Schachten

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Schachten (singul.) bezeichnet eine ehemalige, teilweise bis heute genutzte entlegene Weidefläche im Bayerischen Wald.

Der Ruckowitzschachten am Rukowitzberg. Im Hintergrund Großer Arber und Zwercheck

Beschreibung

Ähnlich den Almen der Alpen handelt es sich um baumfreie Waldwiesen. Diese freien Flächen mit einer Größe von einigen Hektar wurden von den Hirten als Übernachtungsplätze und für Pausen genutzt. Einzelne Bäume blieben auf den Wiesen erhalten, um schattige Ruheplätze für die Tiere zu bieten. Diese einzeln stehenden Bäume konnten sich ungehindert entfalten und sind oft schon uralt und von Wind und Wetter gezeichnet. Besonders faszinierend sind diese Lichtungen, weil sie in dem riesigen Waldgebiet die einzigen Freiflächen sind und oft einen guten Ausblick bieten. Im Norden des Bayerischen Waldes werden sie meist nur als „Wiesen“ bezeichnet, während sie im Gebiet zwischen den Bergen Großer Falkenstein und Großer Rachel durchweg „Schachten“ heißen und weiter nach Südosten hin als „Plätze“ bezeichnet werden.

Die Schachtenflora ist artenärmer als die der Almen in den Alpen. Als seltene Besonderheiten kommen Türkenbund, Pannonischer Enzian, Schwalbenwurz-Enzian, Arnika, Berg-Greiskraut und verschiedene Eisenhut-Arten vor.

Geschichte

Der Kirchlinger Stand am Steinfleckberg

Der Begriff lässt sich erstmals im Jahr 1608 in einem Bericht an Herzog Maximilian von Bayern nachweisen. Im Jahr 1613 wird erstmals von einem Waldweidebetrieb am Rukowitzberg berichtet. Bis in die 1950er Jahre, mancherorts auch länger, wurden während der Sommermonate (Juni bis September) Rinder, vorwiegend Jungstiere in die Hochlagen des Bayerischen Waldes getrieben. Um die Weide- beziehungsweise Mastungsrechte gab es zuweilen gerichtlich ausgetragenen Streit zwischen den verschiedenen Dörfern. Die Hirten wurden von dem jeweiligen Dorf fest angestellt und hatten mit ihren Familien ein Wohnrecht in dem eigens errichteten örtlichen Hirtenhaus. Einige von ihnen hatten einen legendären Ruf, besonders der in Rabenstein lebende, oft als Waldprophet Mühlhiasl identifizierte Matthias Stormberger, Held des Romans Mühlhiasl – Der Waldprophet von Paul Friedl. Einem anderen sagenumwobenen Waldhirten aus der Gegend des Lusen errichtete Hans Watzlik in seinem Roman Der wilde Eisengrein ein literarisches Denkmal.

Nach dem Ende der Weidewirtschaft beschloss die Ministerialforstverwaltung 1956 die Aufforstung der Schachtenflächen. Zu Beginn der 1960er Jahre wurde mit der Abholzung der alten Unterstellbäume und der Anpflanzung von Fichten begonnen. Diese Maßnahmen stießen auf erheblichen Widerstand, nicht zuletzt durch den Bayerischen Wald-Verein. Am 17. September 1968 gab die Oberforstdirektion Regensburg bekannt, dass seit 1964 keine Schachten mehr aufgeforstet wurden und auch in Zukunft nicht aufzuforsten seien. Heute werden diese Flächen in Erinnerung an die vergangene Lebensweise erhalten.

Die Schachten im Arbergebiet werden teilweise bis heute beweidet. 1848 gab es hier 139 Berechtigte, 1948 noch mehr als hundert, 1993 noch drei. Im Jahr 2013 zogen in ununterbrochener Tradition 21 Kälber, Kühe und Ochsen der drei verbliebenen Rechteinhaber, Nebenerwerbsbauern aus Bodenmais, mit ihrem Hirten von einem Schachten zum anderen. Die sechs dazu genutzten Schachten sind mittlerweile eingezäunt.

Liste der erhaltenen Schachten

Name Lage Höhenlage Fläche (1975)
Hüttl-Schachten Südhang des Enzians 1160–1270 m 3,8 ha
Rothsall-Ebene Nördlich von Bodenmais 1000 m 0,9 ha
Buchhütten-Schachten Südlich vom Kleinen Arber 1150–1200 m 9,8 ha
Bürstling Südliche Gipfelregion des Kleinen Arbers 1290 m 3,9 ha
Luchsplatzl Nordwestliche Gipfelregion des Kleinen Arbers 1290 m 0,6 m
Eggersberger Hütten-Schachten Nördlich des Kleinen Arbers 1100–1150 m 2,5 ha
Oberer Arber-Schachten Südlich vom Gipfel des Großen Arbers 1300–1350 m 6 ha
Unterer Arber-Schachten Südwestlich vom Großen Arber 1210 m 3,3 ha
Forst- oder Diensthütte Südwestlich vom Großen Arber 1140 m 3,6 ha
Gschwendet Am Mittagsplatzl 1340 m 2,8 ha
Hochzellhütten-Schachten Gipfel des Hochzellbergs 1200 m 3,4 ha
Ruckowitz-Schachten Am Rukowitzberg 1030–1180 m 16,9 ha (1831: 30 ha)
Sulz-Schachten Nordöstlich vom Großen Falkenstein 1230 m 1,1 ha
Lacka Am Gipfel des Lackenberges 1330 m 2,4 ha
Bampferfleck Zwischen Großem Falkenstein und Lackenberg 1200 m 0,5 ha
Albrecht-Schachten Östlich des Höllbachgsprengs 1088–1145 m 7,4 ha (1831: 13,3 ha)
Totenschädel Zwischen Scheuereck und Spiegelhütte 800 m 2 ha
Rindl-Schachten Südöstlich des Lackenberges 1140 m 4,1 ha
Jährling-Schachten Am Scheuereckberg 1150 m 3,9 ha (1831: 10,6 ha)
Wildscheuereck-Schachten Östlich des Scheuereckberges 1050–1100 m 5,2 ha (1831: 11,0 ha)
Schachtenhaus Nordöstlich des Kiesrucks 1150 m 2,2 ha
Lindberger Schachten Südlich des Hahnenbogens 1150–1250 m 9,1 ha (1831: 16,3 ha)
Kohl-Schachten Nordwestlich des Latschensees 1150 m 7,5 ha (1831: 16,0 ha)
Großer Schachten (Hochschachten) Im Westen des Latschensees 1150 m 9,5 ha
Vordere Sulz Östlich des Latschensees 1160 m 1,1 ha
Beerenkopfalm (Alm, Almschachten, Frauenauer Alm) Östlich von der Trinkwassertalsperre Frauenau 1100–1150 m 8,3 ha
Verlorener Schachten Südöstlich der Frauenauer Alm an der Landesgrenze 1140 m 6,6 ha
Name Lage Höhenlage Fläche (1975)
Hochruck Nordöstlich des Kleinen Rachels 1280 m 0,4 ha
Rachelwiese Zwischen Kleinem und Großem Rachel 1360 m 2,0 ha (1831: 5,16 ha)
Gfäll-Schachten Südwestlich des Großen Rachels 970 m 0,1 ha
Schwarzach-Waldhütte Nördlich von Spiegelau 850 m 1,4 ha
Hintere Schachtenwiese Südlich des Rachelsees 790 m 0,7 ha
Mittlere Schachtenwiese Südöstlich anschließend 790 m 0,3 ha
Vordere Schachtenwiese Südöstlich davon 770 m 1,6 ha
Tummelplatz Nördlich des Hohlsteins 1140 m 2,6 ha
Kirchlinger Stand (Kirchlinger Hütte) Nordwestlich vom Steinfleckberg 1290 m 1,1 ha

Literatur

  • Ingeborg Seyfert: Die Schachten des Bayerischen Waldes. Verlag Morsak, Grafenau 1975, ISBN 3-87553-058-6.
  • Walther Zeitler, Konrad Jäger, Reinhold Weinberger: Perlen im Waldmeer. Schachten und Hochmoore im Bayerischen Wald. Neue Presse Verlags-GmbH, 2. Auflage, Passau 1995, ISBN 3-924484-65-1.
  • Marita Haller: Leitochs’ Peter mag die Höhenluft. In: Der Bayerwald-Bote vom 7. August 2013, S. 21.