Marie Louise Élisabeth d’Orléans

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Marie Louise Elisabeth de Bourbon-Orléans

Marie Louise Élisabeth de Bourbon-Orléans (* 20. August 1695 in Versailles; † 21. Juli 1719 im Schloss La Muette) war Prinzessin von Frankreich und Herzogin von Berry.

Herkunft

Marie Louise Elisabeth wurde am 20. August 1695 als Tochter von Herzog Philipp II. von Orléans und seiner Gemahlin Françoise Marie de Bourbon, einer Tochter Ludwigs XIV. und seiner Mätresse Madame de Montespan, in Versailles geboren.

Marie Louise Elisabeths Vater, Philipp II. von Orléans, war der Sohn von Herzog Philipp I. von Orléans und seiner zweiten Frau Elisabeth Charlotte von der Pfalz und somit der Neffe von Ludwig XIV. von Frankreich. Die Ehe zwischen dem homosexuellen und verschwenderischen Bruder des Sonnenkönigs und der deutschen bodenständigen Prinzessin verlief sehr unglücklich. Philipp I. von Orléans umgab sich am liebsten mit Männern und suchte seine Frau nur auf, um seine dynastischen Pflichten zu erfüllen. Philipp II. von Orléans wurde von seinem Vater schon sehr früh in das Hofleben eingeführt und entwickelte sich zu einem Verführer und Charmeur, der sich gerne mit schönen Frauen umgab und die Nächte meist außer Haus verbrachte. Schon sehr früh zeigten sich sein politisches Talent, seine Intelligenz und sein Scharfsinn in Bezug auf die Regierungsgeschäfte. Ludwig XIV. von Frankreich förderte das Talent seines Neffen nur mäßig und beäugte seine kritische Urteilskraft mit Argwohn und Eifersucht.

Im Jahre 1692 fasste der Sonnenkönig den Entschluss, seine nun 15-jährige Tochter Françoise Marie von Blois mit ihrem 17-jährigen Cousin Philipp von Orléans zu verheiraten. Der Brautvater organisierte eine aufwändige und kostspielige Hochzeit und beschenkte das junge Brautpaar mit Schmuck und einem beträchtlichen Vermögen.[1]

Die Eheleute waren sehr unterschiedlich und sehr bald nahm Philipp II. von Orléans sein Junggesellenleben wieder auf. Trotzdem schenkte Herzogin Françoise Marie in den Jahren zwischen 1693 und 1716 sieben Mädchen und einem Jungen, dem späteren Herzog Ludwig I. von Orléans, das Leben.

Kindheit

Marie Louise entwickelte sich sehr rasch zum Liebling ihres Vaters. Der sonst eher gefühlskalte Herzog und lieblose Ehemann konnte sich in Gegenwart dieser Tochter in den liebevollsten Familienvater verwandeln und stundenlang seine Tochter bei Krankheiten pflegen und sich mit ihr beschäftigen. Diese starke Bindung zwischen Vater und Tochter sollte sich mit zunehmendem Alter des Mädchens noch verstärken. Während sie von ihrem Vater mit Liebe geradezu überhäuft wurde und er ihr jeden Wunsch erfüllte, wurde sie von ihrer Mutter ignoriert. Herzogin Françoise Marie interessierte sich nicht für die Erziehung ihrer Kinder, so dass sich vor allem die Mädchen zu undisziplinierten Wesen entwickelten. Als König Ludwig XIV. sich über das skandalöse Verhalten seiner Enkelin bei seiner Tochter beschwerte, entgegnete sie ihm nur: „Ich kenne sie (Marie Louise Elisabeth) nicht besser wie Sie, Majestät, da ich nie an der Erziehung meiner Kinder Anteil genommen habe.“

Jugend und Leben am Hof

Als Enkelin Ludwigs XIV. wurde Marie Louise Elisabeth mit vierzehn Jahren am Versailler Hof ihres Großvaters eingeführt und erhielt einen eigenen Hofstaat. Bald verstrickte sie sich so sehr in Eskapaden, dass ihr Verhalten ihr bald den Ruf einer „Messalina von Frankreich“ einbrachte.

Auf Betreiben ihrer Mutter wurde sie im Juli 1710 mit dem Herzog Karl von Berry, ebenfalls ein Enkel von Ludwig XIV. von Frankreich, vermählt. Ein Jahr später wurde die erst 15-jährige Marie Louise Elisabeth das erste Mal schwanger. Die Schwangerschaft verursachte ihr Schmerzen und Übelkeit, sodass die junge Herzogin das Bett nicht mehr verlassen wollte. Herzog Philipp II. von Orléans verbrachte Stunden am Bett seiner kranken Tochter und in dieser Zeit mehrten sich die Gerüchte, dass die Zuneigung von Philipp II. von Orléans nicht nur rein väterlicher Natur sei. Auf einer Reise nach Fontainebleau erlitt Marie Louise Elisabeth eine Fehlgeburt und verlor das ungeborene Mädchen. Eine weitere Schwangerschaft endete im Jahre 1713 mit einer Frühgeburt. Der im siebenten Monat geborene Knabe lebte allerdings nur drei Wochen.

Die lustigste Witwe von Versailles

Marie Louise Elisabeth von Orléans, verwitwete Herzogin von Berry, 1714, Gemälde von Louis de Silvestre

Am 4. Mai 1714 starb Herzog Karl von Berry an den Folgen eines Jagdunfalls und seine junge Frau erlitt im Folgemonat wieder eine Frühgeburt.

Nach dem Tod ihres Großvaters Ludwig XIV. von Frankreich im Jahre 1715 und während der Regentschaft von Philipp II. von Orléans für den unmündigen König Ludwig XV. verlor Herzogin Marie Louise alle Hemmungen, legte sich wechselnde Liebhaber zu und verbrachte die meiste Zeit auf der Jagd, auf skandalösen Festen und in Spielsalons. Großen Gefallen fand sie auch an der Organisation von Festen, die in ihrer neuen Residenz, dem Palais du Luxembourg, stattfanden. Nicht selten nahm auch ihr Vater an den Festen, die oft zu Orgien ausarteten, teil und vergnügte sich wie Marie Louise Elisabeth mit den nackten Tänzern und Tänzerinnen.

Mit zunehmendem Alter wurde Marie Louise Elisabeth ihrer Mutter immer ähnlicher. Sie war extrem faul und konnte tagelang das Bett nicht verlassen, um eine Unmenge von Speisen in sich hineinzustopfen, die ihr ans Bett gebracht wurden. Mit zwanzig Jahren litt die junge Frau an Übergewicht und Verdauungsstörungen. Oftmals erbrach Herzogin Marie Louise die Speisen, die sie vorher verschlungen hatte, wieder und begann dann von neuem zu essen. Die junge Witwe litt höchstwahrscheinlich an der Essstörung Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht), bei der sich tagelanges Fasten und übermäßiges Essen abwechseln. Frauen, die unter Bulimia nervosa leiden, sind sehr reizbar und temperamentvoll und schwanken zwischen Gefühlen von übermäßiger Freude und tiefsten Depressionen.

Im Bann der Liebe

Ab dem Jahre 1716 begann eine Veränderung im Leben von Marie Louise Elisabeth. Sie verliebte sich stürmisch in den Leutnant Armand d’Aydie, Comte de Rion (1692–1741), und konzentrierte sich nur mehr auf diese Beziehung. Im Herbst 1716 vermählte sie sich gegen den Willen ihres Vaters sogar heimlich mit ihrem Liebhaber und begann, ihren Vater zu vernachlässigen. Der Graf von Rion nahm immer mehr Besitz von der jungen Frau und fing an, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Terrorisiert und doch abhängig von ihrem Ehemann litt Marie Louise immer mehr unter Existenzängsten und suchte Zuflucht in der Religion. So führte sie ein unstetes Leben zwischen Aufenthalten in Karmelitinnenklöstern und dem lasterhaften Leben am Hof von Versailles.

Ihr herrschsüchtiger Ehemann verlangte von seiner Frau, dass die Ehe öffentlich gemacht werden solle. Philipp II. von Orléans untersagte dies allerdings, um einen großen Skandal zu verhindern. Im Jahr 1718 wurde Marie Louise Elisabeth von Graf Armand schwanger. Die junge Frau litt wiederum unter Problemen in der Schwangerschaft und erkrankte so schwer, dass schon ihr baldiger Tod befürchtet wurde. Die Enkelin des Sonnenkönigs erholte sich jedoch wieder und brachte Anfang des Jahres 1719 ein totes Mädchen auf die Welt.

Frühes Ende

Im Sommer 1719 organisierte sie ein Festessen für ihren Vater, Philipp II. von Orléans. Es war ein lauer Sommerabend und Marie Louise Elisabeth holte sich aufgrund ihres angeschlagenen Gesundheitszustandes eine Erkältung, die hohes Fieber und Schwächeanfälle nach sich zog. Bei einem üppigen Diner fiel sie vom Sessel und lag anschließend drei Stunden lang in totenähnlicher Starre, sodass der erste Befund der Ärzte auf Schlaganfall lautete. Allerdings kam sie wieder zu sich und war keineswegs gelähmt, doch die junge Frau war so schwach, dass sie das Bett nicht mehr verlassen konnte und aufgrund der entsetzlichen Schmerzen an Füßen und Beinen schrie - sie konnte nicht einmal eine leichte Decke ertragen und magerte binnen weniger Wochen extrem ab, nur der Bauch war wie bei einer Hochschwangeren aufgebläht. Am 21. Juli 1719 schloss die Enkelin des Sonnenkönigs für immer die Augen und ließ einen todtraurigen Vater zurück. Bei der Obduktion stellte man eine neuerliche Schwangerschaft fest und Geschwüre im Magen, an der Leber, in der Milz, an den Hüftgelenken und im Hirn. Heute geht man davon aus, dass Marie Louise Elisabeth einer von einer Gallenblaseneiterung ausgehenden allgemeinen Sepsis zum Opfer gefallen ist.

Aufgrund ihres schlechten Rufes erhielt sie zwar die Totenmesse in der Grabkirche der Bourbonen, welche ihr nicht verweigert werden konnte, allerdings gab es erstmals in der Geschichte keine Trauerrede, da die alte Regel, man dürfe über Tote nur Gutes sagen beim besten Willen nicht anwendbar war.[2]

Elisabeth Charlotte von der Pfalz bedauerte ihren Sohn, da „er das verloren hätte, was ihm das Liebste auf der Welt gewesen sei“.

Nachkommen

Kinder aus der Verbindung mit Herzog Karl von Berry waren:

  1. eine namenlose Tochter d'Alençon, Enkelin von Frankreich, Herzogin von Alençon (* 21. Juli 1711 in Fontainebleau; † 21. Juli 1711 ebenda)
  2. Charles d'Alençon, Enkel von Frankreich, Herzog von Alençon (* 26. März 1713 in Versailles; † 16. April 1713 ebenda)
  3. Marie Louise Elisabeth d'Alençon, Enkelin von Frankreich, Herzogin von Alençon (* 16. Juni 1714 in Versailles; † 17. Juni 1714 ebenda)

Kind aus der Verbindung mit Sicaire Antonin Armand Auguste Nicolas d'Aydie, Chevalier de Rion, oder Armand d’Aydie, Graf von Rion, war:

  1. eine namenlose Tochter d'Aydie de Rion (* 20. März 1719 in Palais du Luxembourg in Paris; † 20. März 1719 ebenda)

Literatur

  • Thea Leitner: Skandal bei Hof. Habsburgs goldene Bräute; Frauenschicksale an Europas Fürstenhöfen. Piper, München 2004, ISBN 3-492-24165-4, S. 113, 122–123.

Einzelnachweise

  1. Thea Leitner: Skandal bei Hof. Ueberreuter, Wien 1993, ISBN 3-8000-3492-1, S. 104.
  2. Thea Leitner: Skandal bei Hof. Ueberreuter, Wien 1993, ISBN 3-8000-3492-1, S. 123.