ORGAN²/ASLSP
ORGAN²/ASLSP (häufig auch Organ2/ASLSP geschrieben) ist ein Musikstück für Orgel von John Cage aus dem Jahr 1987. Die Abkürzung ASLSP steht für as slow as possible und ist die Anweisung, die achtseitige Partitur so langsam wie möglich zu spielen. Bei der Uraufführung 1989 in Metz spielte der Organist Gerd Zacher das Orgelstück in einer Länge von 29 Minuten. Neuere CD-Einspielungen erschienen von Gary Verkade, Hans-Ola Ericsson, Christoph Bossert und Dominik Susteck.
Seit dem Jahr 2001 wird es in der Sankt-Burchardi-Kirche in Halberstadt als langsamstes und längstandauerndes Orgelstück der Welt in einer Gesamtlänge von 639 Jahren aufgeführt.[1][2][3][4]
Entstehung
John Cage komponierte das Stück unter dem Titel ASLSP im Jahr 1985 ursprünglich für Klavier mit Hilfe eines Zufallsprogramms mit dem Computer. Entstanden ist es als Auftragswerk und Wettbewerbsstück für The University of Maryland Piano Festival and Competition, später umbenannt in William Kapell International Piano Competition, uraufgeführt wurde es am 14. Juli 1985 in College Park, Maryland.[5] Im Original verwendete der Komponist auch die Bezeichnung As Slow(ly) and Soft(ly) as Possible, womit er sich auf das Zitat „Soft morning city. Lsp!“ aus dem Roman Finnegans Wake von James Joyce bezog. Das Werk ist in acht gleich lange Teile unterteilt.[5] Cage schrieb es 1987 für den Organisten Gerd Zacher für Orgel um.
Aufführung in Halberstadt
Vorgeschichte
Bei einem Orgelsymposium im Jahr 1997 in Trossingen entstand die Idee, die Angabe as slow as possible noch wörtlicher als bei der Uraufführung zu nehmen. Die Wahl für den Aufführungsort fiel auf Halberstadt, da im Halberstädter Dom 1361 eine der ältesten dokumentierten Orgeln der Neuzeit gebaut wurde. Die gotische Orgel des Domes zu Halberstadt wird von den Organisatoren als „erste Großorgel der Welt“ bezeichnet. Da der Dom jedoch als Gotteshaus genutzt wird, wich man auf die seinerzeit ungenutzte Sankt-Burchardi-Kirche im ehemaligen Kloster Sankt Burchardi aus.
Die achtseitige Partitur wurde für die Aufführung auf die angestrebte Spieldauer von 639 Jahren hochgerechnet. Dieser Zeitraum ergab sich aus der Differenz des Einbaus der alten (nicht erhaltenen) Domorgel von 1361 in den Halberstädter Dom und dem zunächst geplanten Aufführungsbeginn im Jahre 2000. Der Bogen spannt sich also von 1361 über 2000 in das Jahr 2639. Die tatsächliche Aufführung des Werkes konnte jedoch aufgrund von Verzögerungen erst am 5. September 2001 beginnen und soll demgemäß auch erst im Jahr 2640 enden.
Orgel
In der Planungsphase war noch der Marburger Orgelbauer Gerald Woehl im Projekt involviert.[6] Der Bau der Orgel in der Sankt-Burchardi-Kirche eigens für die Aufführung des Stückes geschieht durch den Kevelaerer Orgelbauer Romanus F. Seifert & Sohn mit Unterstützung der Firma Orgelbau Reinhard Hüfken aus Halberstadt.[2][7] Sie steht im rechten Querhaus der Kirche, während sich die Balganlage im linken Querhaus befindet. Außerdem ist auch ein altes Chorgestühl vorhanden. Da die Orgel ununterbrochen in Betrieb ist, wurde sie von einem Acrylglaskasten abgedeckt, um ihr Eigengeräusch (während der Spielpausen) zu vermindern. Um eine Unterbrechung des Stücks bei einem Stromausfall zu verhindern, ist ein Notstromaggregat angeschlossen. In der Orgel können mehrere Orgelpfeifen eingebracht werden. Bei den sogenannten Tonwechseln werden diese entsprechend dem Verlauf der Partitur ausgetauscht.
Aufführung
Die Aufführung des Stücks begann am 5. September 2001. Da es mit einer Pause von eineinhalb Jahren einsetzte, war der erste Orgelton am 5. Februar 2003 zu hören.
Die Tonwechsel finden allgemein regen öffentlichen Zuspruch, so dass sich zu diesen Zeitpunkten viele Besucher einfinden. Der letzte Tonwechsel fand am 5. Oktober 2013 statt. Am 5. September 2020, also erst nach sieben Jahren, wird der nächste Tonwechsel stattfinden.[8]
Der Tonwechsel vom 5. Januar 2006 gis″/e/e′ → gis″/e/e′/a′/c″/fis″ ist als Audiodatei i verfügbar (der eigentliche Tonwechsel ab 8 min 30 s).
Termine der Tonwechsel des ersten Teils
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- K = Klanganfang
- P = Klangende (Pause)
Gedenktafeln
In der Kirche können an einem Edelstahlband für jedes Aufführungsjahr Gedenktafeln angebracht werden. Jeder Spender und jede Spendergruppe, die mehr als 1200 EUR spenden, kann sich eine Tafel zuteilen lassen und einen Text vorgeben. Auf der Webseite des Projektes kann man einsehen, welche Jahre noch zur Verfügung stehen.
Weblinks
- ORGAN²/ASLSP, die offizielle Website der John-Cage-Orgelstiftung Halberstadt
- Zeit online vom 3. Mai 2006: Dauerorgeln. Ob’s Gott gefällt? Ein Gespräch mit dem Berliner Komponisten und Theologen Dieter Schnebel über das längste Musikstück der Welt, das am 5. Mai in Halberstadt in eine neue Phase tritt. Das Werk von John Cage soll im Jahr 2640 zu Ende gehen, von Ulrich Stock
Einzelnachweise
- ↑ Offizielle Website der John-Cage-Orgel-Stiftung Halberstadt (zuletzt abgerufen am 27. Oktober 2013), der zufolge sich das Projekt als ein Versprechen in die Zukunft versteht und dementsprechend auch als musikalisches Langzeitexperiment gelten kann.
- ↑ a b taz, Fatale Tage von Halberstadt von J. Kühnemund am 2. Juli 2005 anlässlich des Verklingens des eingestrichenen h am 5. Juli 2005, abgerufen am 27. Oktober 2013.
- ↑ Die Zeit, Die eingefrorene Zeit von U. Stock am 8. Januar 2006, abgerufen am 27. Oktober 2013.
- ↑ Die Zeit, Das Summen Gottes von U. Stock am 5. August 2011 zum bevorstehenden zehnjährigen Jahrestag, abgerufen am 17. September 2011.
- ↑ a b ASLSP. In: johncage.org.
- ↑ So langsam wie möglich, und das für Jahrhunderte, Raoul Mörchen, in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. September 2000, zitiert in John Cage in Halberstadt - Die Zeitproblematik in »As Slow As Possible«, David Zintl 5. April 2005
- ↑ Projektbeschreibung auf der offiziellen Website der John-Cage-Orgel-Stiftung Halberstadt, abgerufen am 3. Juni 2017
- ↑ Die Klangwechsel. Internetseite des John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt, Halberstadt. Abgerufen am 5. Februar 2017
- ↑ Ausschnitt aus der Partitur 'Klangwechsel' der offiziellen Website der John-Cage-Orgel-Stiftung Halberstadt, abgerufen am 27. Oktober 2013.
- ↑ Klangwechsel bei Cage-Aufführung in Halberstadt: Das langsamste Orgelkonzert der Welt. Der Spiegel, 5. Oktober 2013, abgerufen am 5. Oktober 2013.