„Schleimpilze“ – Versionsunterschied

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Zur Kenntnis neuer Taxa im Rahmen der Forschungsgeschichte trugen insbesondere Persoon, Rostafinski, Lister sowie Martin und Alexopoulos bei, ihre Arbeiten erhöhten die jeweiligen Artenzahlen maßgeblich <ref name="myxdb" />. Neben den die Gruppe weltweit behandelnden Monographien sind darüber hinaus auch einige Großraumfloren von Bedeutung, insbesondere, da die Gruppe wegen ihrer disjunkten Verbreitung wesentlich weniger regional wirksame Beschränkungen aufweist. Wichtige Großraumfloren sind z.B. [[Robert Hagelstein]]s „The Mycetozoa of North America“ (1944) und [[Marie Farr]]s Band für die [[Flora Neotropica]] 1973. Ungewöhnlich ist die Entstehung des dreibändigen Werkes „Die Myxomyceten Deutschlands und des angrenzenden Alpenraumes unter besonderer Berücksichtigung Österreichs“, das von 1993 bis 2000 durch Hermann Neubert, [[Wolfgang Nowotny]], [[Karlheinz Baumann]] und Heidi Marx im Eigenverlag veröffentlicht wurde, dessen ungeachtet jedoch sehr gute Kritiken auch durch Wissenschaftler erfuhr.
Zur Kenntnis neuer Taxa im Rahmen der Forschungsgeschichte trugen insbesondere Persoon, Rostafinski, Lister sowie Martin und Alexopoulos bei, ihre Arbeiten erhöhten die jeweiligen Artenzahlen maßgeblich <ref name="myxdb" />. Neben den die Gruppe weltweit behandelnden Monographien sind darüber hinaus auch einige Großraumfloren von Bedeutung, insbesondere, da die Gruppe wegen ihrer disjunkten Verbreitung wesentlich weniger regional wirksame Beschränkungen aufweist. Wichtige Großraumfloren sind z.B. [[Robert Hagelstein]]s „The Mycetozoa of North America“ (1944) und [[Marie Farr]]s Band für die [[Flora Neotropica]] 1973. Ungewöhnlich ist die Entstehung des dreibändigen Werkes „Die Myxomyceten Deutschlands und des angrenzenden Alpenraumes unter besonderer Berücksichtigung Österreichs“, das von 1993 bis 2000 durch Hermann Neubert, [[Wolfgang Nowotny]], [[Karlheinz Baumann]] und Heidi Marx im Eigenverlag veröffentlicht wurde, dessen ungeachtet jedoch sehr gute Kritiken auch durch Wissenschaftler erfuhr.

== Verwendung ==

Einige wenige Schleimpilzarten werden von Menschen gegessen, nämlich Plasmodien der [[Gelbe Lohblüte|Gelben Lohblüte]] und Aethalien von ''[[Enteridium lycoperdon]]'' in der Gegend von Veracruz in Mexiko. Dort sind sie gegrillt, unter der Bezeichnung „caca de luna“, als Delikatesse bekannt. <ref name="food" />


== Nachweise ==
== Nachweise ==

Version vom 18. August 2010, 01:18 Uhr

Schleimpilze

Stemonitis axifera, Fruchtkörper

Systematik
Klassifikation: Lebewesen
Domäne: Eukaryoten (Eucaryota)
ohne Rang: Amoebozoa
Klasse: Schleimpilze
Wissenschaftlicher Name
Eumycetozoa
Zopf, 1884

Schleimpilze (Eumycetozoa) sind eine Gruppe einzelliger Lebewesen, die in ihrer Lebensweise Eigenschaften von Tieren und Pilzen gleichermaßen vereinen, aber zu keiner der beiden Gruppen gehören. Trotz ihres Namens sind sie also keine Pilze.

Die Gruppe umfasst knapp über 1000 Arten, die Zahl gilt jedoch als ungenau. Innerhalb der Biologie wird die systematische Erforschung der Schleimpilze durch die Botanik bzw. die Mykologie betrieben.

Für den Menschen sind sie weitgehend ohne Bedeutung, mit Ausnahme einiger weniger Arten, die als Modellorganismus in der Biologie dienen.

Merkmale und Lebenszyklus

Schleimpilze durchlaufen im Laufe ihres Lebens mehrere, morphologisch extrem verschiedene Stadien. Ihr jeweiliges Erscheinungsbild ist untrennbar mit ihrem Lebenszyklus verbunden.

Merkmale

Aus den Fruchtkörpern entstehen Sporen, aus diesen wiederum amoeboide Lebewesen. Die Amöben sind vielgestaltig, haben jedoch stets röhrenförmige Cristae und spitz zulaufende Scheinfüßchen. Anfänglich handelt es sich um einkernige Amoeboflagellaten oder Amöben. [1]

Plasmodium im Übergang zur Ausbildung eines Fruchtkörpers

Reife Schleimpilze können unter angemessenen Umständen Fruchtkörper ausbilden, entweder als ein aus einer einzelnen amoeboiden Zelle entstehendes Sporokarp bei Myxogastria und Protostelia, oder als Sorokarp bei den Dictyostelia, der sich aus Aggregationen amöboider Einzelzellen zusammenfindet. [1]

Die genauen Gründe, die diesen Prozess auslösen, sind nicht bekannt, bei einigen Arten werden aufgrund von Laborbeobachtungen Feuchtigkeits-, Temperatur- oder pH-Wert-Wechsel sowie Hungerphasen als auslösende Faktoren vermutet.

Die eigentliche Ausbildung der Fruchtkörper kann auf zwei verschiedene Weisen vor sich gehen. Zum einen wie bei den Arten der Myxogastria und der Protostelia, bei denen einzelne Plasmodien von negativer zu positiver Phototaxis wechseln, sich auf das Licht zubewegen und so einen hochgelegenen Ort aufsuchen, der dem Licht und damit zugleich dem Wind zwecks idealer Sporenausbreitung ausgesetzt ist, wo sie die Fruchtkörper, die sogenannten Sporokarpe, ausbilden. [2]

Erheblich komplexer sind die Abläufe bei den Vertretern der Unterklasse Dictyostelia. Hier sammeln sich die bis dato als einzelne Amöben lebenden Zellen und bilden ein sogenanntes Pseudoplasmodium, eine Art temporäre vielzellige Lebensform, die sich schneckenähnlich fortbewegen kann. Am rechten Platz angekommen, unterzieht es sich erneut einer Metamorphose: ein Teil der Zellen bildet einen Stiel und andere den sogenannten Sorus, der die Sporen verteilt. Hier ist der Fruchtkörper, der sogenannte Sorokarp, also nicht Ausprägung einer Zelle, sondern eines ganzen Zellverbunds. [3]

Verbreitung

Schleimpilze sind mit der Mehrheit ihrer Arten weltweit verbreitet, treten in gemäßigten Breiten jedoch deutlich häufiger und mit höherem Artenreichtum auf als in den Subtropen und Tropen. Meist finden sie sich in offenen Wäldern, aber soweit die grundlegenden Bedingungen vorliegen, trifft man Schleimpilze auch an ungewöhnlichen Orten wie Wüsten (für die Sonora-Wüste allein sind 33 Arten nachgewiesen), im Schmelzwasser alpiner Schneeverwehungen sowie in Regionen besonders hoher Breitengrade. [4]

Als Gründe für die geringere Häufigkeit in den Tropen werden die Lichtarmut der dortigen Wälder (Beeinträchtigung positiver Phototaxis), Windstille (nachteilig zur Verteilung der Sporen), einen Befall durch Schimmelpilze begünstigende Luftfeuchtigkeiten, sehr saure Böden, eine Vielfalt von Freßfeinden und häufige, überaus starke Regenfälle, die die Zellen abwaschen oder zerstören können, genannt. [4]

Habitate

Die Mehrheit aller Schleimpilzarten lebt terrestrisch, nur von einigen wenigen Arten ist eine vollständig untergetauchte Lebensweise bekannt. Unterscheiden lassen sich allerdings verschiedene sogenannte Mikrohabitate. Das wichtigste Mikrohabitat ist Totholz, darüber hinaus von Bedeutung ist die Rinde lebender Bäume, verrottendes Pflanzenmaterial des Streuhorizonts, Erdboden und Tierexkremente. Eine seltene Sonderform vor allem tropischer Arten ist die Besiedelung lebender Blätter von Pflanzen [5]. [4]

Systematik

Die Klasse der Schleimpilze umfasst rund 1000 bis 1100 Arten. Im Jahr 2007 schätzte eine Arbeit die Artenzahl auf deutlich mehr als 1000, danach umfasste die Unterklasse Myxogastria als bei weitem größte Gruppe der Schleimpilze weit über 900 Arten, mit über 100 Arten bereits deutlich kleiner war die Unterklasse Dictyostelia, die kleinste Unterklasse hingegen, die Protostelia, umfasste nur 36 Arten. Schätzungen anhand sequenzierter Umweltproben gehen davon aus, dass die Gruppe deutlich größer ist als bisher bekannt (Myxogastria: 1200 - 1500 Arten, Dictyostelia: ~300, Protostelia: 150). [6] [6]

Die folgende Systematik orientiert sich im Wesentlichen an Adl et al. 2005 [1], in den Rängen und der weiteren Unterteilung der größten Gruppe, der Myxogastria, nimmt sie jedoch die Systematik von Dykstra und Keller 2000 auf [3]. Ob die Gattung Guttulinopsis eine Gattung der Schleimpilze oder zu den Heterolobosea zu stellen ist, ist unklar.

Forschungsgeschichte

Illustration eines Blutmilchpilzes Lycogala (unten) von Pier Antonio Micheli, 1729

Aufgrund ihrer unscheinbaren Natur sind die Schleimpilze erst spät gezielt erforscht worden. Erstmals erwähnt Thomas Panckow 1654 in seinem „Herbarium Portatile, oder behendes Kräuter- und Gewächsbuch“ von einer Illustration begleitet einen Schleimpilz, nämlich den Blutmilchpilz, unter dem Namen „Fungus cito crescentes“, versteht ihn also noch als Pilz. 1729 formulierte Pier Antonio Micheli dann erstmals den Gedanken der bis dato bekannten Arten als eine von den Pilzen zu unterscheidende Gruppe von Lebewesen, dem Heinrich Friedrich Link ab 1833 zur Durchsetzung verhalf. Bereits 1829 hatte Elias Magnus Fries das plasmodiale Stadium dokumentiert, Anton de Bary konnte dann 1864 auch das Stadium der Sporenkeimung beobachten. Da er zugleich auch die Bewegung ermöglichende Plasmaströmung in der Zelle beobachten konnte, sah er sie als den Tieren näherstehend und beschrieb sie demzufolge neu als Mycetozoa, wörtlich übersetzt „Pilztiere“, eine Ansicht, die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierte. [7]

Von 1874 bis 1876 veröffentlichte Jósef Tomasz Rostafinski, ein Schüler De Barys, die erste umfangreiche Monographie zur Gruppe, 1894, 1911 sowie 1925 dann erschienen von Arthur und Guilielma Lister drei Monographien, die bis heute als „beispielhafte, grundlegende Arbeiten“ rezipiert werden. Wichtige Arbeiten des späten 20. Jahrhunderts waren die Monographien von George Willard Martin und Constantine John Alexopoulos 1969 sowie Lindsay S. Olive 1975. Insbesondere erstere gilt als bedeutend, da durch sie „die moderne Ära der Taxonomie der Schleimpilze begann [8]“. [7]

Zur Kenntnis neuer Taxa im Rahmen der Forschungsgeschichte trugen insbesondere Persoon, Rostafinski, Lister sowie Martin und Alexopoulos bei, ihre Arbeiten erhöhten die jeweiligen Artenzahlen maßgeblich [8]. Neben den die Gruppe weltweit behandelnden Monographien sind darüber hinaus auch einige Großraumfloren von Bedeutung, insbesondere, da die Gruppe wegen ihrer disjunkten Verbreitung wesentlich weniger regional wirksame Beschränkungen aufweist. Wichtige Großraumfloren sind z.B. Robert Hagelsteins „The Mycetozoa of North America“ (1944) und Marie Farrs Band für die Flora Neotropica 1973. Ungewöhnlich ist die Entstehung des dreibändigen Werkes „Die Myxomyceten Deutschlands und des angrenzenden Alpenraumes unter besonderer Berücksichtigung Österreichs“, das von 1993 bis 2000 durch Hermann Neubert, Wolfgang Nowotny, Karlheinz Baumann und Heidi Marx im Eigenverlag veröffentlicht wurde, dessen ungeachtet jedoch sehr gute Kritiken auch durch Wissenschaftler erfuhr.

Nachweise

  1. a b c Sina M. Adl, Alastair G. B. Simpson, Mark A. Farmer, Robert A. Andersen, O. Roger Anderson, John A. Barta, Samuel S. Bowser, Guy Brugerolle, Robert A. Fensome, Suzanne Fredericq, Timothy Y. James, Sergei Karpov, Paul Kugrens, John Krug, Christopher E. Lane, Louise A. Lewis, Jean Lodge, Denis H. Lynn, David G. Mann, Richard M. McCourt, Leonel Mendoza, Øjvind Moestrup, Sharon E. Mozley-Standridge, Thomas A. Nerad, Carol A. Shearer, Alexey V. Smirnov, Frederick W. Spiegel, Max F. J. R. Taylor: The New Higher Level Classification of Eukaryotes with Emphasis on the Taxonomy of Protists. The Journal of Eukaryotic Microbiology 52 (5), 2005; Seiten 399-451 (Abstract und Volltext)
  2. Henry Stempen, Steven L. Stevenson: Myxomycetes. A Handbook of Slime Molds. Timber Press, 1994, ISBN 0-88192-439-3, S. 15–18.
  3. a b Michael J. Dykstra, Harold W. Keller: Mycetozoa In: John J. Lee, G. F. Leedale, P. Bradbury (Hrsg.): An Illustrated Guide to the Protozoa. Band 2. Allen, Lawrence 2000, ISBN 1-891276-23-9, S. 952–981 (englisch).
  4. a b c Henry Stempen, Steven L. Stevenson: Myxomycetes. A Handbook of Slime Molds. Timber Press, 1994, ISBN 0-88192-439-3, S. 49–58.
  5. Uno H. Eliasson: Myxomyceten auf lebenden Blättern im tropischen Regenwald Ecuadors; eine Untersuchung basierend auf dem Herbarmaterial höherer Pflanzen In: Wolfgang Nowotny (Hrsg.): Wolfsblut und Lohblüte. Lebensformen zwischen Tier und Pflanze = Myxomycetes (= Stapfia. Band 73). Linz 2000, ISBN 3-85474-056-5, S. 81 (deutsch, englisch, französisch, spanisch).
  6. a b Sina M. Adl, Brian S. Leander, Alastair G. B. Simpson, John M. Archibald, O. Roger Anderson, David Bass, Samuel S. Bowser, Guy Brugerolle, Mark A. Farmer, Sergey Karpov, Martin Kolisko, Christopher E. Lane, Deborah J. Lodge, David G. Mann, Ralf Meisterfeld, Leonel Mendoza, Øjvind Moestrup, Sharon E. Mozley-Standridge, Alexey V. Smirnov, Frederick Spiegel: Diversity, Nomenclature, and Taxonomy of Protists. Systematic Biology, Band 56, 2007, S. 684-689.
  7. a b Wolfgang Nowotny: Myxomyceten (Schleimpilze) und Mycetozoa (Pilztiere) - Lebensformen zwischen Tier und Pflanze In: Wolfgang Nowotny (Hrsg.): Wolfsblut und Lohblüte. Lebensformen zwischen Tier und Pflanze = Myxomycetes (= Stapfia. Band 73). Linz 2000, ISBN 3-85474-056-5, S. 7–37 (deutsch, englisch, französisch, spanisch).
  8. a b M. Schnittler & D. W. Mitchell: Species Diversity in Myxomycetes Based on the Morphological Species Concept - a Critical Examination In: Wolfgang Nowotny (Hrsg.): Wolfsblut und Lohblüte. Lebensformen zwischen Tier und Pflanze = Myxomycetes (= Stapfia. Band 73). Linz 2000, ISBN 3-85474-056-5, S. 39–53 (deutsch, englisch, französisch, spanisch).

Referenzfehler: Das in <references> definierte <ref>-Tag mit dem Namen „food“ wird im vorausgehenden Text nicht verwendet.

Weiterführende Literatur