Rohrglanzgras

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Rohrglanzgras

Rohr-Glanzgras (Phalaris arundinacea)

Systematik
Monokotyledonen
Commeliniden
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Süßgräser (Poaceae)
Gattung: Glanzgräser (Phalaris)
Art: Rohrglanzgras
Wissenschaftlicher Name
Phalaris arundinacea
L.

Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea L.), auch Havelmielitz bzw. Havelmilitz genannt, ist eine dem Schilfrohr ähnelnde, aber wesentlich kleinere Pflanzenart aus der Gattung der Glanzgräser (Phalaris) in der Familie der Süßgräser.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blattgrund (im Gegensatz zu dem des Schilfrohres haarlos)

Vegetative Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rohrglanzgras erreicht eine Wuchshöhe von 60 bis 200 (bis 300) Zentimetern[1] und hat ein fleischiges, mit unterirdischen Ausläufern versehenes Wurzelsystem.

Das jüngste Blatt ist meistens gerollt. Die derben Blattspreiten der älteren Blätter sind 10 bis 30 Zentimeter lang und 6 bis 15 (bis 20) Millimeter breit[1], ungerieft und kahl. Sie besitzen mehr oder weniger deutliche Queradern. Der Blattgrund ist ohne Öhrchen und hat ein schmutzigweißes, großes, in eine Spitze hochgezogenes Blatthäutchen (im Gegensatz zum Haarkranz des Schilfrohres). Die Blattscheiden sind offen, kahl und mit deutlichen Queradern versehen.

Ährchen

Generative Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Blüten des Rohrglanzgrases sind 10 bis 20 cm lange allseitswendige echte Rispen. Während der Blüte ist die Rispe gespreizt, sonst jedoch zusammengezogen. Auf der untersten Spindelstufe kommen immer zwei Äste vor. Schilfrohr und Landreitgras haben hier mehrere Äste und das Gemeine Knaulgras nur einen Ast. Die unbegrannten, einblütigen und lanzettlichen Ährchen des Rohrglanzgrases stehen büschelig gehäuft zusammen. Die Ährchenstiele sind 1,5 bis 4 Millimeter lang, kantig und rau.[1] Die Ährchen sind 5 bis 7 Millimeter lang und seitlich zusammengedrückt.[1] Die 2 Hüllspelzen sind untereinander fast gleich und 5 bis 7 Millimeter lang, gekielt, rau und sehr kurz und fein behaart.[1] Die Deckspelzen der beiden verkümmerten Blütchen sind 1 bis 1,5 Millimeter lang und behaart. Die Deckspelze des fruchtbaren Blütchens ist fünfnervig, 3 bis 4 Millimeter lang spitz und knorpelig verdickt. Die Vorspelze ist zweinervig, 3 bis 4 Millimeter lang und kurz zwispitzig. Die Staubbeutel sind 2,5 bis 3 Millimeter lang.[1]

Die Blütezeit reicht von Juni bis August.[1]

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 28, seltener 42.[1]

Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea)
Rohrglanzgras im Bestand

Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rohrglanzgras ist ein Bodenfestiger und ein Wechselnässe-Zeiger. Es ist ein Wurzel-Kriechpionier und wurzelt bis zu 3,5 Meter tief.[2]

Die Blüten sind windblütig vom „langstaubfädigen Typ“.[3]

Ausbreitungseinheiten sind die von der Deck- und Vorspelze umgebenen Karyopsen; sie verbreiten sich als Ballonflieger; daneben findet Zufallsverbreitung durch Weidetiere statt und wegen der unter den Spelzen vorhandenen Luft auch Schwimmausbreitung.[3]

Vegetative Vermehrung erfolgt reichlich durch die langen unterirdischen Ausläufer. Dadurch bilden sich oft große Bestände aus, die von einer einzigen Pflanze abstammen.[3]

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rohrglanzgras ist in den gemäßigten Breiten Europas, Asiens und Nordamerikas heimisch, geht aber selten über Höhen von 1500 m. In den Allgäuer Alpen steigt es in Vorarlberg zwischen Untergehren und Warth bis zu 1400 Metern Meereshöhe auf.[4] Es erreicht im Kanton Wallis bei Saas-Fee 1810 Meter, auf der Alp Grüm in Graubünden 2050 Meter Meereshöhe.[1] Es wächst oft in großen Trupps an oder in fließenden, sauerstoffreichen Gewässern, verträgt aber kein stagnierendes Wasser. Das Rohrglanzgras bevorzugt kräftige Standorte und deshalb besonders nährstoffreiche Ton- und Schlammböden (Auwaldböden). Gelegentlich kommt es auch auf trockenen Standorten vor, diese dürfen jedoch nicht verdichtet, zu nährstoffarm oder zu rohhumusreich (sauer) sein. Es ist eine lichtliebende, jedoch auch Halbschatten ertragende Art. Sie ist eine Charakterart des Phalaridetum arundinaceae aus dem Verband Magnocaricion, kommt aber auch in Gesellschaften der Ordnung Phragmitetalia oder des Verbands Alno-Ulmion vor.[2]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 4fw+ (sehr feucht aber stark wechselnd und im Bereich von fliessendem Bodenwasser), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 4 (kollin), Nährstoffzahl N = 4 (nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental), Salztoleranz = 1 (tolerant).[5]

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bandgras (Phalaris arundinacea var. picta)

Zum Rohrglanzgras gehört auch:

  • Bandgras oder Spanisches Gras (Phalaris arundinacea var. picta L.): Seine Blattspreiten sind anfangs rosa oder weiß gebändert und später gelblichweiß oder rein weiß gestreift.[1] Es wird schon seit etwa 1600 in Gärten kultiviert.

Kultursorten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für tiefgründige, feuchte Standorte wurden Kultursorten des Rohrglanzgrases gezüchtet. Als massenwüchsiges Mähgras ist es sehr ertragreich, bildet jedoch nur ein verhältnismäßig grobes, früher als Pferdeheu bezeichnetes Futter. Rohrglanzgras hat eine frühe Schnittreife.

Das Rohrglanzgras ist Gramin-haltig.[6] Wegen der schädlichen Wirkung, die Gramin auf grasende Nutztiere wie z. B. Schafe[7] hat, wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte Gramin-arme Kultursorten gezüchtet. Anders als häufig angenommen ist nicht Dimethyltryptamin (DMT) für das Verenden von Weidetieren verantwortlich.

Energiepflanze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rohrglanzgras gilt als Energiepflanze mit hohem Biomasseertrag.[8] Als Brikett oder Pellet kann es zur klimafreundlichen Verbrennung dienen.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rudolf Schubert, Klaus Werner, Hermann Meusel (Hrsg.): Exkursionsflora für die Gebiete der DDR und der BRD. Begründet von Werner Rothmaler. 13. Auflage. Band 2: Gefäßpflanzen. Volk und Wissen, Berlin (DDR) 1987, ISBN 3-06-012539-2.
  • Herbert Hesmer, Jürgen Meyer: Waldgräser. 2. Auflage. M. u. H. Schaper, Hannover 1950.
  • K. Dörter: Süßgräser, Riedgras- und Binsengewächse. 2. Auflage. Urania-Verlag, Leipzig/Jena/Berlin 1977.
  • J. Krejča: Aus unserer Natur (Pflanzen). 1. Auflage. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1978 (jetzt ISBN 3-570-09856-7).
  • Fritz Encke, Günther Buchheim, Siegmund Seybold: Handwörterbuch der Pflanzennamen. Begründet von Robert Zander. 12. Auflage. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1981 (entspr. Eugen Ulmer, Stuttgart 1980, ISBN 3-8001-5017-4).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j Hans Joachim Conert: Familie Poaceae. In Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 3. Auflage, Band I, Teil 3, Seite 156–158. Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg 1983. ISBN 3-489-52020-3.
  2. a b Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5. Seite 263–264.
  3. a b c Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
  4. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 150.
  5. Phalaris arundinacea L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 25. Juni 2023.
  6. Phalaris arundinacea im Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, abgerufen am 7. Juli 2014.
  7. G. L. Marten, R. M. Jordan, A. W. Hovin: Biological significance of reed canarygrass alkaloids and association with palatability variation to grazing in sheep and cattle. In: Agronomy Journal. Band 68, 1976, S. 909–914.
  8. a b Michael Pankratius. Die Zukunft vom Acker, abgerufen am 6. April 2010.