St. Aegidii (Münster)

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Westfassade von Schlauns Kapuzinerkirche, 1821 durch die Gemeinde St. Aegidii übernommen

St. Aegidii, meist Aegidiikirche genannt, ist eine römisch-katholische Kirche in der Altstadt von Münster. Ursprünglich Kapuzinerkirche, übernahm sie nach dem Abriss der alten Aegidii-Pfarrkirche deren Funktion und das Ägidius-Patrozinium. Die von Johann Conrad Schlaun in den Jahren 1724 bis 1728 erneuerte Klosterkirche hat die Bombardierungen von Münsters Innenstadt im Zweiten Weltkrieg relativ unbeschädigt überstanden.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stifterwappen des Portals
Seitenansicht mit Sakristei

Die Kapuziner ließen sich, von Flandern nach Norddeutschland kommend, 1611 in Münster nieder. Auf dem Grundstück an der Krummenstiege im Kirchspiel St. Aegidii, wo heute die St.-Aegidii-Kirche steht, errichteten sie ab dem 30. September 1619 ein Kloster und eine kleine Kirche mit dem Patrozinium der heiligen Maria und Anna.[1] 1721 beauftragte Fürstbischofs Clemens August I. von Bayern den Münsteraner Landbaumeister Gottfried Laurenz Pictorius mit der Umbauplanung von Kloster und Kirche der Kapuziner, deren Fassade eine Säulenhalle vorgelegt wurde. Nach den Plänen von Pictorius wurde der Klosterbau ausgeführt, der Kirchenbau selbst aber ging auf Initiative von Ferdinand von Plettenberg, Erbmarschall des Hochstifts Münster, der auch den Kirchenbau finanzierte, an Schlaun über. Offensichtlich sollte St. Ägidien (wie bereits das von ihm gestiftete Kapuzinerkloster Wittem), das Hauskloster der Plettenbergs werden, die in unmittelbarer Nähe ihr Stadtpalais, den Nordkirchener Hof, besaßen. Die Bauarbeiten an der Kirche nach Plänen Schlauns begannen 1724, die Einweihung, zusätzlich zum bestehenden Mariapatrozinium auf das des heiligen Franziskus, konnte am 5. Dezember 1725 vollzogen werden, der östliche Klosterflügel wurde 1732 fertiggestellt.[2]

Am 2. Dezember 1811 wurde das Kapuzinerkloster aufgelöst; französische Beamte konfiszierten Kassen, Archiv und Wertgegenstände.[3] Die Gebäude samt Kirche wurden in der Folge militärisch genutzt. Die gesamte (Barock-)Ausstattung wurde dabei versteigert. Die Konventsgebäude wurden 1828 abgerissen.[4] Als die Pfarrei St. Aegidii als Ersatz für ihr eingestürztes Gotteshaus die Kirche vom Fiskus übereignet bekam, war diese ohne jegliche Einrichtung. Aus Alt-St.-Aegidii konnten zwei Beichtstühle übernommen werden, ebenso erhielt man eine noch recht gute gebrauchte Orgel aus Kinderhaus (heute Stadtteil von Münster). Die Kanzel, das einzige originale Ausstattungsstück der Schlaunschen Kirche, gehört wieder dazu, weil der Ersteigerer dieses interessante Stück der Gemeinde schenkte. Der Innenraum war geweißelt. Zur Kaschierung der Abbruchspuren der ehedem an dieser Stelle befindlichen Klostergebäude wurde 1860 nach Plänen von Hilger Hertel dem Älteren die Sakristei in den einfachen Formen des Rundbogenstils angefügt. 1858–1860 erhielt die Kirche durch Edward von Steinle und Dominik Mosler[5] eine einheitliche Ausstattung und Bemalung im Nazarenerstil. Im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt, wurden die Deckengemälde größtenteils danach übermalt, jedoch zum Pfarrjubiläum 1983 wieder freigelegt bzw. ergänzt.

Im Jahr 2000 fusionierte die Aegidiigemeinde mit St. Ludgeri, 2007 wurde sie mit dieser zusammen in die Innenstadtpfarrei St. Lamberti Münster inkorporiert.[6] St. Aegidii ist seitdem Filialkirche. In der Kirche wird seit 1998 die heilige Messe in der außerordentlichen Form gefeiert (aktuell zweimal wöchentlich)[7]. Außerdem dient sie seit etlichen Jahren als Ort für die Gottesdienste der portugiesischen muttersprachlichen Gemeinde.

Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Portal

Die von Schlaun erbaute Ägidienkirche ist eine in Sichtziegelmauerwerk ausgeführte Saalkirche mit aufgesetztem Firstdachreiter. Eine größere architektonische Ausprägung erfuhr lediglich die in Baumberger Sandstein vorgesetzte Fassade, die sich gegenüber Schlauns erstem Kirchenbau desselben Ordens, der Kapuzinerkirche Brakel, durch ein entwickelteres Rahmensystem auszeichnet. Vor allem der Giebelaufsatz erfuhr nun gegenüber Brakel eine elegantere Ausformulierung. Als einziges Schmuckelement ist ein über konkavem Grundriss entwickeltes Portal eingesetzt, dessen gesprengter Segmentgiebel das Stifterwappen der Familie Plettenberg zeigt.

Der Innenraum der Kirche ist als vierjochiger Saal mit eingezogenem Rechteck-Chor gestaltet, dem rückwärtig der Psallierchor angefügt ist. Die Umfassungsmauern sind als Reduktionsform einer Wandpfeilerkirche mit Wandbögen ausgestaltet, dem Pfeilervorlagen für die von kräftigen Gurtbögen akzentuierten Kreuzgratgewölbe zugeordnet sind.[8]

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Ausstattung gehören der typisch neugotische Hochaltar, ein Chorgestühl zu beiden Seiten, zwei Seitenaltäre, bestehend aus je einer einfachen Ädikula mit Gemälde, links St. Ägidius, rechts St. Maria darstellend. Die Kanzel – von Laienbruder Stephan nach Entwürfen von Johann Conrad Schlaun geschnitzt – ist aus Holz, sie zeigt die Übergabe der Ordensregel an den hl. Franziskus unter einem geschnitzten, verästelten, den Kanzelkorb umfassenden Eichenbaum. Der Schalldeckel ist als von Engeln gehaltenes Tuch ausgearbeitet. Die Kirchenbänke gehören zur Neueinrichtung um 1850, weisen jedoch keine dezidiert historistischen Stilmerkmale auf. Die Wand- und Deckenmalerei, u. a. von Joseph Anton Nikolaus Settegast und Dominik Mosler nach Entwürfen des Edward von Steinle, thematisiert die Eucharistie und deren alttestamentliche Vorbilder, wie zum Beispiel das Opfer Abrahams. Der Renaissance-Taufstein von 1557 ist aus der alten Pfarrkirche übernommen. Auch aus der alten Pfarrkirche stammt die kleine St.-Josefs-Glocke (1690) im Dachreiter. Eine kleine Statue des hl. Ägidius französischer Herkunft ergänzt die Ausstattung. In der Marienkapelle befindet sich noch eine Pietà, in der Ölbergkapelle die namensgebende Figurengruppe; beide aus dem 19. Jahrhundert. In der Ölbergkapelle – nicht in der Kirche – sind auch die Kreuzwegstationen angebracht. An der Südinnenseite des Langhauses der Kirche ist eine Darstellung Tod des hl. Josef.

Der Zelebrationsaltar aus weißem Marmor von 1983 zeigt auf seiner Vorderseite den wiederkommenden Christus auf der Weltkugel.

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orgelprospekt

1811 befand sich in der Kapuzinerkirche eine kleine Orgel, die mit dem übrigen Inventar versteigert wurde. Als Ersatz wurde 1823 aus der Pfarrkirche Kinderhaus eine Schleifladenorgel des Orgelbauers Caspar Melchior Vorenweg übernommen.[9]

II Hauptwerk C–f3
1. Praestant 8′
2. Bordun 16′
3. Gedackt 8′
4. Viola di Gamba 8′
5. Oktave 4′
6. Oktave 2′
7. Mixtur III
8. Zimbel II
9. Trompete 8′
II Positiv C–f3
10. Praestant 4′
11. Hohlflöte 8′
12. Quintatön 8′
13. Flauto dolce 4′
14. Octav 2′
15. Glockenspiel II
16. Braccio 8‘
Pedal C–f1
17. Subbass 16′
18. Violon 8′
19. Octav 4′
20. Posaune 16′

Die heutige Orgel auf der Westempore wurde 1969 von dem Orgelbauer Emanuel Kemper & Sohn (Lübeck) erbaut, unter Wiederverwendung von Teilen der Vorgängerorgel, die 1890 von Friedrich Fleiter (Münster) erbaut worden war. Das Schleifladen-Instrument hat 22 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen und Registertrakturen sind mechanisch. Der Spieltisch ist dreimanualig angelegt: das I. Manual ist ein Koppelmanual.[10]

II Hauptwerk C–g3
1. Prinzipal 8′
2. Flöte 8′
3. Oktave 4′
4. Gedackt 4′
5. Waldflöte 2′
6. Mixtur IV-VI 113
7. Dulzian 16′
8. Trompete 8′
III Brust-Schwellwerk C–g3
9. Gedackt 8′
10. Rohrflöte 4′
11. Prinzipal 2′
12. Quinte 113
13. Sesquialter II 223
14. Scharff IV 1′
15. Schalmey 8′
Tremulant
Pedal C–f1
16. Subbass 16′
17. Oktavbass 8′
18. Gedackt 8′
19. Quintade 4′
20. Bassflöte 2′
21. Mixtur III 223
22. Posaune 16′
  • Koppeln: II/P, III/P

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Turm der Aegidii-Kirche hing bis zum Zweiten Weltkrieg ein dreistimmiges Geläut mit klassizistischen Verzierungen aus dem Jahr 1834. Von diesem Geläut ist keine Glocke erhalten. Im Jahre 1961 wurde ein neues dreistimmiges Geläut aufgehängt.[11]

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer
 
Durchmesser
(mm)
Masse
(kg)
Schlagton
(HT-1/16)
1 1961 Petit & Gebr. Edelbrock (Gescher) 840 354 b1 + 3
2 650 150 d2 + 3
3 544 98 f2 + 3

Verschiedenes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kirchengebäude ist nur vor, während und nach den Gottesdienstzeiten zugänglich und bleibt ansonsten geschlossen. Unregelmäßig öffnet die Kirche auch im Sommer an Samstagnachmittagen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kirchenführer Schnell und Steiner: St Aegidii Münster 1991.
  • 800 Jahre St. Aegidii Münster 1983.
  • Gabriele Große: Münster – Kapuziner. In: Karl Hengst (Hrsg.): Westfälisches Klosterbuch. Band 2: Münster – Zwillbrock (= Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte. 2 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen. 44). Aschendorff, Münster 1994, ISBN 3-402-06888-5, S. 98–103.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. kapuziner.de: Wo leben wir: Münster (Memento des Originals vom 26. Februar 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kapuziner.de, abgerufen am 3. Mai 2021.
  2. Florian Matzner, Ulrich Schulze: Johann Conrad Schlaun. 1695–1773. Das Gesamtwerk. 2 Bände. Oktagon, Stuttgart 1995, ISBN 3-927789-79-8, S. 121–127.
  3. Dieter Berg (Hrsg.): Spuren franziskanischer Geschichte. Chronologischer Abriß der Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinzen von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Werl 1999, S. 333 (Gründung 1611), 407 (Kirchbau), 453 (Aufhebung).
  4. kapuziner.de: Wo leben wir: Münster (Memento des Originals vom 26. Februar 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kapuziner.de, abgerufen am 3. Mai 2021.
  5. Museumslandschaft Hessen Kassel
  6. Eine Hochzeit für 7000 Katholiken. Münstersche Zeitung vom 2. Dezember 2007. Abgerufen am 29. Juli 2014.
  7. Adjutorium e.V. – St. Aegidii Kirche. Abgerufen am 26. März 2018.
  8. Barbara Bußkamp: Johann Conrad Schlaun. Die Sakralbauten (Schlaunstudie V). Münster 1992, S. 127
  9. Rudolf Reuter: Orgeln in Westfalen. Inventar historischer Orgeln in Westfalen und Lippe. Bärenreiter, Kassel 1965, S. 265.
  10. Die Kemper-Orgel der St. Aegidii-Pfarrkirche Münster. (Memento vom 6. Juli 2010 im Internet Archive) Münstersches Orgelmagazin orgelmagazin.de. Abgerufen am 29. Juli 2014.
  11. Glockenkonzert. (PDF; 90,25 kB) cuba-cultur, 9. Mai 1998, abgerufen am 13. August 2019.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St. Aegidii (Münster) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 51° 57′ 34,2″ N, 7° 37′ 26,4″ O