Karl Schneidt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Karl Borromäus Schneidt, auch Carl Schneidt (* 13. Mai 1854 in Rußhütte; † 2. November 1945 in Eggersdorf) war ein deutscher Redakteur, Herausgeber, Agitator, Autor, Lehrer und Anarchist.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl Schneidt absolvierte ein Universitätsstudium der Philologie in Heidelberg und Bonn, danach war er zeitweise als Lehrer in Linz und Saarbrücken tätig. Er beschäftigte sich eingehend mit sozialistischen und sozialdemokratischen Bestrebungen seiner Zeit, ab Mitte der 1870er Jahre arbeitete er als Journalist unter anderem für die Zeitung Bergische Volksstimme in Barmen. Dort war Schneidt zwölf Monate im Gefängnis wegen Verstoßes gegen die damaligen Paragraphen § 130 (Volksverhetzung) und § 171 (Gewaltdarstellung).[1]

1879 gab er zusammen mit Wilhelm Hasselmann und anderen das Hamburger Volksblatt heraus. Ein Jahr später emigrierte er nach Brüssel und nahm an einem sozialrevolutionären Kongress teil. Danach reiste er nach Paris, wo er Ende 1881 ausgewiesen wurde und dann nach London emigrierte.[2]

In London machte er Bekanntschaft mit Pjotr Alexejewitsch Kropotkin und Errico Malatesta. Zusammen mit Kropotkin und Malatesta wurde Schneidt in das Executivcomité der Londoner Anarchisten gewählt. Dort schloss er sich der Opposition um Johann Most und Wilhelm Hasselmann an und war zeitweise Redakteur der Zeitschrift Freiheit, eine anfangs sozialdemokratische und später anarchistische Zeitung.[3]

In London hatten Hasselmann und Schneidt Probleme mit Spitzeln, deshalb kehrten sie im November 1883 nach Deutschland zurück, wobei Schneidt in Potsdam verhaftet wurde. In Leipzig bekam Schneidt eine Anklage wegen Hochverrats und nach fünf Monaten Haft kam wegen Mangel an Beweisen wieder frei. Er unterhielt später Kontakte zu illegalen Gruppen in Magdeburg und war dort als Herausgeber von zwei Zeitungen tätig. 1889/1890 betätigte er sich als Agitator für die Gewerkschaft der Bergarbeiter im Rheinland und im Saargebiet. 1891 war Schneidt Gründungsmitglied des „Vereins der unabhängigen Sozialisten“. Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes reiste er nach Berlin und führte dort auf publizistischer und agitatorischer Basis eine Initiative gegen Antisemitismus, Klassenjustiz, staatliche Repressionen sowie den preußischen Militarismus. Mit zwei Redakteuren der Zeitung Vorwärts wurde Schneidt 1905 wegen Enthüllungen über die Zustände in preußischen Gefängnissen im sogenannten „Plötzensee-Prozess“ angeklagt. Die Verteidigung hatte Karl Liebknecht übernommen.

Wegen eines Artikels in der Zeitung Zeit am Montag – unter dem Titel Moderne Irrenhausfolter – wurde gegen Schneidt ein Strafantrag gestellt. Die Begründung fußte auf Beleidigung der im Artikel genannten Ärzte des Irrenhauses. Im betreffenden Artikel wurde erwähnt, dass der Oberarzt der Schwiegersohn des Direktors und der erste Assistent der Sohn des Direktors war. Im Artikel war von „Ärzte-Dreifaltigkeit“ und „brutaler Vergewaltigung“ zu lesen.[4]

In den 1920er Jahren war Karl Schneidt zeitweilig im Zentralvorstand der Hilfsorganisation für politische Gefangene, der Roten Hilfe (RHD), tätig.[5]

Karl Schneidt veröffentlichte unter den Pseudonymen Karl von Klarenthal, Hans Strei, Mephisto, Charles beziehungsweise Carolus Robert. Weitere Namen von ihm sind Carl Schneidt, Carl B. Schneidt und Karl Borromäus Schneidt.

Als Herausgeber und Redakteur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1882 war Karl Schneidt Redakteur der Zeitschrift Freiheit, von den Ausgaben 23 bis 39. 1885 gab er das Neue Magdeburger Tageblatt (Gerichtszeitung) heraus. Von 1891 bis 1893 in Berlin Herausgeber der satirischen Wochenschrift Spottvogel. 1892 veröffentlichte er eine Halbmonatsschrift zur Bekämpfung des Antisemitismus unter dem Titel Die Schmach des Jahrhunderts. In Magdeburg gründete er 1895 die Monatsschrift Die deutschen Volksblätter. Von 1894 bis 1902 gab er die Monatsschrift für das öffentliche Leben mit dem Titel Die Kritik heraus. Untertitel: „Boulevardblatt mit libertären Tendenzen“. Die Zeit am Montag erschien 1894. Von 1905 bis 1921 war er Herausgeber der Wochenschrift Die Tribüne, für Belehrung, Aufklärung und Unterhaltung.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Acht Veröffentlichungen sind im IISG archiviert, search.socialhistory.org.

  • Die Hintermänner der Socialdemokratie. (PDF; 994 kB) 1890.
  • Der Prozess Ahlwardt und anderes. Moderner Verlag, Berlin 1892.
  • Die Eiserne Maske. Das enthüllte Geheimnis der Socialdemokratie. 1892.
  • Neue Aufschlüsse über die Hunger-Revolte in Berlin. 1892.
  • Das Kellnerinnen-Elend in Berlin. Moderner Verlag, Berlin 1893. (Digitalisat)[6]
  • Die Magdeburger Majestätsbeleidigungsprozesse. Kritische Erörterungen. Spottvogelverlag, Berlin 1899
  • Wilhelm II. von Gottes Gnaden. 1911.
  • Die Sozialdemokratie in Feldgrau. Ernste Betrachtungen in ernster Zeit. Berlin, circa 1915.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bernd Braun, Joachim Eichler (Hrsg.): „Arbeiterführer, Parlamentarier, Parteiveteran.“ Die Tagebücher des Sozialdemokraten Hermann Molkenbuhr 1905 bis 1927. Oldenbourg Verlag, 2000, ISBN 3-486-56424-2, S. 335.
  • Franz Mehring: Geschichte der Deutschen Sozialdemokratie. Band 4: Bis zum Erfurter Programm. Verlag Elibron Classics, 2006, ISBN 0-543-92304-5, S. 182.
  • Max Nettlau (Hrsg.): Anarchisten und Sozialrevolutionäre. 1. Auflage. Bibliothek Thélème, Münster 1993, ISBN 3-930819-06-6, S. 154 und 314 (Geschichte der Anarchie, Band 3). Neudruck der Ausgabe: Verlag Der Syndikalist, Berlin 1927.
  • Max Nettlau (Hrsg.): Anarchisten und Syndikalisten. Topos-Verlag, Vaduz 1984, ISBN 3-289-00293-4, S. 237 (Geschichte der Anarchie, Band 5).
  • Nick Brauns: Schafft Rote Hilfe! Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene in Deutschland (1919–1938). Pahl-Rugenstein Verlag, Bonn 2003, ISBN 3-89144-297-1.
  • August Bebel: Die Frau und der Sozialismus. 62. Auflage. Dietz Verlag, Berlin 1973, 12. Kapitel, S. 230/231.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Schneidt, Karl. Kurzbiografie. Abgerufen am 1. Dezember 2013.
  2. Bernd Braun, Joachim Eichler: Arbeiterführer, Parlamentarier, Parteiveteran. S. 335. Zitat: „Karl Schneidt (* 1854), Lehrer und Redakteur, seit 1879 in Hamburg, Anarchist, Korrespondent der von Johann Most herausgegebenen anarchistischen ‚Freiheit‘, 1880 Emigration nach Belgien, später Frankreich, nach Ausweisung aus beiden Ländern 1881 Übersiedlung nach London, Mitarbeiter, seit 1882 Hauptredakteur der ‚Freiheit‘.“
  3. Franz Mehring: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. S. 182. Zitat: „Als ein gewisser Neumann, ein angeblicher ‚Sozialrevolutionär‘ aus Berlin, auf der Reise nach London bei Hasselmann vorsprach, gab dieser dem falschen Bruder einen blutdürftigen Artikel für die [Zeitschrift] Freiheit mit. Als dann verlautete, dass Neumann wahrscheinlich ein Spitzel sei, wie er es denn wirklich war, hielten Hasselmann und sein Helfershelfer Karl Schneidt, ein ehemaliger Privatlehrer, schleunige Flucht für um so geratener, als sie bei den deutschen Arbeitern nichts mehr zu verlieren hatte. Gefördert und unterstützt wurde ihre Ausreißerei durch einen anderen Spitzel, den Blaufärber Wichmann, und zwar im Auftrage des Polizeikommissars Engel in Altona, der vor Hasselmann so große Angst hatte, dass er den ‚Mann der Tat‘ zur Ausspionierung der ausländischen Anarchistenparteien mißbrauchte.“
  4. Zitat: „Schneidt hatte sich deshalb vom 8. bis 11. November 1908 vor der siebenten Strafkammer des Landgerichts Berlin I zu verantworten. (…) Der Angeklagte Schneidt bemerkte nach Verlesung des zur Anklage stehenden Artikels: Er übernehme für den Artikel die volle Verantwortung. Er hatte nicht die Absicht, jemand zu beleidigen. Er wollte nur einen öffentlichen Missstand rügen. Er habe im übrigen in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, denn das, was Lubecki passiert sei, könne jedem Menschen, auch ihm, widerfahren.“ Hugo Friedländer: Irrenhausvorgänge vor Gericht. In: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung. Band 11. 1911–1921, S. 185–216; Digitalisat. zeno.org.
  5. Die Geschichte der Roten Hilfe Deutschland. Unter anderem über Karl Schneidt, Erich Mühsam, Rudolf Rocker. Zitat: „Auf dem Dritten Reichskongreß der RHD im Oktober 1929 wählten die Delegierten sogar mit dem Schriftsteller und Publizisten Karl Schneidt einen Anarchisten in den Zentralvorstand der RHD. Schneidt arbeitete u. a. (zur Zeit der Sozialistengesetze in Deutschland) in London in der Redaktion der ‚Freiheit‘ von Johann Most mit, zeitweise sogar als Leiter des anarchistischen Blattes.“ Abgerufen am 1. Dezember 2013.
  6. Vgl. hierzu: August Bebel: Die Frau und der Sozialismus, S. 230/231. Zitat: „Sehr lehrreich sind die Mitteilungen, die Karl Schneidt in einer Broschüre [Das Kellnerinnen-Elend in Berlin] veröffentlichte, [und] den der Polizeikommissar im Verdacht hatte, Anarchist zu sein.“