DDR sowie im Briefmarken-Jahrgang 1983 der Deutschen Bundespost. Bereits 1961 war Luther auf dem 0,15 DM - Wert der Dauermarkenserie Bedeutende Deutsche vertreten.

Viele Kirchengebäude heißen Lutherkirche. In der Kirche St. Michael in Jena steht seit 1571 sein Grabstein. Die Evangelische Kirche in Deutschland gedenkt laut ihrem Perikopenbuch (2018) am 25. Juni des Augsburger Bekenntnisses, am 31. Oktober der Reformation. Der Evangelische Namenkalender sieht ferner einen Gedenktag für Martin Luther am 18. Februar vor. Auch Anglikaner feiern den Reformationstag jährlich am 31. Oktober.
Am 5. Dezember 1914 wurde das Theaterstück Luther. Deutsche Historie mit einem Vorspiel und 13 Bildern von August Strindberg im Deutschen Künstlertheater in Berlin uraufgeführt. Es spielten unter anderem Kurt Vespermann (der junge Luther im Vorspiel), Friedrich Kayßler (Dr. Martin Luther), Emil Jannings und Rudolf Schildkraut.
Im September 2008 eröffnete der Lutherische Weltbund die Luther-Dekade, die auf das 500-jährige Jubiläum des Thesenanschlags in Wittenberg hinführen und die weltweite Bedeutung der Reformation vermitteln sollte. Dazu wurde ein Luthergarten Wittenberg angelegt.
Auch eine Pflanzengattung Luthera ist nach ihm benannt.[232]
Werke
Bibliographie
- Josef Benzing, Helmut Claus: Lutherbibliographie: Verzeichnis der gedruckten Schriften Martin Luthers bis zu dessen Tod. Band 2 mit Anhang: Bibel und Bibelteile in Luthers Übersetzung 1522–1546. 2. Auflage, Koerner, Baden-Baden 1994.
- Im Bestand der Bibliotheca Eugeniana der Österreichischen Nationalbibliothek befindet sich die Ausgabe letzter Hand (1545) von Martin Luthers Übersetzung des Alten und Neuen Testaments: Biblia: das ist: Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch. D. Mart. Luth. Wittenberg: Hans Lufft 1545; Monika Kiegler-Griensteidl lieferte im Dezember 2023 eine Beschreibung des Werk im Forschungsblog der Österreichischen Nationalbibliothek.
- Weimarer Ausgabe (WA): D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. 120 Bände, Weimar 1883–2009 (Sonderedition 2000–2007), ISBN 3-7400-0945-4.
- Kurt Aland (Hrsg.): Luther deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart, 10 Bände, ein Registerband, ein Ergänzungsband. (ab 1957) 4. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1991, ISBN 3-8252-1656-X. – Als CD-Rom: Martin Luther, Gesammelte Werke. Digitale Bibliothek Band 63. Directmedia, Berlin 2002, ISBN 3-89853-639-4.
- Martin Luther. Studienausgabe in 6 Bänden. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig, 1987–1999.
Literatur
Historischer Kontext
- Volker Leppin: Die Reformation. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2017, ISBN 978-3-534-26875-7.
- Heinz Schilling: 1517. Weltgeschichte eines Jahres. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-70069-9.
- Thomas Kaufmann: Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69607-7.
- Luise Schorn-Schütte: Die Reformation. Vorgeschichte, Verlauf, Wirkung. 6. Auflage, Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69358-8.
- Tillmann Bendikowski: Der deutsche Glaubenskrieg. Martin Luther, der Papst und die Folgen. Bertelsmann, München 2016, ISBN 978-3-570-10197-1.
Biografien
- Wolfgang Beutin: Der radikale Doktor Martin Luther. Ein Streit- und Lesebuch. Peter Lang, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-631-65787-4.
- Volker Reinhardt: Luther, der Ketzer. Rom und die Reformation. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68828-7.
- Lyndal Roper: Der Mensch Martin Luther – Die Biographie. S. Fischer, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-10-066088-6.
- Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie. (2012) 4. aktualisierte Auflage, Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-70105-4.
- Willi Winkler: Luther. Ein deutscher Rebell. Rowohlt, Berlin 2016, ISBN 978-3-87134-723-8.
- Klaus-Rüdiger Mai: Martin Luther – Prophet der Freiheit. Romanbiografie. Kreuz Verlag, Freiburg im Breisgau 2014, ISBN 978-3-451-61226-8.
- Thomas Kaufmann: Martin Luther. 2., durchgesehene Auflage, Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-50888-2.
- Christian Feldmann: Martin Luther. Rowohlt, Reinbek 2009, ISBN 978-3-499-50706-9.
- Athina Lexutt: Luther. UTB, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8252-3021-0.
- Horst Herrmann: Martin Luther: Eine Biographie. Aufbau, Berlin 2003, ISBN 3-7466-1933-5.
- Christian Graf von Krockow: Porträts berühmter deutscher Männer: Von Martin Luther bis zur Gegenwart. List, München 2001, ISBN 3-548-60447-1, S. 11–56.
- Heinz Zahrnt: Martin Luther: Reformator wider Willen. Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig 2000, ISBN 3-374-01838-6.
- Horst Herrmann: Martin Luther: Ketzer und Reformator, Mönch und Ehemann. Orbis, München 1999, ISBN 3-572-10044-5.
- Bernhard Lohse: Martin Luther: eine Einführung in sein Leben und sein Werk. Beck, München 1997, ISBN 978-3-406-41982-9.
- Heinrich Fausel: D. Martin Luther: Leben und Werk. 2 Bände. Hänssler, Neuhausen-Stuttgart 1996, ISBN 3-7751-2440-3.
- Richard Friedenthal: Luther: Sein Leben und seine Zeit (1967) 8. Auflage, Piper, München / Zürich 1996, ISBN 3-492-20259-4.
- Martin Brecht: Martin Luther. Calwer, Stuttgart:
- Band 1: Sein Weg zur Reformation 1483–1521. 1981, ISBN 3-7668-0678-5.
- Band 2: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521–1532. 1986, ISBN 3-7668-0792-7.
- Band 3: Die Erhaltung der Kirche 1532–1546. 1987, ISBN 3-7668-0825-7.
- Gerhard Müller: Luther, Martin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 549–561 (Digitalisat).
- Manfred Schulze: Luther, Martin. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3, Sp. 447–482.
Biografische Einzelthemen
- Andrew Pettegree: Die Marke Luther. Insel, Berlin 2016, ISBN 978-3-458-17691-6.
- Jürgen Udolph: Martinus Luder – Eleutherius – Martin Luther. Warum änderte Martin Luther seinen Namen? Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-8253-6640-7.
- Lyndal Roper: Der feiste Doktor. Luther, sein Körper und seine Biographen. Wallstein, Göttingen 2012, ISBN 978-3-8353-1158-9.
- Hans-Joachim Neumann: Luthers Leiden: Die Krankheitsgeschichte des Reformators. Wichern, Berlin 1995, ISBN 3-88981-081-0.
Theologie
- Reinhard Schwarz: Martin Luther. Lehrer der christlichen Religion. Mohr Siebeck, Tübingen 2015, ISBN 978-3-16-151880-5.
- Volker Leppin, Gury Schneider-Ludorff (Hrsg.): Das Luther-Lexikon. Bückle & Böhm, Regensburg 2014, ISBN 978-3-941530-05-8.
- Albrecht Beutel (Hrsg.): Luther Handbuch. 2. Auflage, Mohr & Siebeck, Tübingen 2010, ISBN 978-3-8252-3416-4.
- Christopher Spehr: Luther und das Konzil. Zur Entwicklung eines zentralen Themas in der Reformationszeit. Mohr Siebeck, Tübingen 2010, ISBN 978-3-16-150474-7.
- Hans-Martin Barth: Die Theologie Martin Luthers. Eine kritische Würdigung. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009, ISBN 978-3-579-08045-1.
- Oswald Bayer: Martin Luthers Theologie. Eine Vergegenwärtigung. Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 3-16-148122-4.
- Otto Hermann Pesch: Hinführung zu Luther. Grünewald, Mainz 2004, ISBN 3-7867-2525-X.
- Bernhard Lohse: Luthers Theologie in ihrer historischen Entwicklung und in ihrem systematischen Zusammenhang. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1995, ISBN 3-525-52197-9.
Theologische Einzelthemen
- Volker Leppin: Die fremde Reformation. Luthers mystische Wurzeln. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69081-5.
- Daniela Blum: Der katholische Luther. Begegnungen, Prägungen, Rezeptionen. Schöningh, Paderborn 2016, ISBN 3-506-78238-X.
- Hans-Joachim Böttcher: Die Türkenkriege im Spiegel sächsischer Biographien. Gabriele Schäfer, Herne 2019, ISBN 978-3-944487-63-2. S. 21–39 (Die Türkengefahr und Luther).
- Peter Zimmerling: Evangelische Mystik. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015, ISBN 978-3-525-57041-8, S. 37–57
- Jonathan Mumme: Die Präsenz Christi im Amt: Am Beispiel ausgewählter Predigten Martin Luthers, 1535–1546. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen/Bristol 2015, ISBN 978-3-525-55080-9.
- Christoph Burger: Tradition und Neubeginn. Martin Luther in seinen frühen Jahren. Mohr Siebeck, Tübingen 2014, ISBN 978-3-16-153057-9.
- Volker Stümke: Das Friedensverständnis Martin Luthers: Grundlagen und Anwendungsbereiche seiner politischen Ethik. Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019970-5.
- Lothar Schmelz, Michael Ludscheid (Hrsg.): Luthers Erfurter Kloster. Das Augustinerkloster im Spannungsfeld von monastischer Tradition und protestantischem Geist. Erfurt 2005, ISBN 3-937981-10-1.
- Martin Treu: Martin Luther und das Geld. Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Wittenberg 2000, ISBN 3-9806328-9-X.
- Jörg Haustein: Martin Luthers Stellung zum Zauber- und Hexenwesen. Kohlhammer, Stuttgart 1990, ISBN 3-17-010769-0.
- Werner Raupp: Reformation und Mission, in: Werner Raupp (Hrsg.): Mission in Quellentexten. Geschichte der Deutschen Evangelischen Mission von der Reformation bis zur Weltmissionskonferenz Edinburgh 1910. Erlangen / Bad Liebenzell 1990, ISBN 3-87214-238-0, S. 13–20
Zu Luthers Sprache und Literatur
- Markus Hundt: Sprachliche Aggression bei Martin Luther. Argumentationsformen und -funktionen am Beispiel der Streitschrift "Wider das Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet" (1545). De Gruyter, Berlin 2022, ISBN 978-3-11-075357-8.
- Marina Münkler: Anbruch der neuen Zeit. Das dramatische 16. Jahrhundert. Rowohlt, Hamburg 2024, ISBN 978-3-644-10008-4, S. 293 ff.
Siehe auch
Weblinks
- Luther in der Welt der Briefmarken und Stempel
- Lutherbriefe im Staatsarchiv Marburg
- Kritischer Katalog der Luther-Bildnisse Ergebnisse des gleichnamigen Forschungsprojektes, 2018–2021, Germanisches Nationalmuseum / Cranach Digital Archive / Universität Erlangen-Nürnberg / Cologne Institute of Conservation Sciences / Technische Hochschule Köln.
Biografien
- Thomas Kaufmann: Martin Luther. In: Mennonitisches Lexikon. Band 5 (MennLex 5).
Quellen
- Werke von und über Martin Luther in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Linkkatalog zum Thema Martin Luther bei curlie.org (ehemals DMOZ)
- Literatur von und über Martin Luther im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Martin Luther im Index Theologicus
- Druckschriften von und über Martin Luther im VD 16.
- Druckschriften von und über Martin Luther im VD 17.
- Druckschriften von und über Martin Luther im VD 18.
- Werke von Martin Luther bei Zeno.org.
- Werke von Martin Luther im Projekt Gutenberg-DE (Lieder, Fabeln, Predigten und die revidierte Bibel von 1912)
- Martin Luther im Internet Archive
- Commentarius in psalmos Davidis digitalisierte Handschrift des lateinischen Kommentars Luthers zu den Psalmen an der SLUB Dresden
- Hermann Schüling: Die Lutherhandschriften der Universitätsbibliothek Giessen: Katalog, mit Edition unbekannter Texte, Universitätsbibliothek Gießen, 1968, urn:nbn:de:hebis:26-opus-36465
- Dr. Martin Luther’s (eigenhändig geschriebene) Ermanunge zum Fride auff die zwelff artikel der bawerschafft ynn Schwaben (BSB Cgm 4101)
- Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt
- Über 300 Luthertexte in der Glaubensstimme
- Druckgraphische Porträts von Martin Luther
- Lutheriden-Vereinigung, Nachkommen von Martin Luther und Katharina von Bora
Luther und die Juden
- Martin Luther und die Juden
- Martin Luthers Antijudaismus, seine Wirkung und Aufarbeitung im Protestantismus
- Jewishencyclopedia (englisch)
- Luthers Bedeutung für eine multikulturelle Gesellschaft (PDF-Datei; 80 kB)
Luther und das Alte Testament
- Siegfried Hermle: Luther, Martin (AT). In: Michaela Bauks, Michael Pietsch, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart Januar 2008
Luther und seine Testamente (1537 und 1542)
Theologie und Philosophie
- Robert Stern: Martin Luther. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2020.
- Robert Stern: Luther’s Influence on Philosophy. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2020.
- David M. Whitford: Martin Luther (1483–1546). In: James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
Einzelnachweise
- ↑ Horst Herrmann: Martin Luther, München 1999, S. 14
- ↑ Bernd Moeller, Karl Stackmann: Luder – Luther – Eleutherius. Erwägungen zu Luthers Namen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1981
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1. Stuttgart 1983, S. 13
- ↑ Jens Bulisch: Wie alt ist Martin Luther geworden? Zum Geburtsjahr 1482 oder 1484. In: Albrecht Beutel, Michael Beyer (Hrsg.): Lutherjahrbuch 77. Jahrgang. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-525-87442-4, S. 29–39, hier S. 33 und 37
- ↑ Karl Bischoff: Sprache und Geschichte an der mittleren Elbe und der unteren Saale. Köln/Graz 1967. S. 243f.; WA 4, S. 605
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 24
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 27f.
- ↑ Jochen Birkenmeier: Das/The Lutherhaus Eisenach. Eisenach 2015, S. 11f.
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 30–32
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther. Band 1, Stuttgart 1983, S. 39
- ↑ Josef Pilvousek: Askese, Brüderlichkeit und Wissenschaft. Die Ideale der Erfurter Augustiner-Eremiten und ihre Bemühungen um eine innovative Umsetzung. In: Christoph Bultmann et al. (Hrsg.): Luther und das monastische Erbe. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149370-6, S. 39–55, hier S. 50
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 41–44
- ↑ Otto Hermann Pesch: Hinführung zu Luther. Mainz 2004, S. 86f.
- ↑ John Balserak: Das mittelalterliche Erbe Martin Luthers. In: Alberto Melloni (Hrsg.): Martin Luther. Ein Christ zwischen Reformen und Moderne (1517–2017), Teilband 1. De Gruyter, Berlin 2017, ISBN 978-3-11-049825-7, S. 147–162, hier S. 150
- ↑ Thomas Kaufmann: Martin Luther. München 2006, S. 32f.
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 55–58
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 65–68
- ↑ Thomas Kaufmann: Martin Luther, München 2006, S. 34
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 77f.
- ↑ Johannes Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. 4. Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen 1993, ISBN 3-8252-1355-2, S. 17
- ↑ Otto Hermann Pesch: Hinführung zu Luther. Mainz 2004, S. 82
- ↑ Johannes Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. 4. Auflage, Tübingen 1993, S. 18
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 98
- ↑ a b Thomas Kaufmann: Erlöste und Verdammte, München 2017, S. 98
- ↑ Hans Schneider: Martin Luthers Reise nach Rom – neu datiert und neu gedeutet. In: Werner Lehfeldt (Hrsg.): Studien zur Wissenschafts- und zur Religionsgeschichte. De Gruyter, Berlin 2011, ISBN 978-3-11-025175-3, S. 102
- ↑ Otto Hermann Pesch: Hinführung zu Luther. Mainz 2004, S. 83
- ↑ Ulrich Köpf: Martin Luther als Mönch. In: Ulrich Köpf: Monastische Theologie und Protestantismus: gesammelte Aufsätze. Mohr Siebeck, Tübingen 2018, ISBN 978-3-16-156526-7, S. 376–394, hier S. 381
- ↑ Hans Schneider: Martin Luthers Reise nach Rom – neu datiert und neu gedeutet. In: Werner Lehfeldt (Hrsg.): Studien zur Wissenschafts- und zur Religionsgeschichte, Berlin 2011, S. 45f.
- ↑ Johannes Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. 4. Auflage, Tübingen 1993, S. 64
- ↑ Siegfried Hermle: Luther, Martin (AT). In: Michaela Bauks, Michael Pietsch, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart Januar 2008, abgerufen am 1. November 2024.. Abschnitt: 1.2. Luthers Hebräischkenntnisse
- ↑ Albrecht Beutel (Hrsg.): Luther Handbuch. 3. Auflage, Tübingen 2017, S. 91f.
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 51
- ↑ Heinz Schilling: Martin Luther: Rebell in einer Zeit des Umbruchs, 2013
- ↑ Hans Schneider: Luthers Romreise. In: Michael Matheus et al. (Hrsg.): Martin Luther in Rom: Die Ewige Stadt als kosmopolitisches Zentrum und ihre Wahrnehmung. De Gruyter, Berlin 2017, S. 23
- ↑ Johannes Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. 3. Auflage, Tübingen 1993, S. 19
- ↑ Volker Leppin: „Salve, Sancta Roma“. Luthers Erinnerungen an seine Romreise. In: Michael Matheus et al. (Hrsg.): Martin Luther in Rom: Die Ewige Stadt als kosmopolitisches Zentrum und ihre Wahrnehmung. Berlin 2017, S. 35
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 111
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 126f.
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 116
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 150
- ↑ Christoph Burger: Luther im Spannungsfeld zwischen Heiligungsstreben und dem Alltag eines Ordensmannes. In: Christoph Bultmann, Volker Leppin, Andreas Lindner (Hrsg.): Luther und das monastische Erbe. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, S. 181
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 155
- ↑ Albrecht Beutel (Hrsg.): Luther Handbuch. 3. Auflage 2017, S. 108f.
- ↑ a b Otto Hermann Pesch: Hinführung zu Luther. Mainz 2004, S. 63
- ↑ Otto Hermann Pesch: Hinführung zu Luther. Mainz 2004, S. 70
- ↑ Otto Hermann Pesch: Hinführung zu Luther. Mainz 2004, S. 83
- ↑ Christoph Markschies, Michael Trowitzsch (Hrsg.): Luther, zwischen den Zeiten: eine Jenaer Ringvorlesung. Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 978-3-16-147236-7, S. 28
- ↑ Siegfried Hermle: Luther, Martin (AT). In: Michaela Bauks, Michael Pietsch, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart Januar 2008, abgerufen am 1. November 2024.
- ↑ Thomas Kaufmann: Erlöste und Verdammte, München 2017, S. 95
- ↑ Martin Brecht: Martin Luther Band 1, Stuttgart 1983, S. 219
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| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Luther, Martin |
| ALTERNATIVNAMEN | Luder, Martin |
| KURZBESCHREIBUNG | Mönch, Theologe und Reformator |
| GEBURTSDATUM | 10. November 1483 |
| GEBURTSORT | Eisleben, Grafschaft Mansfeld |
| STERBEDATUM | 18. Februar 1546 |
| STERBEORT | Eisleben, Grafschaft Mansfeld |
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- Geboren 1483
- Gestorben 1546
- Mann