Matzpen (Organisation)

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Als HaIrgun HaSozialisti BeJisrael (hebräisch: הארגון הסוציאליסטי בישראל, deutsch: „Die Sozialistische Organisation in Israel“) im Jahre 1962 gegründet, wurde die Organisation schnell unter dem Namen ihrer Zeitung Matzpen („Kompass“) bekannt.

Gründungsjahre

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Der Auslöser für die Gründung war der Ausschluss von vier Mitgliedern der israelischen Kommunistischen Partei (Moshe Machover, Akiva Orr, Oded Pilavski und Irmijahu Kaplan) wegen ihrer Kritik an der moskautreuen Linie und der undemokratische Diskussionskultur in der Partei. Ihre Organisation betonte die Kritik am Zionismus, an der Histadrut, die nicht die Arbeiter verteidige, und die unbedingte Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf.

Zur Zeit der Gründung der Organisation standen die Palästinenser innerhalb der damaligen Grenzen Israels noch unter Ausnahmezustand, und daher waren von Beginn an die meisten Mitglieder jüdische bzw. hebräisch sprechende Israelis. Dies änderte sich aber auch nach Aufhebung des Ausnahmezustandes 1966 nicht; immer blieben Palästinenser in Matzpen eine Minderheit. Weitere wichtige Mitglieder waren Haim Hanegbi, Jabra Nicola und Daoud Turki.

Im Jahr 1965 entschied sich die Organisation nach schwierigen Diskussionen, die Knesset-Liste von Uri Avnery, HaOlam Haze, zu unterstützen. Von Anfang an gab sie eine monatliche Zeitschrift mit dem Titel Matzpen (hebräisch für „Kompass“) heraus, die sich vor allem mit Gewerkschaftsfragen befasste. Seit 1972 kam die Zeitschrift in Hebräisch und in Arabisch heraus. Zu dieser Zeit hatte die Zeitschrift eine Auflage von 2.000 Exemplaren.

Am 8. Juni 1967, drei Tage nach Beginn des Sechstagekriegs, veröffentlichten die DFLP und Matzpen zusammen einen Aufruf zur Lösung des Nahostkonfliktes. Die Vision in diesem Aufruf war ein nicht-zionistischer, föderaler und sozialistischer Staat, der für den Fortschritt im Nahen Osten eintreten soll.

Die Organisation wurde nach diesem Krieg lauter und hörbarer, aber auch der Druck auf sie verstärkte sich. Matzpen war klar gegen den Staat Israel, im Gegensatz zur Kommunistischen Partei, die zwar für ihre Moskauhörigkeit verhasst war, aber den Staat Israel als solchen nicht angriff. Khalil Toama war Matzpenmitglied und Vorsitzender der palästinensischen Studenten an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Der Schin Bet versuchte, ihn anzuheuern, was aber scheiterte, daraufhin wurde er am 8. Januar 1968 verhaftet. Matzpen lancierte eine internationale Kampagne zu seiner Befreiung, die Petition unterschrieb u. a. Erich Fried. Seit seiner Befreiung lebt Toama im Rhein-Main-Gebiet, wohin er durch die Verbindungen mit dem SDS kam.[1]

Die Verbindung von Matzpen mit den israelischen „Schwarzen Panthern“ war ein wichtiger Katalysator zur Radikalisierung dieser sozialen Bewegung. Ein kleiner Teil der Organisation bildete die militärische Untergrundorganisation „Rote Front“, deren Mitglieder 1972 verhaftet wurden.

1970 und 1972 spaltete sich die Organisation in drei verschiedene Gruppen.

Die Revolutionäre Kommunistische Liga

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Die Gruppe wurde auch „die Jerusalemer Zelle“ genannt, weil die meisten Mitglieder aus Jerusalem waren, darunter Michel Warschawski. Im Jahr 1978 verurteilte die Organisation, kurz RKL, das Camp-David-Abkommen als Verrat an den Palästinensern. 1984 gründete die RKL das Alternative Information Center. Ein besonderer Höhepunkt des RKL war die Aktivität gegen die Unterdrückung der Ersten Intifada. Die RKL war bis zu ihrer Selbstauflösung im Jahr 1995 Mitglied des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale.

Diese maoistische Gruppe (mit vollem Namen Der revolutionäre kommunistische Bund) trennte sich schon 1970 von Matzpen. Das wichtigste Mitglied dieser Organisation war Ilan Halevi, der später Vertreter der PLO in Paris wurde. Ein kleiner Teil der Organisation bildete die militärische Untergrundorganisation „Rote Front“, deren Mitglieder 1972 verhaftet wurden. 1976 hörte die Gruppe auf zu existieren.

Auch „der Arbeiterbund“ genannt, stand diese Gruppe dem französischen Trotzkisten Pierre Lambert nahe. Die Lambertisten verurteilten die anderen Trotzkisten als verkappte Stalinisten. Die Gruppe beschuldigte die anderen beiden Matzpengruppen außerdem, dass sie den Klassenkampf aufgegeben hätten und stattdessen Studentenkämpfen und Che Guevara nachhingen.

21. Jahrhundert

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Im 21. Jahrhundert sind die ehemaligen Mitglieder von Matzpen weiterhin aktiv, vor allem im Alternative Information Center und in zwei Organisationen: Balad und Tarabut-Hitchabrut.

  • Lutz Fiedler: Matzpen. Eine andere israelische Geschichte (= Schriften des Simon-Dubnow-Instituts. Nr. 25). 1. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-37041-4.
  • Nitsah Erʼel ניצה אראל: Matspen: ha-matspun ṿeha-fanṭazyah מצפן: המצפון והפנטזיה (Matzpen: Bewusstsein und Fantasie). Resling, Tel-Aviv 2010.
  • Englischsprachige Homepage
  • Das Manifest von Matzpen - 1967. In: Tlaxcala Int. Archiviert vom Original am 21. August 2017; abgerufen am 19. Oktober 2023.
  • T.I.S.: Antizionistische Israelis. In: Steinbergrecherche. 19. Mai 2005, archiviert vom Original am 21. August 2017; abgerufen am 19. Oktober 2023.
  • Jürgen Schröder: Israelische Sozialistische Organisation – Matzpen. In: Materialien zur Analyse von Opposition. 28. November 2008, abgerufen am 4. Mai 2017.
  • Mit solidarischem Gruß - Filme über Die Linke in Israel und in Palästina. In: Rosa-Luxemburg-Stiftung Israel Office. 27. September 2016, abgerufen am 4. Mai 2017 (Bericht zu einer Dokumentation über Matzpen von 2004).

Einzelnachweise

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  1. Sophia Deeg: Zusammenleben in Würde, Gleichheit und Gleichberechtigung. (PDF) Gespräch von Sophia Deeg mit Khalil Toama. In: Neuer ISP Verlag. 14. April 2014, abgerufen am 14. Juni 2017.