Medico international

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Logo von medico

medico international ist eine Hilfs- und Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Frankfurt am Main. Die Organisation engagiert sich für die globale Verwirklichung des Menschenrechts auf Gesundheit. Dafür unterstützt medico Partnerorganisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Zusammen mit Partnern leistet medico Nothilfe in Katastrophensituationen und unterstützt langfristig Projekte in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Menschenrechte und psychosoziale Arbeit. Zweiter Schwerpunkt der Organisation ist eine kritische Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit. Die Ursachen von Not und Armut werden in regelmäßigen Publikationen, auf öffentlichen Veranstaltungen und in gemeinsamen Kampagnen mit anderen Organisationen und Initiativen kritisiert und Alternativen diskutiert werden. In einem Newsletter und einem seit zehn Jahren vierteljährlich erscheinenden rundschreiben informiert medico international über ihre Arbeit und die Situation in den Projekten.

medico international ist Trägerin des DZI-Spendensiegels[1] und Mitglied im Bündnis Entwicklung Hilft.[2]

Organisationsstruktur

medico international ist ein eingetragener Verein mit einem ehrenamtlich tätigen Vorstand, der alle zwei Wochen tagt. Geschäftsführer ist der Psychologe Thomas Gebauer. In der Frankfurter medico-Geschäftsstelle sind mehr als 40 hauptamtliche Mitarbeiter in der Projektbetreuung, Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltung beschäftigt. Außerdem unterhält die Organisation vier Auslandsbüros in Mittelamerika, Israel/Palästina und Algerien.[3] Einer der bekanntesten medico international-Mitarbeiter ist Thomas Seibert. [4] [5] [6] [7] [8]

Im Jahr 2004 wurde zusätzlich die Stiftung medico international gegründet. Die Erträge des Stiftungskapitals werden in erster Linie dafür verwendet, die Arbeit des Vereins medico international zu unterstützen. Im Kuratorium der Stiftung sitzen unter anderem der Kabarettist Georg Schramm und der ehemalige hessische Justizminister Rupert von Plottnitz. Auch die mittlerweile verstorbenen Psychoanalytiker Margarete Mitscherlich-Nielsen und Paul Parin waren als Mitglieder des Kuratoriums für die Stiftung medico international tätig.[9]

Geschichte

Seit ihrer Gründung 1968, damals noch unter dem Namen action medico, hat sich die Arbeitsweise von medico international grundlegend verändert. Ursprünglich gegründet, um eine Sammlung von Medikamenten für Biafra zu organisieren, folgte bald die Entsendung von Personal und Fahrzeugen in Katastrophengebiete. Die Erfahrungen mit dieser Art der Hilfe führten bei medico zu einem Umdenken: Um dauerhafte Verbesserungen zu erreichen, sollten die Ursachen von Not und Armut stärker in den Blick genommen werden. Der Ansatz, den medico in der Zukunft verfolgte, setzte statt auf Medikamentensammlungen und Kurzeinsätze ausländischer Fachkräfte auf die Unterstützung lokaler Initiativen und politisches Engagement zur Veränderung der Umstände, die erst zum Entstehen der Notsituationen führen.

Langfristige Projekte rückten ins Zentrum der Tätigkeit von medico. Auch als Konsequenz aus dem Scheitern eines Großprojektes in Mali 1973 – der Errichtung eines sozial-medizinischen Komplexes in Kooperation mit der Regierung des Landes – konzentrierte sich medico immer stärker auf einen basismedizinischen Ansatz. Das „Primary-Health-Care“-Konzept, welches 1978 auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angenommen wurde, prägte zunehmend die Arbeit der Frankfurter Hilfsorganisation.[10] Zentral für dieses Konzept war, dass Gesundheit für alle nicht durch zentral verordnete Politikmaßnahmen zu erreichen ist, sondern nur durch die maßgebliche Beteiligung der Betroffenen selber.

Verleihung des Friedensnobelpreises 1997 an die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (in der Mitte medico-Geschäftsführer Thomas Gebauer)

In den 1980er Jahren unterstützte medico vor allem Befreiungsbewegungen in Zentralamerika, dem südlichen Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten. So förderte medico in Nicaragua den Aufbau von lokalen Gesundheitszentren, die Ausbildung von Krankenpflegepersonal und die Verbesserung der Trinkwasserversorgung. In Nicaragua begann medico auch damit, sich in der psychosozialen Arbeit zu engagieren. Diese Form der Hilfe blieb in den folgenden Jahrzehnten Bestandteil des Engagements der Organisation.[11]

1991 initiierte medico international zusammen mit der Vietnam Veterans of America Foundation die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen. Die Kampagne entwickelte sich zu einer weltweiten Bewegung, die 1997 schließlich den Abschluss des Vertrag von Ottawa erreichte, in dem Antipersonenminen international verboten wurden.[12] Im gleichen Jahr wurde die Kampagne mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.[13]

2003 richtete medico zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Frankfurt den Kongress Macht und Ohnmacht der Hilfe mit fast 300 Teilnehmern aus.[14]

Seit 2008 unterstützt medico die israelische Nichtregierungsorganisation Schovrim Schtika, deutsch Das Schweigen brechen.[15] Die Organisation von ehemaligen und aktiven Soldaten der Israelische Verteidigungsstreitkräfte (IDF) will die israelische Öffentlichkeit über die Aktivitäten der Armee in den palästinensischen Gebieten informieren. 2015 veröffentlichte Breaking The Silence die Aussagen von über 60 Soldaten, die an der Operation Protective Edge beteiligt waren.[16]

Im Jahr 2014 startete medico zusammen mit den Vorsitzenden von DGB, IG Metall und ver.di eine Kampagne zur Unterstützung der Textilarbeiterinnen und -arbeiter in Südasien.[17] Zwei Jahre nach dem Fabrikbrand bei Ali Enterprises im pakistanischen Karatschi, bei dem über 300 Menschen starben[18], unterstützen medico und das European Center for Constitutional and Human Rights eine Klage von vier Überlebenden gegen das deutsche Textilunternehmen KiK.[19] In Bangladesch fördert medico einen Fonds für die Verletzten des Zusammensturzes der Textilfabrik Rana Plaza [20], bei dem über 1127 Menschen starben und 2438 verletzt wurden.[21]

Projekte und Arbeitsweise

Länder, in denen medico international Projektpartner hat

Zurzeit unterstützt medico insgesamt 114 Projekte in 29 Ländern.[22] Schwerpunkte der Tätigkeit der Organisation finden sich Mittelamerika und dem Nahen Osten. Aber auch mit Partnerorganisationen in Südamerika, Afrika und Asien arbeitet medico zusammen.

Die Organisation leistet Nothilfe in akuten Katastrophensituationen, wie kriegerischen Auseinandersetzungen, Flucht und Umweltkatastrophen. Die Nothilfe soll jedoch immer mit langfristigen Projekten verbunden werden, um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen. Zentral für die Arbeit von medico ist dabei die Zusammenarbeit mit einheimischen Organisationen, die nicht als bloße Empfänger von Hilfe angesehen werden sollen, sondern als eigenständige Partner. medico stellt die Verwirklichung des Rechts aller Menschen auf Gesundheit ins Zentrum ihrer Tätigkeit. Gesundheit versteht die Organisation gemäß der Definition der Weltgesundheitsorganisation als vollständiges physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden, nicht als bloße Abwesenheit von Krankheiten.[23] Daher arbeitet medico nicht nur mit Organisationen zusammen, die in der medizinischen Gesundheitsversorgung tätig sind, sondern unterstützt ebenso andere Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechtsorganisationen und kulturelle Initiativen. So arbeitet medico zum Beispiel mit dem Freedom Theatre Jenin zusammen, das Kindern und Jugendliche aus dem Flüchtlingslager Jenin einen Raum bietet, in dem sie sich frei ausdrücken können,[24] sowie mit den Gays and Lesbians of Zimbabwe, die sich für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzen, und unterstützt Minenräum- und Minenaufklärungsprojekten in Afghanistan und Kolumbien.

Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen

Plakat der Kampagne Die EU nennt es Rohstoffinitiative...Wir nennen es Rohstoffraub

Anspruch von medico international ist es, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, die über die bloße Spendengewinnung hinausgeht. Die Organisation informiert über die Situation in den Ländern, in denen sie Partnerorganisationen hat und kritisiert die Ursachen von Ungerechtigkeit und Armut. Wichtigste Informationsmedien sind die Homepage www.medico.de sowie das vier Mal jährlich erscheinende kostenlose medico-rundschreiben mit Reportagen und Hintergrundberichten aus den Projektländern. Einmal im Jahr veröffentlicht medico einen Jahresbericht, in dem über die Projektarbeit des vergangenen Jahres berichtet wird und Details zu Finanzentwicklung und Organisationsstruktur transparent gemacht werden.

medico initiiert oder beteiligt sich regelmäßig an politischen Kampagnen. Zusammen mit dem globalisierungskritischen Netzwerk attac startete die Organisation 2011 eine Kampagne unter dem Titel Die EU nennt es Rohstoffinitiative...Wir nennen es Rohstoffraub, die sich gegen die Strategie der EU wendet, offensiv auf Zugang zu Rohstoffvorkommen in Entwicklungsländern zu drängen. Auch am Bündnis Umfairteilen, in dem sich Gewerkschaften, Sozialverbänden und NGOs zusammengeschlossen haben, um sich für eine stärkere Besteuerung von Reichtum einzusetzen, ist medico beteiligt.[25]

Die internationale Vernetzung mit zivilgesellschaftlichen Initiativen ist medico wichtig. So ist die Organisation Mitglied im People’s Health Movement, in dem sich zahlreiche Gesundheitsinitiativen aus aller Welt zusammengeschlossen haben. Das Netzwerk setzt sich für die globale Verwirklichung des Konzepts der Basisgesundheitsversorgung ein. Gesundheitsversorgung soll als Gemeingut unter Partizipation der betroffenen Menschen auf lokaler Ebene zur Verfügung gestellt werden.[26]

medico international Schweiz

Die während des Spanischen Bürgerkrieges 1937 gegründete Schweizer Hilfsorganisation Centrale Sanitaire Suisse benannte sich 2002 in medico international Schweiz um. Die Organisation blieb jedoch weiterhin eigenständig.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. medico international. Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI)
  2. Bündnis Entwicklung Hilft.
  3. medico Jahresbericht 2014.
  4. http://attac-netzwerk.de/index.php?id=1419
  5. https://www.solidarische-moderne.de/de/article/22.dr-thomas-seibert.html
  6. http://www.linksnet.de/de/autorin/seibert_thomas
  7. http://www.taz.de/!145709/
  8. http://www.avanti-projekt.de/avanti/radikale-linke-und-solidarische-moderne
  9. http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=771547&_ffmpar
  10. Aus dem medico-Rundschreiben 01/2008.
  11. Aus dem medico-Rundschreiben 02/2008.
  12. International Campaign to Ban Landmines.
  13. http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/peace/laureates/1997/
  14. medico international (Hrsg.): Macht und Ohnmacht der Hilfe. Eine Dokumentation über die Krise humanitären Handelns. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 978-3935964425.
  15. 10 Jahre Breaking The Silence
  16. Protective Edge. Soldiers’ testimonies from Gaza
  17. Reiner Hoffmann (DGB-Vorsitzender), Detlef Wetzel (IG Metall-Vorsitzender) und Frank Bsirske (ver.di-Vorsitzender):"Wir stehen am Anfang"
  18. More Than 300 Killed in Pakistani Factory Fires. In: The New York Times vom 12. September 2012, abgerufen am 25. Oktober 2012
  19. Sie klagen gegen KiK
  20. Wir handeln jetzt
  21. 1127 Tote, 2438 Verletzte, Tagesschau, 13. Mai 2013
  22. Jahresbericht 2014
  23. Erklärung von Alma Ata. (PDF; 80 kB)
  24. Esther Boldt: Kulturelle Intifada. In: taz, 22. September 2009, Nr. 8994.
  25. Bündnis Umfairteilen.
  26. medico international: Global – Gerecht - Gesund? Fakten, Hintergründe und Strategien zur Weltgesundheit. VSA-Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3899652932.