Lemma von Sperner

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Das Lemma von Sperner, oft Spernersches Lemma genannt, englisch Sperner’s Lemma[1], ist ein mathematisches Resultat aus dem Teilgebiet der Topologie. Es geht zurück auf den deutschen Mathematiker Emanuel Sperner, der es im Jahr 1928 veröffentlicht hat.[2] Die Bedeutung des Lemmas liegt darin, dass mit seiner Hilfe – und damit lediglich mittels elementarer kombinatorischer Methoden – eine ganze Anzahl wichtiger mathematischer Lehrsätze zu beweisen sind, wie der brouwersche Fixpunktsatz[3][4] und verwandte Resultate[5][6] oder auch der Satz von der Invarianz der offenen Menge[2] und nicht zuletzt der Pflastersatz von Lebesgue.[7][8][9]

Begrifflichkeit im Zusammenhang

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Im Folgenden wird durchgängig ein euklidischer Raum der endlichen Dimension über dem Körper der reellen Zahlen zugrunde gelegt.

Bildet man in zu gegebenen affin unabhängigen Punkten () die konvexe Hülle dieser Punkte, so erhält man das n-Simplex . Die heißen die Eckpunkte oder Ecken des zugehörigen n-Simplexes und seine Dimension.[10][11][12] Im Folgenden wird für die Menge der Eckpunkte des n-Simplexes auch geschrieben.

Seite eines Simplexes

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Bildet man für eine Teilmenge mit in gleicher Weise die konvexe Hülle, so erhält man ein Untersimplex , welches man als (r-dimensionale) Seite von bezeichnet.[13]

Simplizialer Komplex und Eckenmenge

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Ein (endlicher) simplizialer Komplex[14][15] in dem euklidischen Raum ist eine Familie von Simplexen von mit folgenden Eigenschaften:

  1. Mit jedem Simplex gehört auch jede Seite von zu .
  2. Der Schnitt zweier Simplexe von ist leer oder gemeinsame Seite beider Simplexe .
  3. ist eine endliche Menge.

Die Familie der Seiten eines n-Simplexes bildet stets einen endlichen simplizialen Komplex.

Bildet man die Vereinigungsmenge , so erhält man die Eckenmenge von , nämlich die Menge aller Eckpunkte der in vorkommenden Simplexe.

Polyeder und Triangulation

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Die Vereinigungsmenge , gebildet über alle Simplexe eines simplizialen Komplexes , nennt man das zu gehörige Polyeder und seine Triangulation. Man sagt dann, das Polyeder werde durch trianguliert. Da hier vorausgesetzt ist, dass eine endliche Familie ist, handelt es sich bei einem solchen Polyeder stets um eine kompakte Teilmenge des zugrundeliegenden euklidischen Raumes .[16]

Seitpunkt und mittlerer Punkt

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Ein Punkt heißt ein Seitpunkt von , wenn in einer echten Seite (mit ) enthalten ist. Andernfalls wird er als mittlerer Punkt von bezeichnet.

ist also ein mittlerer Punkt von dann und nur dann, wenn seine bzgl. der Eckpunkte gebildeten baryzentrischen Koordinaten alle größer sind. Dementsprechend ist ist genau dann ein Seitpunkt von , wenn eine seiner bzgl. gebildeten baryzentrischen Koordinaten gleich ist.[17]

Für einen Punkt existiert stets exakt eine Seite , von welcher ein mittlerer Punkt ist. Es ist die Seite kleinster Dimension unter all den Seiten , in denen enthalten ist. Dieses nennt man kurz das Trägersimplex von (in ).[18]

Die zu den Ecken dieser Seite gehörige Indexmenge wird im Folgenden mit  bezeichnet.

Spernersche Eckpunktbezifferung und komplette Simplexe

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Ist ein n-Simplex fest vorgegeben und dazu ein (endlicher) simplizialer Komplex , welcher dieses Simplex trianguliert, und ist weiter eine Abbildung, welche die Bedingung für jede -Ecke erfüllt (Sperner-Bedingung), so bezeichnet man ein solches als Eckpunktbezifferung[18] oder Spernersche Eckpunktbezifferung (engl. Sperner labelling[19]).

Für jedes Simplex setzt man dann .

Es ist offenbar stets . Gilt sogar , so bezeichnet man ein solches Simplex als komplett.[20]

Formulierung des Spernerschen Lemmas

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Das Spernersche Lemma kann man formulieren wie folgt:[20]

Für jede Spernersche Eckpunktbezifferung ist die Anzahl der kompletten Simplexe ungerade. Insbesondere hat jede Spernersche Eckpunktbezifferung stets mindestens ein komplettes Simplex.

Zweidimensionales Beispiel

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Spernersche Eckpunktbezifferung eines triangulierten 2-Simplex

In der Abbildung rechts bildet das äußerste Dreieck den 2-Simplex und die kleineren Dreiecke zusammen mit ihren Seiten und Ecken die Triangulation . Die Spernersche Eckpunktbezifferung lässt sich als Färbung der Menge veranschaulichen, die Werte , und entsprechen dabei rot, grün und blau. Die Ecken von müssen stets unterschiedlich gefärbt sein, also unterschiedliche Werte erhalten, da sie nur für ihre jeweiligen 0-Untersimplizies mittlere Punkte sind. Der Trägersimplex der obersten roten Ecke ist beispielsweise und ihre Indexmenge ist entsprechend . Die Ecken der Triangulation, die auf einer der Seiten des äußerem Dreiecks liegen, dürfen jeweils aus den beiden Farben der Endpunkte dieser Seite wählen. Die grüne Ecke im unteren rechten Bereich des Dreiecks ist die einzige, deren Trägersimplex ganz ist, sie kann also eine beliebige der drei Farben annehmen. Das Spernersche Lemma besagt nun, dass es in jeder solchen Färbung eine ungerade Anzahl von kleineren Dreiecken gibt, deren Eckpunkte alle unterschiedlich gefärbt sind. Im Beispiel sind das die drei grau hinterlegten, für diese Simplizes gilt .

Anwendung des Lemmas: Der Pflastersatz von Lebesgue

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Zu den bedeutenden topologischen Sätzen, welche mit dem Spernerschen Lemma zu gewinnen sind, zählt als einer der wichtigsten der Pflastersatz von Lebesgue, der eine wesentliche Rolle in der Dimensionstheorie spielt:[21]

Es seien sowie ein gegebenes n-Simplex mit den Eckpunkten . Für sei die dem Eckpunkt in gegenüberliegende -dimensionale Seite, also diejenige Seite, deren Eckenmenge aus allen besteht.
Weiter sei eine endliche Menge von abgeschlossenen Teilmengen des gegeben, welche überdecken.
Dann gilt:
Gibt es zu jedem mindestens ein derart, dass die Schnittmenge die leere Menge ist, so gibt es in stets Mengen, die eine nichtleere Schnittmenge haben.

Der Lebesgue’sche Pflastersatz zieht eine direkte Folgerung nach sich. Sie besagt:[21]

Für und für jedes beliebige n-Simplex gibt es stets ein mit folgender Eigenschaft:
Ist eine endliche Menge abgeschlossener Teilmengen des , die überdecken, und hat jedes einen Durchmesser , so gibt es in stets Mengen mit nichtleerer Schnittmenge.

Artikel

Monographien

  • Wolfgang Franz: Topologie I: Allgemeine Topologie (= Sammlung Göschen. Band 1181). 3. Auflage. Walter de Gruyter & Co., Berlin 1968, S. 132–135 (MR0264578).
  • Egbert Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-07016-X.
  • Michael Henle: A Combinatorial Introduction to Topology. Überarbeitete Auflage. Dover Publications, New York 1994, ISBN 0-486-67966-7 (Erstausgabe: 1979).
  • Erich Ossa: Topologie. Eine anschauliche Einführung in die geometrischen und algebraischen Grundlagen. 2., überarbeitete Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8348-0874-5.
  • Willi Rinow: Lehrbuch der Topologie (= Hochschulbücher für Mathematik. Band 79). Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1975.
  • Michael J. Todd: The computation of fixed points and applications (= Lecture notes in economics and mathematical systems. Band 124). Springer, Berlin u. a. 1976, ISBN 3-540-07685-9.

Einzelnachweise

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  1. Henle: A Combinatorial Introduction to Topology. 1994, S. 36 ff.
  2. a b Sperner: Neuer Beweis für die Invarianz der Dimensionszahl und des Gebietes. In: Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität. Band 6, 1928, S. 265 ff.
  3. Knaster, Kuratowski, Mazurkiewicz: Ein Beweis des Fixpunktsatzes für n-dimensionale Simplexe. In: Fundamenta Mathematicae. Band 14, 1929, S. 132 ff.
  4. Dargestellt in Aigner, Ziegler, Das Buch der Beweise, Kapitel 25.
  5. Todd: The computation of fixed points and applications. 1976, S. 1 ff.
  6. Su: Rental Harmony: Sperner’s Lemma in Fair Division. In: The American Mathematical Monthly. Band 106, 1999, S. 930 ff.
  7. Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 56 ff.
  8. Rinow: Lehrbuch der Topologie. 1975, S. 341 ff.
  9. Franz: Topologie I. 1968, S. 132 ff.
  10. Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 26 ff.
  11. Ossa: Topologie. 2009, S. 7 ff.
  12. Rinow: Lehrbuch der Topologie. 1975, S. 298 ff.
  13. Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 29.
  14. Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 33 ff.
  15. In den meisten Quellen, vgl. etwa Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 34, wird die Endlichkeit des Komplexes grundsätzlich vorausgesetzt.
  16. Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 37.
  17. Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 30.
  18. a b Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 37.
  19. Henle: A Combinatorial Introduction to Topology. 1994, S. 38.
  20. a b Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 57.
  21. a b Harzheim: Einführung in die kombinatorische Topologie. 1978, S. 64.