St. Ursula (München)
Die katholische Stadtpfarrkirche St. Ursula ist die zweite Pfarrkirche des Münchner Stadtteils Schwabing, im Stadtbezirk Schwabing-Freimann. Zugleich ist St. Ursula der erste Sakralbau Münchens, der sich von den mittelalterlichen Architekturvorbildern abwandte und dadurch eine Brückenfunktion zwischen Historismus und Jugendstil/Moderne einnimmt[1].
Inhaltsverzeichnis
Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
St. Ursula (Kaiserplatz 1a) befindet sich im ersten gründerzeitlichen Erweiterungsgebiet westlich der Leopoldstraße und südlich der Münchner Freiheit. Die Kirche bildet mit ihrer prominenten Platzierung das Ende der Sichtachse aus der stadtauswärts führenden Friedrichstraße. Darum hat sie eine Ausrichtung nach Norden, und ihr fehlt die für Kirchen typische Ostung. Der Turm im Westen der Kirche steht in der Achse der Barer Straße und verbindet die Kirche optisch mit der Maxvorstadt.
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nachdem Schwabing, 1887 zur Stadt erhoben, seit dem 19. Jahrhundert immer mehr anwuchs, erwies sich die Pfarrkirche St. Sylvester (damals St. Ursula) bald als zu klein. Erste Erweiterungspläne wurden zugunsten eines Neubaus an anderer Stelle verworfen, deren Planung August Thiersch übertragen wurde.
Thiersch wollte mit St. Ursula ein neues städtebauliches Zentrum für Schwabing schaffen, was aber nicht gelang. Daher stellte er die dreischiffige Basilika in die Achse der Friedrichstraße und gestaltete einen Platz um sie. Der Entwurf sah eine Basilika mit zentralem Campanile im Zentrum, die beiderseits von symmetrischen Bauten flankiert werden sollte. Von den ursprünglich geplanten beiden Bauten, die die Basilika symmetrisch flankieren sollten, wurde nur das Pfarrhaus im Osten realisiert. Um zugleich die eigenständige Verbindung mit Schwabing zu zeigen, wurde als Patrozinium das der hl. Ursula gewählt, das von der bisherigen Dorfkirche übernommen wurde; Nebenpatron wurde hl. Nikolaus von Myra, da der Neubau zugleich Nachfolger der im 19. Jahrhundert profanierten und 1908 abgerissenen Nicolaikapelle war.
Nachdem 1888 das Grundstück zur Verfügung stand, erfolgte 1894 die Grundsteinlegung. Am 10. Oktober 1897 wurde St. Ursula geweiht, die alte Dorfkirche St. Ursula, seit 1921 St. Sylvester, wurde zu diesem Zeitpunkt Filialkirche mit eigener Kuratie.
Thiersch war ein Befürworter neuer Techniken und verwendete für das Fundament, die Turmtreppe und die Kuppel den damals neuen Baustoff Beton. Wegen Rissen im Beton wurde die Kuppelschale 1933 saniert, indem Stahlarmierungen und zusätzliche Betonschichten angebracht wurden; außerdem erhielt das Kuppeldach eine Kupferblecheindeckung.[2] Im Zweiten Weltkrieg wurde 1944 die Farbverglasung der Kirche zerstört, ansonsten blieb die Kirche aber unversehrt. 1956 und nochmals 1977–1980 erfolgte eine Sanierung. Von 2009 bis 2011 wurde der freistehende Campanile restauriert. Im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde im freien Bereich der Vierung ein zentraler Volksaltar unter der Kuppel errichtet. Zusammen mit diesem Einbau und der Installation der Chororgel im Jahr 1984 die einzig sichtbaren baulichen Eingriffe seit Bestehen der Kirche. Da bei der Kuppelrestaurierung 1933 Fehler gemacht wurden, wurde in den 2010er Jahren eine erneute Sanierung der Kuppel notwendig.[2]
Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Kirche, der „Dom von Schwabing“, ist eine nach Norden ausgerichtete Basilika mit Säulenvorhalle, Vierungskuppel und freistehendem Glockenturm und ist durch ihre Lage in der Achse der Friedrichstraße durch die Kuppel und dem seitlich stehenden Campanile schon von weitem sichtbar. Die Architektur lehnt sich an die Florentiner Renaissance an. Dies zeigt sich besonders an den Majolikareliefs von Balthasar Schmitt, der sich dabei an Arbeiten der Familie della Robbia orientierte.
Die dreischiffige 60 m lange Basilika besitzt Querhaus, Vierung und Staffelchor. Die Schiffe des Langhauses mit einfachen Rundbogenfenster werden durch rundbogige Säulenarkaden getrennt. Die quadratische Vierung wird von der 42 m hohen Tambourkuppel überragt. Die Halbtonnengewölbe in Querhausarmen, Chorseitenkapellen und Vorchorjoch sind mit Stuck verzierten, vergoldeten Kassetten ausgesetzt. Die Ordnung der Säulen des Langhauses findet in durch flache Pilastern mit Gebälk und Fries in Querhaus und Chor eine Fortsetzung. Die Apsis besitzt kreuzförmige Kassetten mit Engelsfiguren. Den 64 m hohen Campanile krönt eine venezianische Spitze.
Bedeutende Kunstwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Majolikareliefs (Balthasar Schmitt)
- Jahreskrippe von Februar bis November mit geschnitzten, bekleideten Figuren. Weihnachtskrippe mit Figuren von Sebastian Osterrieder[3][4]
Orgeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Orgel im Chorraum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Chororgel von St. Ursula, erbaut 1984 von Winfried Albiez, sollte sich in historisierender Weise der italienischen Renaissance anpassen. Entsprechend den italienischen Vorbildern hat man die Orgel im Chor der Kirche platziert. Hier befanden sich ursprünglich zwei Chorgestühle. Das Landesdenkmalsamt stellte die Bedingung, diese zu erhalten und in die neu zu bauende Orgel zu integrieren. Heute dienen diese beiden Teile des Chorgestühls als Unterbauten der Chororgel. Der Einbau der Albiez-Orgel stellt bis dato den einzigen stark-verändernden Eingriff in die ursprünglich erhaltene Raumsituation von St. Ursula dar.
Das Haupt- und Pedalwerk ist nach wichtigen Grundelementen des altitalienischen Orgelbaus gestaltet. Die Register, tragen italienische Namen, z. B. Flauto oder Tromba. Winfried Albiez unternahm mehrere Studienreisen nach Florenz, um sich bei Donati, der dort die Werkstätte für Restaurationen altitalienischer Orgeln leitete, Prinzipien des altitalienischen Orgelbaus anzueignen. Daher ließ Albiez folglich die Metallpfeifen bei einem italienischen Pfeifenmacher fertigen, der durch Restaurierungen vieler alter Werke wertvolle Erfahrungen über Winddruck, Mensurierung, Intonation sowie auch Stimmungen gewonnen hatte.
Der italienisch Beeinflusste Teil der Orgel befindet sich mit dem frei davor stehenden Spieltisch auf der Epistelseite. Das Landesdenkmalsamt hatte sich geweigert, einen Einbau der Spielanlage in den Unterbau beim Hauptwerk zuzulassen, um das Chorgestühl zu erhalten. Als Pendant zur italienischen Seite fungiert auf der Evangelienseite bei äußerlich gleicher Prospektgestaltung ein Schwellwerk in französisch-romantisch klingender Ausprägung. Im Unterbau dieser Seite residiert als weiteres (und kleinstes) Werk ein Positiv, oder hier auch Brustwerk mit deutschen Registernamen. Beide Seiten sind mittels einer rein mechanischen Spieltraktur verbunden. Der Tastendruck bei gekoppelten Werken ist erheblich, da der Weg von der Taste bis zu den Ventilen im Schwellwerk beispielsweise 14,75 Meter beträgt.
Die Registeranlage funktioniert mittels elektrischer Schleifenzugmagnete. Seit 2009 besitzt die Orgel einen sogenannten elektronischen Setzer. Seitdem können 8x 1024 Registrierungen abgespeichert und über einzugebende Code-Worte gesichert werden.
Das Instrument eine Synthese aus der klassischen Bauweise der altitalienischen Instrumente und der Erweiterung ihres klanglichen Spektrums bis hin zur französischen Romantik. Interessant ist ausgeglichene Intonation mit weichen vocaliter ansprechenden Prinzipalen bei gleichzeitig strahlendem Glanz des Plenums des italienisch inspirierten Hauptwerks.[5]
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- Koppeln:
- Normalkoppeln: III-II, III-I, II-I, III-P, II-P, I-P
- Spielhilfen:
- Tutti, digitale Setzeranlage, Pistons vorwärts und rückwärts für Setzer
- Traktur:
- mechanisch (Schleiflade)
Orgel auf der Empore[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die erste Orgel der Kirche, welche sich auf der Empore befand, erbaute 1897 Franz Borgias Maerz. Sie hatte zwei Manuale und 32 Register.[6]
Das Nachfolgeinstrument wurde 1952 vom Orgelbauunternehmen G. F. Steinmeyer & Co. als Opus 1827 erbaut. Es hat drei Manuale und 60 Register. Aufgrund des stark renovierungsbedürftigen Zustandes ist diese Orgel nicht mehr spielbar. Eine Restaurierung ist langfristig geplant.
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- Koppeln:
- Normalkoppeln: II-I, III-I, III-II, I-P, II-P III-P, Generalkoppel
- Spielhilfen:
- Crescendowalze, 2 freie Kombinationen, 1 Pedalkombination, Tutti, Zungenabsteller, etc.
- Traktur:
- Hauptwerk und Positiv: elektropneumatisch (Kegellade)
- Schwellwerk: elektropneumatisch (Taschenlade)
Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Seit Herbst 2010 besitzt die Pfarrkirche St. Ursula ein neues Plenum. Das vorhergehende Geläut bestand bis auf die kleinste Glocke aus Stahlglocken aus dem Jahr 1948, die die Kriegsverluste ersetzten. Sie wurden auf Grund klanglicher Defizite, sowie wegen der statischen Belastung für den schlanken Kirchturm abgenommen und durch passendere ersetzt. Das jetzige Plenum besteht aus einer Glocke aus der Bauzeit (h' von Kortler 1897) und aus den vier neuen Glocken der Gießerei Perner in Passau. Auch die Tonfolge in der marianischen Antiphon Salve Regina der früheren Glocken wurde wiederhergestellt. Sie stammt vom Komponisten und früheren Leiter der Münchner Musikhochschule Josef Gabriel Rheinberger. Für ein Beispiel siehe Weblinks.
Die alte Ursulaglocke von 1948 wurde vor der Kirche zu Schauzwecken aufgestellt.
Nr. | Name | Schlagton | Gewicht | Ø | Inschrift |
1 | Ursulaglocke | h0 | 2.500 kg | 170 cm | „Sankt Ursula, protege nos! Pax intrantibus gratia orantibus“ |
2 | Marienglocke | dis1 | 1.700 kg | 150 cm | „Maria, breit den Mantel aus!“ |
3 | Nikolausglocke | fis1 | 1.000 kg | 120 cm | „Heiliger Nikolaus, bitt für uns!“ |
4 | Schutzengelglocke | gis1 | 600 kg | 100 cm | „Angelus Domini nuntiavit Mariae et verbum caro factum est!“ |
5 | Floriansglocke | h1 | 280 kg | 85 cm | – kein Text – |
Tochterpfarreien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- St. Sylvester (München) (1921)
- St. Sebastian (1931)
- Maria vom Guten Rat (1958)
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Klaus Gallas: München. Von der welfischen Gründung Heinrichs des Löwen bis zur Gegenwart: Kunst, Kultur, Geschichte. DuMont, Köln 1979, ISBN 3-7701-1094-3 (DuMont-Dokumente: DuMont-Kunst-Reiseführer). , S. 366
- ↑ a b Ellen Draxel: Bröckelnder Beton. www.sueddeutsche.de, 13. November 2017, abgerufen am 13. November 2017.
- ↑ Anette Krauß: Münchner Krippen. Hrsg.: Münchner Krippenfreunde e.V. München, S.1–35.
- ↑ Die Krippe in St. Ursula. Abgerufen am 4. Januar 2017.
- ↑ Die Orgel von St. Ursula auf die-orgelseite.de/
- ↑ Georg Brenninger: Orgeln in Altbayern. Bruckmann, München 1982, ISBN 3-7654-1859-5. S. 114.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Birgit Stenger: St. Ursula München. Kath. Pfarrkirche. In: Kleine Kunstführer / Kirchen und Klöster. Nummer 140. 2., neubearbeitete Auflage. Schnell & Steiner, München / Regensburg 1993, ISBN 3-7954-4155-2.
- Sibylle Appuhn-Radtke: St. Ursula in München-Schwabing. Harmonie als zeitlose Qualität, Ein Kirchenbau von August Thiersch. Verlag Franz Schiermeier, München 2013, ISBN 978-3-943866-21-6.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

- Internetpräsenz der Katholischen Pfarrgemeinde St. Ursula München-Schwabing
- Plenum der neuen Glocken
- Fotos
Koordinaten: 48° 9′ 41″ N, 11° 34′ 50″ O
- Ursulakirche
- Disposition einer Orgel
- Pfarrkirche des Erzbistums München und Freising
- Neorenaissancebauwerk in München
- Kirchengebäude in München
- Erbaut in den 1890er Jahren
- Basilika (Bautyp)
- Nach der Haager Konvention geschütztes Kulturgut in Bayern
- Kirchengebäude der Neorenaissance
- Bauwerk in Schwabing
- Kuppelkirche
- Kirchengebäude in Europa