Legendresche Identität

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Die Legendresche Identität oder auch Legendresche Relation ist eine mathematische Identität aus der Infinitesimalrechnung. Sie handelt von vollständigen Elliptischen Integralen erster und zweiter Art. Diese Identität wurde vom französischen Mathematiker Adrien-Marie Legendre entdeckt und nach diesem benannt.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Folgende Formel definiert und beschreibt die Legendresche Identität:

Diese Formel ist für alle reellen Werte 0 < ε < 1 gültig. Sie stellt die vollständigen elliptischen Integrale erster und zweiter Art von einem elliptischen Modul ε und dessen Pythagoräischen Gegenstück zueinander in Beziehung. In leicht abgewandelter Form kann die Legendresche Identität für denselben Definitionsbereich von ε auch in Bezug auf tangentielle Gegenstücke von elliptischen Modulen formuliert werden:

Die vollständigen elliptischen Integrale selbst sind so definiert:

Nach einer exemplarischen Ausführung der obersten Formel über die Pythagoräischen Gegenstücke gilt somit beispielsweise:

Und nach einer exemplarischen Ausführung der zweitobersten Formel über die tangentiellen Gegenstücke gilt zum Beispiel:

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Mathematiker Adrien-Marie Legendre schrieb in seinem Werk Exercices de calcul intégral sur divers ordres de transcendantes et sur les quadratures aus dem Jahre 1811 den in der soeben genannten Definition beschriebenen Zusammenhang nieder. In diesem Werk gründete er die sogenannte Legendresche Normalform. Darin führte er auch die Aufteilung der elliptischen Integrale in drei Kategorien[1] ein, nämlich in die erster Art, zweiter Art und dritter Art. Zu dieser Zeit gehörte Legendre der Académie des sciences in Paris[2] an. In einem weiteren Werk, Traité des fonctions elliptiques et des intégrales eulériennes aus dem Jahre 1825, leitete er seine Identität noch ausführlicher her. In dem Werk analysierte er vor allem die Additionstheoreme[3] der elliptischen Funktionen.

Beweisführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spezielle Legendresche Identität für den lemniskatischen Fall[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für den lemniskatischen Fall ist das elliptische Modul beziehungsweise die spezifische Exzentrizität ε gleich der Hälfte der Quadratwurzel aus zwei. Die elliptischen Integrale erster Art handeln von den Bogenmaßen der Lemniskate von Bernoulli und die elliptischen Integrale zweiter Art von den Bogenmaßen einer Ellipse mit der Quadratwurzel aus zwei als zugehöriges Halbachsenverhältnis. Die Legendresche Identität für den lemniskatischen Fall kann so bewiesen werden:

Nach der Kettenregel gelten diese vier Ableitungen:

Dann ist folgende Formel gültig:

Durch die Bildung der Ursprungsstammfunktion bezüglich x von der nun gezeigten Funktion entsteht diese Formel:

Nach der Regel von de L’Hospital gilt:

Wenn der Wert in die zuletzt genannte Integralidentität eingesetzt wird, dann entsteht folgende Identität:

So kommt dann dieser Ausschnitt aus der Legendreschen Identität hervor:

Verallgemeinerung für den nicht lemniskatischen Gesamtfall[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der soeben durchgeführten Herleitung gilt das genannte Resultat:

Nun soll im Folgenden der moduläre Allgemeinfall bewiesen werden. Hierfür werden die Ableitungen der vollständigen elliptischen Integrale hergeleitet. Und im Anschluss wird die Ableitung der Legendreschen Identitätsbilanz ermittelt.

Beweis für die Ableitung des elliptischen Integrals erster Art:

Beweis für die Ableitung des elliptischen Integrals zweiter Art:

Für die Pythagoräischen Gegenmodule gilt mit der Kettenregel dann:

Denn die Ableitung der Kreisfunktion ist das negative Produkt aus der identischer Abbildungsfunktion und dem Kehrwert der Kreisfunktion. Die Legendresche Identität beinhaltet Produkte von jeweils zwei vollständigen elliptischen Integralen. Für die Ableitung der Funktionsseite von der Gleichungswaage der Legendreschen Identität wird die Produktregel im nun Folgenden angewendet:

Wenn von diesen drei Gleichungen die beiden oberen Gleichungen addiert werden und die unterste Gleichung subtrahiert wird, dann entsteht dieses Resultat:

Bezüglich ε ergibt die Bilanz konstant den Wert Null.

Für den Modul ε = 1/sqrt(2) gilt das zuvor ermittelte Resultat:

Die Kombination der beiden zuletzt genannten Formeln ruft folgendes Ergebnis hervor:

Denn wenn die Ableitung einer kontinuierlichen Funktion konstant den Wert Null annimmt, dann ist die betroffene Funktion eine konstante Funktion. Das bedeutet, dass diese Funktion für jeden Abszissenwert ε den gleichen Funktionswert ergibt und der zugehörige Funktionsgraph somit eine waagrechte Gerade ist.

Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reihe für den Kehrwert der Kreiszahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gültig sind diese Maclaurinschen Reihen für alle reellen Werte −1 < ε < 1:

Deswegen gilt auch jenes Formelpaar:

Diese beiden Formeln können in jene Formel eingesetzt werden:

Dann kann folgende Reihenentwicklung synthetisiert werden:

Die Konvergenzgeschwindigkeit für diese Reihenformel verhält sich bezüglich der Nachkommastellen linear:

Obergrenze vom Index Wert der Summe Dezimale Nachkommastellen
0 1 1
1 45/64 0,70312500
2 43065/65536 0,65711975
3 2701125/4194304 0,64399838
4 43945661025/68719476736 0,63949353
5 2805051005757/4398046511104 0,63779475

Die Nachkommastellenresultate wurden durch Abrundung hervorgerufen.

Der Bruch 2/π hat die folgenden ersten dezimalen Nachkommastellen:

Ableitung vom elliptischen Nomen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das elliptische Nomen ist so definiert:

Für die Ableitung des vollständigen elliptischen Integrals erster Art gilt diese Formel:

Mit der Kettenregel und der Quotientenregel kann dann die Ableitung des elliptischen Nomens ermittelt werden:

Das elliptische Nomen stellt die Beziehung zwischen der Jacobischen Thetafunktion und dem vollständigen elliptischen Integral erster Art her:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Duren, Peter (1991), "The Legendre relation for elliptic integrals", in Ewing, John H.; Gehring, F. W. (eds.), Paul Halmos. Celebrating 50 years of mathematics, New York: Springer-Verlag, pp. 305-315, doi:10.1007/978-1-4612-0967-6_32, ISBN 0-387-97509-8, MR 1113282
  • Karatsuba, E. A.; Vuorinen, M. (2001), "On hypergeometric functions and generalizations of Legendre's relation", J. Math. Anal. Appl., 260 (2): 623–640, MR 1845572
  • Legendre, A.M. (1811), Exercices de calcul intégral sur divers ordres de transcendantes et sur les quadratures, vol. I, Paris
  • Legendre, A.M. (1825), Traité des fonctions elliptiques et des intégrales eulériennes, vol. I, Paris

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Elliptic Integrals and Elliptic Functions, a brief history. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  2. Adrien-Marie Legendre - RiskNET. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  3. Legendre, Adrien Marie - Traité des fonctions elliptiques et des intégrales Eulériennes : avec des tables pour en faciliter le cacul numérique; T. 1: Théorie des fonctions elliptiques et son application à différens problèmes de géométrie et de mécanique. Abgerufen am 24. Februar 2022.