Sturm und Drang

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. November 2006 um 10:06 Uhr durch CMEW (Diskussion | Beiträge) (→‎Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Epoche deutscher Literatur von 1767 bis 1785 und wird auch „Geniezeit“ oder „zeitgenössische Genieperiode“ genannt nach der Verherrlichung des Genies „als Urbild des höheren Menschen und Künstlers“, „des wahren Schöpfers der Kunst“. Die Epoche ist nach dem gleichnamigen Drama Friedrich Maximilian Klingers benannt.

Voraussetzungen: Die Literatur der Aufklärung

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist das philosophische und literarische Leben im deutschen Sprachraum weitestgehend von der Aufklärung bestimmt. Der laut Immanuel Kants klassischer Definition „Ausgang der Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit“ soll durch den Einsatz der Vernunft als bestimmender Lebensmaxime erreicht werden. Literatur sollte den Leser moralisch bilden, ihn erhellen und seine Vernunft wecken. Die durch die Aufklärung angestrebte Freiheit war dem neuen Zwang eines engen Regelwerks gewichen, der die Literaten an die (gestalterisch) kurze Leine nahm.

Die Einheit von Ort, Zeit und Handlung, eine gehobene Sprache und die Trennung der Besetzung von Adel und Bürgertum nach Tragödie und Komödie waren die Postulate, die man in zahlreichen Dichterakademien den angehenden Literaten lehrte.

Die Anfänge

Doch bereits mit Gotthold Ephraim Lessings Werk Minna von Barnhelm von 1767 zeigte sich, dass dieses Reglement für eine den empörenden Umständen angemessene sozialkritische Literatur (politische Bildung ist auch Aufklärung) zu eng gefasst war. Mit dieser Reaktion gegen die rein verstandesmäßige Haltung der Aufklärung war der Grundstein für die Überwindung der Vernunftherrschaft und eine Entfesslung des Gefühlsüberschwangs, der Fantasie und der Gemütskräfte als neue dichterische Grundhaltung gelegt.

Diese Erneuerungsbewegung, die wie ein Ruck durch die deutschsprachige Literatur ging, war in ihrem bürgerlich-jugendlichen Charakter von einem hohen Idealismus gekennzeichnet: 'Fülle des Herzens' und Freiheit des Gefühls, Ahnung und Trieb, emotio statt ratio bezeichneten ihr Lebensgefühl. Das Aufbegehren der Jugend hatte nun sein literarisches Äquivalent gefunden, eine neue Generation deutschsprachiger Schriftsteller fand in den Thesen Johann Gottfried Herders den Widerhall ihrer Erfahrungen und Gefühlswelt.

Herder, der so zu einem Wegbereiter des Sturm und Drang wurde, kritisierte die Arroganz der Aufklärung gegenüber dem einfachen Volk und forderte dazu auf, auch Volkslied und -dichtung als Kunst anzuerkennen. Auch Heinrich Wilhelm von Gerstenbergs Ugolino (1768) kann man in die Frühphase des Sturm und Drang einordnen, doch wohl nur Herder ahnte etwas von der eigentlichen Absicht des Autors.

Besonderheiten

Das Persönlichkeitsideal der jungen Generation in der deutschen Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts wendet sich gegen Autorität und Tradition im politischen Leben. An Stelle einer erlernbaren Regelpoetik, die man in Dichterakademien lernen konnte, setzten die „jungen Wilden“ die Selbständigkeit des Original-Genies, das sein Erleben und seine Erfahrungen in eine individuelle künstlerische Form bringt, die mit den Regeln der traditionellen Poetik sehr frei umging.

Dieses Regelwerk wurde mit Verweis auf das eigene Können, die Kraft bloßer genialer Originalität als Krücken für den Kranken verworfen, die das gesunde Genie der jungen Autoren nicht benötigt. Nicht in eine Form soll es passen, sondern die Welt, wie die Generation des Sturm & Drangs sie erlebt mit der Energie ihrer Jugend widerspiegeln.

Ein neues, innig umfassendes und sich einfühlendes Verhältnis zur Natur vereint sich mit der tragischen Grundauffassung vom Genie. Das Gefühl, das eigene Ich, wird Gegenstand der literarischen Betrachtung. „Die Stimme des Herzens ist ausschlaggebend für die vernünftige Entscheidung.“ Dieses Zitat von Johann Gottfried Herder zeigt den Protest gegen die herrschenden Moralvorstellungen, die vernünftige Entscheidungen von der Moral und nicht vom Herzen abhängig machten. Darin erkennt man die Kritik an dem feudalen System, das auch die Aufklärung überwinden wollte. Allerdings sieht die Aufklärung die Vernunft als höchstes Gut, während der Sturm und Drang das Gefühl an oberste Stelle stellt.

Die Hauptform der Dichtung in der Epoche des Sturm & Drang stellt das Drama dar. Das immer wiederkehrende Thema in den Werken dieser Generation ist der Zwiespalt und Konflikt des Naturgenies, des nach Freiheit strebenden, widerspenstigen Jungen, mit den Schranken der bestehenden Weltordnung, die die handelnden Personen als Aufrührer und Verbrecher erscheinen lässt. Formales Vorbild wurde nunmehr Shakespeare statt den Dichtern der antiken Welt.

Kritiker werfen ein, dass die Vernachlässigung der dramatischen Technik und der Einheiten in den Werken des Sturm und Drang bis zum beliebig häufigen Schauplatzwechsel geht, oft über den Grad bühnenmäßiger Wirksamkeit (und Darstellbarkeit) hinaus. Die exaltierte, ungebändigte und doch gefühls- und ausdrucksstarke Sprache ist voller Ausrufe, halber Sätze und forcierter Kraftausdrücke und neigt zum Derbrealistischen-Volkstümlichen.

Man nahm kein Blatt mehr vor den Mund und brachte die Sprache des Volkes und der Jugend auf die Bühnen. Die Frontstellung der jungen Schriftsteller gegen eine aristokratische Hofkultur nach französischem Vorbild und ihre Sympathie für Begriffe wie Natur, Herz und Volk fielen bereits ihren Zeitgenossen auf. So hatte man sich eine eigenständige „Jugendkultur“ in der Literatur geschaffen.

Autoren und Werke

Die Stürmer und Dränger kamen vorwiegend aus dem Mittel- und Kleinbürgertum; ihre literarischen Betätigungen suchten sie materiell durch Hauslehrer- oder Pfarrstellen abzusichern, denn von der Literatur konnten sie nicht leben. Es fehlte ihnen nämlich die soziale Resonanz, ihre Bewegung blieb auf die Bekannten beschränkt, mit denen man sich zu Männerbünden zusammenschloss (z.B. Göttinger Hain). (Goethes erwähnter Roman blieb eine Ausnahme.) Hauptorte des Sturm und Drang waren Straßburg, Göttingen, Frankfurt am Main. Für viele Dichter, v. a. Goethe und Schiller, war der Sturm und Drang nur eine vorübergehende Phase ihres Lebens und Schaffens. Viele Autoren und Werke waren nur zu ihrer Zeit den Interessenten bekannt und sind heute weitgehend vergessen. Zu den bedeutendsten Schriftstellern und Werken gehören:

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

  • Zum Shakespeares-Tag (Rede) 1771
  • Sesenheimer Lieder 1770/71
  • Prometheus 1772-1774
  • Götz von Berlichingen (Drama) 1773
  • Clavigo 1774
  • Die Leiden des jungen Werthers (Roman) 1774
  • Mahomets Gesang 1774
  • Adler und Taube 1774
  • An Schwager Kronos 1774
  • Gedichte der Straßburger und Frankfurter Zeit 1775
  • Stella. Ein Schauspiel für Liebende 1776
  • Die Geschwister 1776

(der junge) Friedrich Schiller (1759-1805)

Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

  • Anmerkung über das Theater nebst angehängtem übersetzten Stück Shakespeares 1774
  • Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung 1774 (Drama)
  • Lustspiele nach dem Plautus fürs deutsche Theater 1774
  • Die Soldaten 1776 (Drama)

Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831)

  • das leidende Weib 1775
  • Sturm und Drang 1776 (Drama)
  • Die Zwillinge 1776 (Drama)
  • Simsone Grisaldo 1776

Gottfried August Bürger (1747-1794)

  • Lenore 1773
  • Gedichte 1778
  • Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherren von Münchhausen 1786

Heinrich Wilhelm von Gerstenberg (1737-1823)

  • Gedichte eines Skalden 1766
  • Briefe über Merkwürdigkeiten der Literatur 1766/67
  • Ugolino 1768

Johann Georg Hamann (1730-1788)

  • Sokratische Denkwürdigkeiten für die lange Weile des Publikums zusammengetragen von einem Liebhaber der langen Weile 1759
  • Kreuzzüge des Philologen 1762

Johann Jakob Wilhelm Heinse (1746-1803)

  • Ardinghello und die glückseligen Inseln 1787

Johann Gottfried Herder (1744-1803)

  • Fragmente über die neuere deutsche Literatur 1767/68
  • Kritische Wälder oder Betrachtungen, die Wissenschaft und Kunst des Schönen betreffend, nach Maßgabe neuerer Schriften 1769
  • Journal meiner Reise im Jahre 1769 1769
  • Abhandlung über den Ursprung der Sprache 1770
  • Von deutscher Art und Kunst, einige fliegende Blätter 1773
  • Volkslieder 1778/79
  • Vom Geist der Hebräischen Poesie 1782/83
  • Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit 1784/91

Hannes Glarner schreib 1991 sein Doktorat in Diesem Bereich.

Weblinks