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Mandat des Himmels

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Das Mandat des Himmels (chinesisch 天命, Pinyin Tiānmìng) war ein traditionelles Konzept der chinesischen Philosophie zur Legitimation des chinesischen Kaisertums. Es hatte seine Ursprünge in der Zhou-Dynastie (11. bis 7. Jh. v. Chr.), wurde aber auch von späteren Herrscherdynastien bis zur finalen Qing-Dynastie (1644–1911) jeweils zur Begründung des eigenen Herrschaftsanspruches herangezogen.

Nach allen gängigen Darstellungen würde der Himmel die Autorität eines gerechten Herrschers schützen, während er mit einem törichten Herrscher unzufrieden wäre und das Mandat an jemand anderen weitergeben würde. Das Mandat hätte keine zeitliche Begrenzung, wenn es gut erfüllt wäre. So konnten neue Dynastien die Ablösung der jeweiligen Vorgängerdynastie als einen Verlust des Mandats des Himmels legitimieren und gleichzeitig sich selbst auf das gleiche Mandat des Himmels stützen.

Durch den großen Einfluss, den die chinesische Philosophie und Kultur auf andere ostasiatische Staaten ausübte, wurde das Konzept des Mandats des Himmels auch in anderen Monarchie Ostasiens imitiert.

Mandat des Himmels in China

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Mitte des 11. Jh. v. Chr., während der Bronzezeit in China, attackierten die Herrscher der späteren Zhou-Dynastie die geschwächte und zu diesem Zeitpunkt herrschende Shang-Dynastie und entmachteten diese schließlich durch die Eroberung Nordchinas von den Shang. In verschiedenen Texten, die später teilweise im Buch der Urkunden gesammelt wurden, vertraten die Zhou ihre Position, dass die höhere Macht des Himmels (chinesisch , Pinyin Tiān) den Shang als Herrschern zwar zunächst wohlgesonnen war, sich dann aber von diesen abgewandt hatte, nachdem die Shang-Kaiser es versäumt hätten, ihre Tugendhaftigkeit und Würde zu bewahren. Darauf habe der Himmel sein Mandat an einen würdigeren Herrscher einer anderen Dynastie übertragen. Die neue Dynastie – die Zhou selbst – würden das Mandat des Himmels solange behalten, wie sie ihre Pflichten als würdevolle und tugendhafte Herrscher erfüllten.[1]

Dies bedeutete, dass ein legitimer Herrscher nicht von hoher Geburt sein musste. Diese Begebenheit diente zudem als Argument zur Legitimierung der Herrschaft der Gründer der Han- und Ming-Dynastie, die beide Personen niederer Herkunft waren.

Für Xunzi war der Begriff eine bloße Metapher für Legitimität.

Im Laufe der Entwicklung der politischen Konzepte Chinas wurde das Mandat schließlich mit dem Begriff des Dynastischen Zyklus verbunden.

Im Laufe der Übernahme verschiedener Begriffe der chinesischen Philosophie nach Japan wurde auch dort das Konzept vom Himmlischen Mandat (auf Japanisch: tenmei bzw. temmei) verwendet, um die Legitimität von politischer Herrschaft zu begründen. Im Nihonshoki wird damit der Feldzug des Jimmu-tennō gerechtfertigt, der durch Unterwerfungen letztlich den Frieden in seinem Reich garantiert. Mit eindeutigen Übernahmen und Paraphrasierungen aus konfuzianistischer Literatur wurden den Himmlischen Herrschern und Thronanwärtern Japans in der folgenden hagiographischen Geschichtsschreibung Tugenden zugesprochen, die den jeweiligen historischen Umständen gemäß dem Prinzip des Himmlischen Mandats entsprechen. In der japanischen Philosophie wird in der Folge immer wieder aus staatstheoretischer Sicht auf dieses Konzept rekurriert, so z. B. in der 17-Artikel-Verfassung. Es wurde aber darauf verzichtet, das chinesische Konzept des gerechten Herrschers zu übernehmen, dem zufolge es rechtmäßig sei, einen ungerechten Herrscher zu stürzen.

Mandat des Himmels im Rest Ostasiens

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Das Japanische Kaiserhaus beansprucht traditionell eine seit Jahrtausenden ungebrochene patrilineale Herrscherfolge und wäre eigentlich nicht auf einen Mechanismus wie das Mandat des Himmels angewiesen, um einen dynastischen Wechsel zu legitimieren. Dennoch war der chinesische Fokus, die Tugendhaftigkeit der eigenen Kaiser zu bewerten, auch in Japan einflussreich, in dessen Annalen Nihonshoki der schlechte und unwürdige Herrscher Buretsu (498–507) durch den Himmel mit Kinderlosigkeit bestraft wurde, wonach der Thron auf seinen entfernten Verwandten Keitai (507–531) überging, dessen Nachfahren sich seitdem eine Tugendhaftigkeit bewahrt hätten, die in ihrer Darstellung eindeutig den Anforderungen des chinesischen Mandats des Himmels ähnelt.[2]

Im Kaiserreich Vietnam gab es ebenso wie in China ein Konzept eines Mandats des Himmels. Der von den Franzosen und später den Japanern gestützte letzte Kaiser der Nguyễn-Dynastie, Bảo Đại, übertrug das vietnamesische Himmelsmandat im Jahr 1945 förmlich an die Regierung des Kommunistenführers Ho Chi Minh, dessen spätere Sozialistische Republik Vietnam die vietnamesische Monarchie nicht weiterführte.[3]

Vergleiche zum europäischen Gottesgnadentum

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Das Mandat des Himmels unterscheidet sich wesentlich vom europäischen Begriff Gottesgnadentum, der auch unkluge Herrschaft legitimierte, anstatt sie zu stürzen. Umgekehrt wurde ein erfolgreicher Umsturz als Beweis für das Ende des Mandats angesehen. Das bedeutete, ein Aufstand war falsch, solange er nicht erfolgreich war. Der philosophische Unterschied hatte wenig praktische Auswirkungen.

„Mandat des Himmels“ war auch der erste Äraname des Qing-Gründers Nurhaci, der damit seinen Anspruch auf den Kaiserthron der Ming geltend machen wollte.

Einzelnachweise

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  1. Michael Puett: Early China in Eurasian History. In: Michael Szonyi (Hrsg.): A Companion to Chinese History. Wiley-Blackwell, 2017, ISBN 978-1-118-62460-9, S. 89–105 (englisch).
  2. John R. Bentley: The Birth and Flowering of Japanese Historiography: From Chronicles to Tales to Historical Interpretation. In: Sarah Foot & Chase F. Robinson (Hrsg.): The Oxford History of Historical Writing, Volume 2: 400–1400 (= The Oxford History of Historical Writing. Band 2). Oxford University Press, 2012, ISBN 978-0-19-923642-8 (englisch).
  3. John Ashley Grenvile: A History of the World From the 20th to the 21st Century. Taylor & Francis, 2005, S. 387 (englisch).