Schutzzollpolitik

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Otto von Bismarck

Als Schutzzollpolitik werden die von Bismarck 1878/79 eingeleiteten protektionistischen Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft des Deutschen Reiches bezeichnet.

Gründe hierfür waren die seit etwa 1873 einsetzende Wirtschaftskrise, die britische Industriekonkurrenz und der Import von billigerem russischen und amerikanischen Getreide. Das führte zu einer scharfen Kritik am bisher betriebenen Freihandel.

Hintergrund

Der Sieg über Frankreich und die Reichsgründung von 1871 gaben der Industrialisierung einen enormen Schub. Bereits vor der Reichsgründung konnte mit der Gründung des Norddeutschen Bundes, der Einrichtung eines Handelsgerichts mit Sitz in Leipzig, einer liberalen Gewerbeordnung und der gemeinsamen Durchführung der Zollverwaltung das wirtschaftliche Leben angeregt werden. Die nun einsetzende Begeisterung infolge der Reichsgründung verbunden mit den 5 Mrd. Goldfranc, welche Frankreich als Reparationsleistung für den Deutsch-Französischen Krieg von 1870-1871 zu zahlen hatte, löste einen Nachfrage- und Investitionsboom aus. Schließlich kam es zur Gründung neuer Aktiengesellschaften.

Doch durch Überschuldung und Überkapazität kam es letztlich zum Gründerkrach von 1873, welchen Konkurse, Arbeitslosigkeit und Preisverfall kennzeichnen. Der in den 1870ern aufkommende Lobbyismus spielte in diesem Zusammenhang eine Rolle, da bald der Verein Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller und auch der Centralverband deutscher Industrieller protektionistische Maßnahmen zum Schutz der Industrie forderten und auf das öffentliche Meinungsbild, wie auch auf das der konservativen Reichstagsabgeordneten Einfluss nahmen.

Zudem hatten die ostelbischen Großgrundbesitzer und Getreideerzeuger mit der russischen und amerikanischen Konkurrenz zu kämpfen. Denn solange es in Deutschland ein Übermaß an billigem Getreide gegeben hatte, waren Einfuhren nicht zu fürchten. Doch konnte die Bevölkerung jetzt nicht mehr aus der einheimischen Produktion versorgt werden. Daher sah sich der Staat in Abkehr von seiner liberalen Haltung gezwungen, Schutzzölle einzuführen.

Schutzzollpolitik

Mit der Hilfe der Konservativen und der gerade noch bekämpften Zentrumspartei gelang es Bismarck schließlich Schutzzölle (Steuer- und Zollgesetz) auf Getreide, Holz, Eisen und Vieh zur Stützung der Inlandspreise durchzusetzen. Abgesehen davon wurden noch Schutzzölle auf Genussmittel wie Tabak, Tee und Kaffee gelegt. Dadurch versuchte Bismarck dem Reich direkte Einnahmen zu verschaffen und es vom Reichstag finanziell unabhängiger zu machen.

Doch die föderalistische Zentrumspartei konnte dies erfolgreich verhindern, indem sie durch die Franckensteinsche Klausel erreichte, dass das Reich sich die neuen Zolleinnahmen mit den Bundesstaaten teilen musste.

Folgen

Im Rahmen der Einführung der Schutzzölle zerbrach Bismarcks Bund mit den durch die Reichstagswahl 1878 stark geschwächten Nationalliberalen, welche sich anschließend spalteten. Zunächst spaltete sich 1879 ein rechter Flügel ab. Ein Jahr später ging aus dem eher linken Flügel die Liberale Vereinigung hervor, die entschieden gegen die konservative Wende anzukämpfen versuchte. Ferner war das Reich weiterhin finanziell von den Bundesstaaten abhängig. Daher hat Bismarck in diesen Jahren gelegentlich den Gedanken geäußert, den Reichstag gefügiger zu machen oder zumindest den Wahlvorgang dahingehend zu ändern, dass er gefügiger wird.

Längerfristig förderte die Schutzzollpolitik die ökonomische Entwicklung des Deutschen Reiches. Gleichzeitig erhöhten sich jedoch die Preise, ohne dass sich die Reallöhne erhöht hätten. Die Kaufkraft der Löhne stieg erst allmählich wieder ab 1883, was ebenfalls einen Rückgang der Auswanderungsquote zur Folge hatte.

Außerdem wurde die deutsche Industrie wegen des schwachen Binnenmarktes zunehmend vom Ausland abhängig. Dies schränkte wiederum den Handlungsspielraum der Politik ein.

Literatur

  • Ludwig Bernlochner (Hrsg.): Geschichte und Geschehen, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1995, S. 24f.
  • E. R. Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Stuttgart 3. A. 1977, Bd. 4, S. 1044ff.
  • Robert Hermann Tenbrock; Kurt Kluxen (Hrsg.): Zeiten und Menschen, Das Werden der modernen Welt (1648-1918), Schöningh Schroedel, Paderborn 1977, S. 196.
  • Cornelius Torp: Die Herausforderung der Globalisierung : Wirtschaft und Politik in Deutschland 1860 - 1914, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 2005, S. 147-178.