Religionssensibilität

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Religionssensibilität bzw. religiöse Sensibilität ist zunächst allgemein die Sensibilität, Offenheit, Ansprechbarkeit und Wahrnehmungsfähigkeit für religiöse Phänomene und als solche eine der für Religiosität typischen Handlungs- und Urteilskompetenzen.[1]

In der Pädagogik ist die Religionssensibilität eine spezifische Kompetenz von Pädagogen, ob Erzieher, Sozialpädagogen oder Lehrer, die vor allem im Kontext von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Kindertagesstätten oder Schulen die Interreligiosität und Interkulturalität sinnvoll möglich macht. Sie gilt allgemein als eine Dimension sozialberuflicher Kompetenz und wird daher auch auf alle Felder der Medizin, Pflege, Lebensberatung und Krisenbewältigung (z. B. Sterbe- und Trauerbegleitung) angewandt.

Voraussetzungen und Haltungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kompetenz der Religionssensibilität setzt voraus:

  1. dass die Pädagogen „ihren eigenen religiösen Standpunkt“ geklärt haben;
  2. dass sie „Ungerechtigkeit und Schuld, Freude und Hoffnung“ wahrnehmen;
  3. dass sie „versöhnen und den Glauben feiern“ können;
  4. dass sie „scheinbar banale Fragen ... als philosophische oder religiöse“ ernst nehmen und so Horizonte öffnen können;
  5. dass sie „aufmerksam für Riten, Räume und Zeiten“ sind, „die den Alltag durchbrechen und auf etwas darüber Hinausgehendes verweisen“;
  6. dass sie „die Religionen ... und ihre Feste“ wahrnehmen.[2]

Religionssensibilität braucht eine Haltung der Achtsamkeit, Feinfühligkeit, Behutsamkeit und des Respekts gegenüber dem gesellschaftlichen Phänomen der Religion. Ebenfalls erforderlich ist das Interesse für religiöse Spuren in der eigenen Biografie und im Leben der Klienten.[3] Die pädagogischen Bezugspersonen sollen die Hoffnungen, die spirituellen Momente, die existenziellen Sehnsüchte und die Unbedingtheits- und Transzendenzerfahrungen „wahrnehmen und anerkennen, herausfordern und begleiten“[4].

Pädagogische Praxisfelder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wo diese Kompetenz zum Tragen kommt, findet religionssensible Erziehung, Bildung, Pädagogik, Beratung und Begleitung statt. Insbesondere junge Menschen haben ein Recht auf Orientierung und Begleitung in religiösen Belangen, so dass Religionssensibilität besonders im Bereich der Erziehung und Schule zur Entwicklung von religionspädagogischen Handlungskonzepten geführt hat.

In den Jahren von 2005 bis 2008 wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Religion in der Jugendhilfe“ am Jugendpastoralinstitut Don Bosco Benediktbeuern unter dem Titel „Religionsensible Erziehung“ speziell ein Konzept für die Heimerziehung entwickelt. Mittlerweile ist dieses Konzept auch in andere pädagogische Felder übertragen worden, etwa auf die Kindertageseinrichtungen oder auf Schulen. Das „Rauhe Haus“ in Hamburg hat in Zusammenarbeit mit der ebenfalls dort ansässigen Akademie der Weltreligionen für ihre sozialen Einrichtungen das Benediktbeurer Konzept zu einer „kultur- und religionssensiblen Erziehung“ weiterentwickelt.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ulrich Hemel: Religionsphilosophie und Philosophie der Religiosität. Ein Zugang über die Typologie religiöser Lebensstile. In: Hans-Ferdinand Angel: Religiosität: Anthropologische, theologische und sozialwissenschaftliche Klärungen. 2006, S. 102.
  2. Katrin Bederna, Religionssensible Erziehung in Kindertageseinrichtungen, in: Katrin Bederna und Hildegard König (Hrsg.): Wohnt Gott in der Kita? Religionssensible Erziehung in Kindertageseinrichtungen, Berlin 2009, S. 27
  3. Martin Lechner, Jugendlichen mit Religion gerecht werden, in: Neue Caritas, 2011, Nr. 15 (online)
  4. Vgl. Friedrich Schweitzer, Die Suche nach eigenem Glauben. Einführung in die Religionspädagogik des Jugendalters, Gütersloh 1996, S. 153.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Martin Lechner/Angelika Gabriel (Hg.), Religionssensible Erziehung. Impulse aus dem Forschungsprojekt, „Religion in der Jugendhilfe“ (2005-2008), München 2009 – ISBN 978-3-7698-1741-6
  • Martin Lechner/Martin Schwer (Hg.), Werkbuch Religionssensible Erziehungshilfe, „Religionssensible Erziehung in den Diensten und Einrichtungen der Erziehungshilfen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart“, Berlin 2009 – ISBN 978-3-8680-5341-8
  • Katrin Bederna/Hildegard König (Hg.), Wohnt Gott in der Kita? Religionssensible Erziehung in Kindertageseinrichtungen, Berlin 2009 – ISBN 978-3-5892-4670-0
  • Martin Lechner/Angelika Gabriel (Hg.), Brennpunkte. Religionssensible Erziehung in der Praxis, München 2010 – ISBN 978-3-7698-1832-1
  • Gudrun Guttenberger und Harald Schroeter-Wittke (Hrsg.): Religionssensible Schulkultur. Jena 2011, ISBN 3941854542, darin: Henning Schluß: Religionssensibilität als pädagogische Kompetenz. S. 211–224 Online als PDF-Datei.
  • Judith Weber, Religionssensible Bildung in Kindertageseinrichtungen. Eine empirisch qualitative Studie zur religiösen Bildung und Erziehung im Kontext der Elementarpädagogik, Münster 2014 – ISBN 978-3-8309-8150-3
  • Martin Lechner, Norbert Dörnhoff, Stephan Hiller (Hg.), Religionssensible Erziehung in der Jugendhilfe. Benachteiligte Kinder und Jugendliche in ihrer religiösen Entwicklung fördern.; Freiburg 2014 – ISBN 978-3-7841-2624-1
  • Silke Leonhard, Religionssensibilität – Überlegungen zu einer religionspädagogischen Kategorie, in: M. Gofheinz und H. Noormann (Hrsg.): Was ist Bildung im Horizont von Religion?, Stuttgart 2014, S. 106–116
  • Sina Motzek-Öz: Religionssensibilität in der Unterstützung geflüchteter Familien. In: Michael Klöcker/Udo Tworuschka: Handbuch der Religionen 67. EL, Hohenwarsleben 2021 Westarp Science Fachverlage
  • Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger (Hrsg.): Kulturell und religiös sensibel?: Interreligiöse und Interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung für den Elementarbereich, 2015, ISBN 3830982593
  • Andreas Stehle, Religionspädagogische Kompetenzen und persönliche Einstellungen von Erzieherinnen: Empirische Zugänge und Perspektiven für die Praxis, Waxmann, Münster 2015, ISBN 3-8309-8266-6 (= Interreligiöse und interkulturelle Bildung im Kindesalter, Band 6, zugleich Dissertation an der Universität Tübingen 2015).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]