Lawaczeck-Turbine

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Läufer einer Lawaczeck-Turbine beim Kraftwerk Lilla Edet in Schweden, wo seit 1926 eine solche Turbine in Betrieb war.

Die Lawaczeck-Turbine ist eine vom deutschen Ingenieur Franz Lawaczeck entwickelte Bauart von Wasserturbinen. Es handelt sich dabei um eine Schrägpropellerturbine, die von ihren technischen Eigenschaften zwischen der Francis-Turbine und Axialpropellerturbinen (Kaplan-Turbinen) angesiedelt ist.[1] Die Form war von Pumpenlaufrädern, Schiffsschrauben und Schraubenturbinen abgeleitet.[2][3]

Vor allem wegen ihres schlechten Teilllastverhaltens setzte sich die Turbine nicht durch, sondern wurde schon bald nach ihrer Erfindung von der technisch überlegenen Kaplan-Turbine verdrängt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entwicklung und Einsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kraftwerk Lilla Edet

Lawaczeck entwickelte die neue Turbine aus einem von ihm selbst "Myria-Rad" genannten Pumpenlaufrad, welches er als Oberingenieur in Diensten der Turbinen- und Pumpenfabrik Weise Söhne in Halle (Saale)[4] konstruiert hatte. Darauf aufbauend entwickelte er Anfang der 1920er-Jahre als Berater und freier Mitarbeiter der Neumeyer-Turbinenfabrik in München ein ähnliches Turbinenrad.[5]

Seinen ersten Großeinsatz hatte Lawaczecks „Myria-Turbine“ ab 1926 im Wasserkraftwerk Lilla Edet am Fluss Göta älv in Schweden. Hier wurde eine Lawaczeck-Turbine für die Grundlast mit einer besser regelbaren Kaplan-Rohrturbine für schwankende Wassermenge kombiniert. Die Turbine wurde von der Aktiebolaget Finshyttan aus Finshyttan bei Filipstad in Schweden gebaut.[6] Sie war mit mehr als 10.000 PS Leistung und etwa 6 m Laufraddurchmesser zum damaligen Zeitpunkt die mit Abstand größte Turbine der Welt.[5] Später wurde im selben Kraftwerk eine zweite Lawaczeck-Turbine eingebaut.[7][6][8][9]

Die nächste, deutlich kleinere Lawaczeck-Turbine (2000 PS, gebaut von Neumeyer) wurde im Mainkraftwerk Viereth eingesetzt.[5] Auch im Isar-Kraftwerk Mittenwald wurde um 1930 eine Lawaczeck-Turbine getestet.[10]

Zu den Lizenznehmern der Lawaczeck-Turbine gehörten außer den bereits oben erwähnten Herstellern Finshyttan und Neumeyer auch Voith,[1] die Ateliers de Charmilles in Genf[2] und die Schichau-Werke in Westpreußen.[11][12]

Konkurrenz zur Kaplan-Turbine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Lawaczeck-Turbine stand in direkter Konkurrenz zur fast zeitgleich entwickelten und patentierten Turbine des Erfinders Viktor Kaplan, die für sehr ähnliche Einsatzgebiete (Wasserkraftwerke mit hoher Wassermenge bei geringe Fallhöhe) geeignet war. Die Lawaczeck-Turbine wies aber insbesondere bei Teilbeaufschlagung einen schlechteren Wirkungsgrad auf. Vergleichsversuche im Wasserkraftwerk Lilla Edet[8] zeigten deutlich die Nachteile der Lawaczeck-Turbine. Aufgrund ihrer technisch-wirtschaftlich Überlegenheit setzte sich die Kaplan-Turbine schnell am Markt durch und verdrängte die Lawaczeck-Turbine.

Um den Siegeszug der Kaplan-Turbine zu stoppen, versuchte Lawaczeck wiederholt, auch juristisch gegen Kaplan vorzugehen und dessen Patent anzufechten. Der Rechtsstreit zog sich über mehrere Jahre hin, letztlich unterlag Lawaczeck 1925 in einer Verhandlung vor dem Reichsgericht Leipzig.[11][12]

Erhaltene Exemplare[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine große Lawaczeck-Turbine ist bis heute im Wasserkraftwerk Lilla Edet in Schweden in Betrieb.[8] Im Außenbereich des Kraftwerkes wurde zudem ein Turbinenläufer, der lange Zeit im Kraftwerk im Einsatz war, als technisches Denkmal aufgestellt.[13]

Zwei kleinere Lawaczeck-Turbinen, gebaut von Voith, sind bis heute im historischen Wasserkraftwerk in Harnrode in Hessen erhalten (P max ca. 250 kW) und in Betrieb.[14][1] Eine weitere Lawaczeck-Turbine mit einer maximalen Leistung von 225 kW wird grundrenoviert in der Anlage Lengers an der Werra betrieben. Der Läufer wurde im Jahr 1996 durch einen baugleichen (urspr. Bj. 1928) MonoLäufer aus Alubronze ersetzt. In den frühen Jahren wurden diese Läufer mit einer Nabe und einzelnen Schaufeln (in diesem Fall 5), welche auf die Nabe "aufgesteckt" wurden, gebaut und betrieben. Die Stückgewichte waren durch diese Vorgehensweise deutlich leichter und dadurch besser zu handeln.

Ein Läufer einer Lawaczeck-Turbine wird im Science Museum in London aufbewahrt.[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Franz Lawaczeck: Turbinen und Pumpen: Theorie und Praxis. Julius Springer, 1932, ISBN 978-3-642-50492-1.
  • Franz Lawaczeck: Wasserkraftausnutzung und Wasserkraftmaschinen (= Aus Natur und Geisteswelt. Band 732). Teubner, 1921.
  • Patent US1785354: Hydraulic machine. Angemeldet am 19. Mai 1926, veröffentlicht am 16. Dezember 1930, Anmelder: Worthington Pump & Machinery Corp., Erfinder: Franz Lawaczeck.
  • Patent DE470272: Kreiselpumpe, Wasserturbine o. dgl. Angemeldet am 20. Januar 1926, veröffentlicht am 10. Januar 1929, Anmelder: Franz Lawaczeck Dr.-Ing..
  • Patent DE334889: Turbinenanlage, insbesondere für niedrige Gefaelle. Veröffentlicht am 24. März 1921, Anmelder: Franz Lawaczeck Dr.-Ing..
  • Patent DE430323: Wasserturbine. Angemeldet am 2. April 1924, veröffentlicht am 15. Juni 1926, Anmelder: Franz Lawaczeck Dr.-Ing..

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Fritz Eberlein: Wasserkraftanlage Harnrode: Neue Technik in altem Gewand. In: Wasserkraft & Energie. Jahrgang 16, Nr. 3, 2010, ISSN 0947-5036, S. 18–23.
  2. a b Martin Gschwandtner: Gold aus den Gewässern: Viktor Kaplans Weg zur schnellsten Wasserturbine. GRIN-Verlag, 2007, ISBN 3-638-71515-9, S. 44 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b Abbildungen des Läufers aus dem Science Museum z. B. in der Science & Socienty Picture Library oder auf Europeana
  4. Albert Gieseler: Weise Söhne. Firmen-, Personen- und Sachregister für Kraft- und Dampfmaschinen, abgerufen am 12. Dezember 2013.
  5. a b c Lawaczeck (1932), insbes. Vorwort; Leseprobe (PDF; 459 kB)
  6. a b Aktiebolaget Finshyttan (Hrsg.): Finshyttan Reaction & Impulse Turbines with Accessories. Selbstverlag, Finshyttan, Filipstad, Schweden 1928 (Volltext [PDF]).
  7. Hans G. Hansson (Karlstads Mekaniska Werkstad, Kristinehamn Works): Development of the Kaplan Turbine. In: Dædalus. 1977, ISSN 0070-2528, S. 11–35 (Volltext [PDF]).
  8. a b c Vattenfall-Kraftwerke: Lilla Edet. Vattenfall, abgerufen am 12. Dezember 2013.
  9. vergleiche auch den Artikel zum Kraftwerk Lilla Edet in der schwedischsprachigen Wikipedia
  10. Wasserkraft und Wasserwirtschaft. Band 26. R. Oldenbourg, 1931.
  11. a b Martin Gschwandtner: Vor 75 Jahren starb der große Erfinder Viktor Kaplan. GRIN-Verlag, 2009, ISBN 3-640-47831-2, S. 10 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. a b Martin Gschwandtner: 100 Jahre Kaplanturbine: Vor 100 Jahren meldete der große Erfinder das erste Patent auf eine Turbine mit drehbaren Laufschaufeln an. GRIN-Verlag, 2013, ISBN 3-656-36103-7, S. 10 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Betongrationalism i Lilla Edet. Henrik von Klopp, 20. Dezember 2009, abgerufen am 12. Dezember 2013 (schwedisch).
  14. Chronik der Wasserkraftanlage Harnrode. Werra-Kalibergbau-Museum, Heringen (Werra), abgerufen am 12. Dezember 2013.