Parlamentarischer Rat

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Bundeshaus 1949

Der Parlamentarische Rat war ein von den elf Ministerpräsidenten der deutschen Länder der drei westdeutschen Besatzungszonen auf Anweisung der drei Westmächte, Frankreich, Großbritannien und Vereinigte Staaten von Amerika (USA), in Bonn eingesetztes Gremium mit parlamentarischem Charakter. Das Gremium sollte auf Grundlage der Frankfurter Dokumente, zu denen die Ministerpräsidenten auf der Rittersturz-Konferenz verabschiedeten Koblenzer Beschlüssen Stellung nahmen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ausarbeiten, zu dem bereits Vorarbeiten vom Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vorlagen. Das Grundgesetz sollte nur als vorläufige Verfassung gelten. Die Eröffnungsfeier fand im Rahmen eines Festaktes am 1. September 1948 im Museum Alexander Koenig in Bonn statt, die 1., konstituierende Sitzung am 1. September 1948 und alle weiteren Plenar- und Ausschusssitzungen fanden in der Pädagogischen Akademie, dem späteren Bundeshaus, statt. Einberufen wurde die erste Sitzung vom Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, dem hessischen Ministerpräsidenten Christian Stock. Er und der Landeschef, der nordrhein-westfälischen Ministerpräsident Karl Arnold hielten die Eröffnungsansprachen. Zum Präsidenten des Parlamentarischen Rates wurde Konrad Adenauer gewählt.

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Museum Koenig – Ort der Eröffnungsfeier des Parlamentarischen Rates

Dem Parlamentarischen Rat gehörten 65 stimmberechtigte Abgeordnete der westlichen Besatzungszonen sowie fünf nicht stimmberechtigte Abgeordnete aus Berlin (West) an, die von den jeweiligen Länderparlamenten gewählt wurden. Ein Abgeordneter vertrat dabei jeweils 750.000 Einwohner; Nordrhein-Westfalen sandte mit 16 Parlamentariern die meisten Vertreter, Württemberg-Hohenzollern und Baden mit 2 und Bremen mit 1 die wenigsten. Stärkste Fraktionen mit je 27 Abgeordneten wurden CDU/CSU und SPD, gefolgt von der FDP mit fünf Abgeordneten sowie der KPD, der Deutschen Partei und dem Zentrum mit je zwei Abgeordneten. Die drei stärksten Parteien bildeten Fraktionen, deren Vorsitzende Anton Pfeiffer (CDU/CSU), Carlo Schmid (SPD) und Theodor Heuss (Liberale) waren. Auch wenn zeitgenössisch von den „Vätern des Grundgesetzes“ gesprochen wurde, waren unter den Abgeordneten tatsächlich auch vier Frauen.

Erklärtes Hauptziel der Schöpfer des Grundgesetzes war es, aus den Fehlern der Weimarer Republik, und der ungerechten Regierungsform Hitlers, die alle Grundrechte missachtete, zu lernen. So wurden die Grundrechte gestärkt und die Rolle des Kanzlers aufgewertet. Zum Beispiel wurde zugunsten des konstruktiven Misstrauensvotums das destruktive Misstrauensvotum abgeschafft, die Stellung des Bundespräsidenten neu gestaltet. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren Vertreter einer streitbaren Demokratie und wollten dafür Sorge tragen, dass anders als in der Weimarer Verfassung Vorkehrungen getroffen wurden, die es Feinden der Demokratie unmöglich machen sollte, diese erneut auf legalem Wege zu untergraben.

Oberstes Ziel des Grundgesetzes war die Herstellung der Einheit aller Deutschen, wie es in der Präambel und in Artikel 23 zum Ausdruck gebracht wurde. Dabei war jedoch auch auf die Interessen der (West-)Alliierten Rücksicht zu nehmen, die in Detailfragen Nachbesserungen verlangten; dies betraf insbesondere die Rolle Berlins, das nach dem Wunsch des Parlamentarischen Rats ein gleichberechtigtes Bundesland sein sollte, während die Siegermächte auf dem Sonderstatus der Stadt bestanden, der sich etwa darin ausdrückt, dass die Berliner Abgeordneten im Bundestag kein Stimmrecht bekamen. Am 8. Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat nach mehrmaligen Nachbesserungen mit 53 zu 12 Stimmen das Grundgesetz. Die drei westlichen Militärgouverneure gaben am 12. Mai ihr Placet und auch die Bundesländer stimmten dem Entwurf zu - allein der Bayerische Landtag stimmte mehrheitlich gegen das Grundgesetz, das ihm zu wenig föderalistisch erschien, allerdings mit der Maßgabe, das Grundgesetz anzuerkennen, wenn zwei Drittel der Bundesländer es ratifizieren würden, was der Fall war. Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 verkündet und galt in Berlin (West) und Westdeutschland (außer zunächst im Saarland, das erst im Januar 1957 Teil der Bundesrepublik wurde).

Der Parlamentarische Rat löste sich nach der Vorbereitung der ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag auf.

Siehe auch

Literatur

  • Michael F. Feldkamp: Der Parlamentarische Rat 1948 - 1949, die Entstehung des Grundgesetzes. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998. ISBN 3-525-01366-3
  • Deutscher Bundestag und Bundesarchiv (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle.
  • Nikolas Dörr: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands im Parlamentarischen Rat 1948/1949. WVB, Berlin 2007. ISBN 978-3-86573-265-1