Seeschlacht vor Rügen (1712)
Seeschlacht vor Rügen (1712) | |||||||||||||||||
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Teil von: Großer Nordischer Krieg | |||||||||||||||||
Schwedische und dänische Kriegsschiffe bei Dranske (Detail eines zeitgenössischen Kupferstichs) | |||||||||||||||||
Datum | 29. September 1712 bis 30. September 1712[1] | ||||||||||||||||
Ort | Bucht Libben zwischen Dornbusch (Hiddensee) und Dranske (Rügen), Schwedisch-Pommern[2] | ||||||||||||||||
Ausgang | Dänischer Sieg | ||||||||||||||||
Folgen | Verlust der schwedischen Transportflotte, Scheitern des geplanten schwedischen Polen-Feldzugs | ||||||||||||||||
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1. Phase: Schwedische Dominanz (1700–1709)
Dänischer Kriegsschauplatz (1700)
Livländ./ Estnischer Kriegsschauplatz (1700–1708)
Riga I • Jungfernhof • Varja • Pühhajoggi • Narva • Petschora • Düna • Rauge • Erastfer • Hummelshof • Embach • Tartu • Narva II • Wesenberg I • Wesenberg II
Ingermanländ./ Finnischer Kriegsschauplatz (ab 1701)
Archangelsk • Ladogasee • Nöteborg • Nyenschanz • Newa • Systerbäck • Petersburg • Wyborg I • Porvoo • Newa II • Koporje II • Kolkanpää
Litauisch-weißrussischer Kriegsschauplatz (1702–1706) Vilnius • Saladen • Jakobstadt • Gemauerthof • Mitau • Grodno I • Olkieniki • Njaswisch • Klezk • Ljachawitschy
Polnischer Kriegsschauplatz (1702–1706) Klissow • Pułtusk • Thorn • Lemberg • Warschau • Posen • Punitz • Tillendorf • Rakowitz • Praga • Fraustadt • Kalisch
Russischer Kriegsschauplatz (1708–1709)
Grodno II • Golowtschin • Moljatitschi • Rajowka • Lesnaja • Desna • Baturyn • Koniecpol • Weprik • Opischnja • Krasnokutsk • Sokolki • Poltawa I • Poltawa II
2. Phase: Schweden in der Defensive (1710–1721)
Baltischer und Finnischer Kriegsschauplatz (bis 1714)
Riga II • Wyborg II • Pernau • Kexholm • Reval • Hogland • Pälkäne • Storkyro • Nyslott • Hanko
Schwed./Norwegischer Kriegsschauplatz (1710–1721)
Helsingborg • Køge-Bucht • Bottnischer Meerbusen • Frederikshald I • Dynekilen-Fjord • Göteborg I • Strömstad • Trondheim • Frederikshald II • Marstrand • Ösel • Göteborg II • Södra Stäket • Grönham • Sundsvall
Norddeutscher Kriegsschauplatz (1711–1716)
Elbing • Wismar I • Lübow • Stralsund I • Greifswalder Bodden I • Stade • Rügen • Gadebusch • Altona • Tönning II • Stettin • Fehmarn • Wismar II • Stralsund II • Jasmund • Peenemünde • Greifswalder Bodden II • Stresow
In der Seeschlacht vor Rügen während des Großen Nordischen Krieges vernichteten einige Kriegsschiffe der dänisch-norwegischen Flotte im September 1712 den Großteil einer schwedischen Transportflotte, die Nachschub nach Rügen und in das belagerte Stralsund bringen sollte. Zwischen den Hauptkräften beider Kriegsflotten kam es dabei zu keinen größeren Kämpfen. Die schwedischen Verluste waren der Anfang vom Ende der schwedischen Vorherrschaft in der südlichen Ostsee.
Quellenlage und Lokalisierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutsche, dänische und schwedische Quellen weichen bezüglich der Stärke der beteiligten Kräfte, der Verluste und der Lokalisierung der Seeschlacht teilweise erheblich voneinander ab.[2] Als Ort der Schlacht kursieren verschiedene Angaben: vor/bei Dranske, Dornbusch, Kap Arkona, Wittmond/Wittmund usw. Allen diesen Ortsangaben ist gemein, dass sie auf der zur Insel Rügen gehörenden Halbinsel Wittow (älter auch Wittau) bzw. zwischen Wittow und Hiddensee liegen. In einigen dänischen Quellen wird die Gesamtheit der Marineoperationen vor Rügen im September 1712 allgemein als Rügen-Affäre (Rügen-Kampagne) bezeichnet.
Ausgangssituation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ab 1711 hatten die verbündeten Dänen, Russen und Sachsen Schwedisch-Vorpommern angegriffen und die Schweden auf Stralsund zurückgedrängt. Da der Hafen der belagerten Stadt von der dänischen Flotte blockiert wurde, konnten die Schweden Nachschub nur über Rügen anlanden. Bereits am 8. Dezember des Jahres hatte die schwedische Flotte vier Regimenter (5000 bis 6000 Mann) als Verstärkung nach Perth auf Rügen gebracht.[3] Aber auch die russisch-sächsischen Belagerer hatten im Mai 1712 wieder Verstärkung erhalten und wurden zudem von einer dänischen Flotte unter Generaladmiral Ulrik Christian Gyldenløve unterstützt. Mit weiteren mindestens 10.000 Mann wollte der schwedische Feldmarschall Magnus Stenbock nicht nur Stralsund entsetzen, sondern zum Angriff übergehen und den Krieg wieder nach Polen hineintragen,[2] um dort den 1709 von Russen und Sachsen gestürzten proschwedischen König Stanislaus Leszczyński wiedereinzusetzen.[3]
Um einen erneuten Nachschubtransport zu verhindern, kreuzte die dänische Flotte zwischen dem schwedischen Kriegshafen Karlskrona und Rügen, dänische und schwedische Aufklärungsschiffe lieferten sich dabei kleinere Gefechte. Mit nur 16 Linienschiffen, fünf Fregatten (davon zwei russische[3]) und sieben kleineren Kriegsschiffen war die dänische der schwedischen Flotte jedoch unterlegen. Mit 24 Linienschiffen und 3 Fregatten brach der schon über 70-jährige schwedische Generaladmiral Hans Wachtmeister am 3. September 1712 von Karlskrona auf.[3] Vor der Übermacht wich Gyldenløve von Bornholm nach Westen in den Mosund aus. Wachtmeister verfolgte ihn jedoch nicht, sondern kehrte nach Karlskrona zurück, wo sich eine neue Transportflotte sammelte. Darauf vertrauend, das dänische Geschwader aus der südlichen Ostsee vertrieben zu haben, wollten das schwedische Admiralitätskollegium und der Reichskriegsrat den Transport nur noch mit zwölf Galeeren begleiten, Stenbock aber forderte mindestens sechs weitere Linienschiffe als Geleitschutz und überzeugte den Rat. Wachtmeister rückte erneut mit der gesamten schwedischen Kriegsflotte aus.[3] Ungestört von den Dänen erreichte eine von 24 Linienschiffen eskortierte schwedische Transportflotte aus über 100 Schiffen am 26. September Rügen und begann, Stenbocks Truppen auszuschiffen.
Verlauf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Ort der Landung hatte sich die Admiralität für die flachen Küstengewässer westlich von Wittmund (nördlichster Punkt der Halbinsel Wittow) entschieden. In den tieferen Gewässern der Steilküste östlich von Kap Arkona hätten Linienschiffe die Transportflotte zwar besser schützen können, von den flacheren Gewässern erhoffte sich Wachtmeister aber ein leichteres und schnelleres Ausladen, bevor die dänischen Schiffe zurückkehrten.[2] Stenbock hingegen hatte die Schiffe wieder auf der Reede von Perth ausladen wollen.[3] Für den Transport des Proviants der Munition waren weitere Fahrten zwischen Karlskrona und Rügen notwendig, und auch das Ausladen der Vorräte dauerte wegen der nur begrenzten Anzahl an Beibooten länger als erhofft.[2][3]
Inzwischen war die dänische Flotte durch ein aus dem Kattegat kommendes norwegisches Geschwader verstärkt worden, das bis dahin das schwedische Nordseegeschwader in Göteborg blockiert hatte. Gyldenløve verfügte nun über 22 Linienschiffe und sechs Fregatten und traf am 27. September vor Rügen auf die schwedische Flotte. Wachtmeister stach sofort mit den Kriegsschiffen in See und drehte nach Osten ab, um die dänisch-norwegische Flotte von der schwedischen Transportflotte wegzulocken und auf offener See zur Schlacht zu stellen – eine folgenschwere Entscheidung, denn die Transportflotte war nun gänzlich ohne Schutz zurückgelassen.[3]
Statt einer Seeschlacht versuchten Gyldenløve und Wachtmeister nun einander auszumanövrieren. Gyldenløve errang die günstigere Luvstellung, und Wachtmeister musste ohnmächtig zusehen, wie fünf aus der dänisch-norwegischen Flotte abkommandierte Fregatten und zwei kleinere Kriegsschiffe am Nachmittag des 29. September begannen, die Transportflotte anzugreifen. Eine der angreifenden Fregatten wurde von dem norwegischen Kapitän Peter Wessel Tordenskiold befehligt, der später zum Admiral aufsteigen sollte.[3]
Die meisten schwedischen Transportschiffe kappten beim Auftauchen der dänischen Fregatten sofort ihre Ankertaue, einem Großteil der Schiffe gelang es zu entkommen. Am Abend des 29. September, als auch Jakob Kreckel, der Befehlshaber der Transportflotte, sich mit seinem Schiff in Sicherheit hatte bringen können, waren bereits 12 schwedische Schiffe verloren. Die verbliebenen Schiffe wurden jedoch nicht nur von den dänischen Kanonen zusammengeschossen, sondern auch von dänischen Entermannschaften in Brand gesetzt, während sich die schwedischen Matrosen an Land flüchteten. Die wertvollsten Schiffe wurden von den Dänen gekapert bzw. beschlagnahmt. Bis zum 30. September hatten die Dänen 14 Schiffe erobert und 42 Schiffe verbrannt.[2]
Um die angegriffene Transportflotte unter den Schutz der Kriegsflotte zurückzuholen, sandte Wachtmeister ein kleines, aber schnelles Kriegsschiff ab, doch diese mit 18 Kanonen bestückte Brigantine wurde von den überlegenen dänischen Fregatten auf den Strand gejagt und dort von der schwedischen Besatzung selbst verbrannt.[2][3][4] Bis zum 1. Oktober umkreisten die dänische und die schwedische Kriegsflotte noch einander, ehe Wachtmeister, nachdem die verbliebenen Transportschiffe sichere Gewässer erreicht hatten, nach Karlskrona zurückkehrte. Dänischen Angaben zufolge sollen nur etwa 40 Transportschiffe entkommen sein.[3]
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Admiral Gyldenløve
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Kapitän Tordenskiold
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Feldmarschall Stenbock
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Admiral Wachtmeister
Folgen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Verlust der schwedischen Transportflotte war die Folge von Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen der schwedischen Admiralität: die dänische Flotte wurde nicht verfolgt und vernichtet, als sie noch unterlegen war, für die Ausschiffung in Rügen wurde der falsche Anlandungsplatz gewählt, und das Ablenkungsmanöver war durchschaubar. Wachtmeister wurde in der Heimat heftig kritisiert und sein hohes Alter für seinen Misserfolg verantwortlich gemacht. Gyldenløve wiederum rechtfertigte sich vor einem dänischen Seekriegsgericht dafür, dass er nicht auch die schwedische Kriegsflotte angegriffen hatte, ausgerechnet damit, von dem älteren und deshalb viel erfahreneren Wachtmeister ausmanövriert worden zu sein.
Auch wenn keine Linienschiffe verloren gingen, so war die Niederlage vor Rügen doch der Anfang vom Verlust der schwedischen Seeherrschaft.[2] Die schwedische Flotte war zunächst nicht mehr in der Lage, die eingeschlossenen Garnisonen in Stralsund, Stettin und Wismar zu versorgen, für geplante weitere Nachschubtransporte standen nicht mehr genug Transportschiffe zur Verfügung. Ohne ihre mit den Transportschiffen verlorenen Vorräte an Proviant und Munition konnten die Schweden nicht länger auf Rügen und in Stralsund ausharren. Im Verlaufe des Jahres 1712 hatten dänische Truppen zudem den gesamten schwedischen Besitz in Nordwestdeutschland (Bremen-Verden) erobert. Stenbock brach im November 1712 aus dem belagerten Stralsund aus, und statt weit nach Osten in das von Feinden besetzte Polen vorzustoßen, wich er nach Westen aus, um in das nähergelegene und befreundete Herzogtum Holstein-Gottorp zu gelangen. Die geplante Wiedereroberung Polens war damit endgültig gescheitert.
Mit der letzten Munition siegte Stenbock im Dezember 1712 noch in der Schlacht bei Gadebusch, schlug sich durch Mecklenburg hindurch und erreichte im Frühjahr 1713 tatsächlich die holsteinische Festung Tönning, wo er jedoch erneut eingeschlossen wurde und 1714 kapitulieren musste.[2] Stralsund hielt der Belagerung zwar weiterhin stand, nachdem jedoch im August 1715 eine neue schwedische Nachschubflotte vor Jasmund von den Dänen vertrieben worden war, kapitulierte es schließlich im Dezember 1715.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- C. With: Gyldenløve, Ulrik Christian. In: Carl Frederik Bricka (Hrsg.): Dansk biografisk Lexikon. Tillige omfattende Norge for Tidsrummet 1537–1814. 1. Auflage. Band 6: Gerson–H. Hansen. Gyldendalske Boghandels Forlag, Kopenhagen 1892, S. 347–349 (dänisch, runeberg.org).
- Joachim Krüger: Die Seeschlacht vor Wittow im Jahre 1712. Ein Beitrag zur Geschichte des Großen Nordischen Krieges. In: Skyllis. Zeitschrift für Unterwasserarchäologie. Jg. 12/1, 2012, S. 64–71.
- Jfr Stenbock: Hans W[achtmeister]. In: Theodor Westrin, Ruben Gustafsson Berg, Eugen Fahlstedt (Hrsg.): Nordisk familjebok konversationslexikon och realencyklopedi. 2. Auflage. Band 31: Ural–Vertex. Nordisk familjeboks förlag, Stockholm 1921, Sp. 222–225 (schwedisch, runeberg.org).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Nach dem alten Julianischen Kalender, der bis 1752 in Schweden galt, waren dies der 18. und 19. September.
- ↑ a b c d e f g h i j k l Das Ende der Schwedenzeit im Ostseeraum ( vom 15. Februar 2018 im Internet Archive) (Sendebeitrag vom 4. Juni 2012 bei YouTube).
- ↑ a b c d e f g h i j k l Knut Lundblad, Georg Friedrick von Jenssen-Tusch: Geschichte Karl des Zwölften Königs von Schweden. Perthes, Hamburg 1840 Band 2, S. 242–250 (books.google.de).
- ↑ Einigen Angaben zufolge soll der Name dieser Brigantine „Vita Örn“ (Weißer Adler) gewesen sein, nicht zu verwechseln mit einer gleichnamigen schwedischen 30-Kanonen-Fregatte, die erst einige Jahre später sank.