Syntin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Struktur von Synthin
Stereoisomerengemisch ohne Angabe der Stereochemie
Allgemeines
Name Syntin
Andere Namen

1′-Methyl-1,1′:2′,1′′-tercyclopropan

Summenformel C10H16
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 93223-46-2
PubChem 519050
ChemSpider 452765
Wikidata Q408418
Eigenschaften
Molare Masse 136,23 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

0,8504 g·cm−3[1]

Siedepunkt

158 °C[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Syntin ist ein Raketentreibstoff auf der Basis eines Kohlenwasserstoffs mit der Summenformel C10H16, der drei hochgespannte Cyclopropanringe enthält.

Darstellung und Gewinnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Synthese von Syntin erfolgt in einer mehrstufigen Synthesesequenz, in der die einzelnen Cyclopropyleinheiten gebildet und verknüpft werden.[1] Als Ausgangsverbindung kann das Hydroxypropylmethylketon verwendet werden, aus dem nach Umwandlung zum Chlorid durch nucleophile Substitution und anschließender Zyklisierung unter schwach basischen Bedingungen mit dem Cyclopropylmethylketon die erste Cyclopropyleinheit gebildet wird. Eine anschließende Dimerisierung in Gegenwart von Aluminiumtri-tert.-butylat führt zum 1,3-Dicyclopropyl-2-buten-1-on.[3] Durch eine Umsetzung mit Hydrazinhydrat erhält man das 3,5-Dicyclopropyl-5-methyl-4,5-dihydro-1H-pyrazol. Aus diesem wird durch eine Destillation über Kaliumhydroxid bei 190 °C unter Stickstoffabspaltung der zentrale Cyclopropylring und somit die Zielverbindung gebildet. Aus der Synthese resultiert ein Isomerengemisch.

Eine Trennung der Isomere kann mittels präparativer Chromatographie erfolgen.[4]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Syntin ist eine farblose Flüssigkeit, die als Isomerengemisch unter Normaldruck bei 158 °C siedet.[1] Unter reduziertem Druck von 6,5 kPa wird ein Siedepunkt von 80 °C beobachtet.[1] Wegen der drei hochgespannten Cyclopropanringe hat das Molekül eine hohe Bildungsenthalpie von ΔfH°(l)= 131,6 kJ·mol−1 bzw. 966 kJ·kg−1 für das trans-Isomer sowie ΔfH°(l)= 134,1 kJ·mol−1 bzw. 984 kJ·kg−1 für das cis-Isomer.[4] Es handelt sich somit um eine endotherme Verbindung mit einer hohen molaren Verbrennungsenthalpie von −6353,7 kJ·mol−1 für das trans-Isomer bzw. −6355,9 kJ·mol−1 für das cis-Isomer.[4] Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Kohlenwasserstoffen wie RP-1 bestehen in der größeren Dichte, geringeren Viskosität und der größeren Verbrennungsenthalpie.[5]

Stereochemie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Syntin enthält zwei Stereozentren an einem Cyclopropanring, so dass zwei trans- und zwei cis-Isomere existieren. In der Praxis ist nur das Gemisch der vier Stereoisomere relevant:

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Syntin wurde zum ersten Mal 1959 in der UdSSR synthetisiert. In den 1970er Jahren begann die Massenproduktion.[5] Syntin wurde in der Sowjetunion und in Russland ab 1982 als Treibstoff für die Sojus-U2-Rakete und den Buran eingesetzt.[5][6][7] Es wurde in einem aufwendigen mehrstufigen synthetischen Prozess aus gewöhnlichen Kohlenwasserstoffen hergestellt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Produktion dieser Substanz aus Kostengründen eingestellt. Am 3. September 1995 fand mit Sojus TM-22, dem 71. und letzten Start einer Sojus-U2, auch der letzte Start einer mit Syntin betriebenen Rakete statt.[5]

Die Verwendung von Syntin anstelle von RP–1 erhöhte den spezifischen Impuls der für Syntin speziell modifizierten Triebwerke RD–117 bzw. RD–118PF um 5 bis 8 s, was einer zusätzlichen Nutzlast von rund 200 kg entsprach.[6]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f A. P. Mesheheryakov, V. G. Glukhovtsev, A. D. Petrov: СИНТЕЗ 1-МЕТИЛ-1,2-ДИЦИКЛОПРОПИЛЦИКЛОПРОПАНА. (PDF) "Synthese von 1-Methyl-1,2-Dicyclopropylcyclopropan". Institut für Organische Chemie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Band 130 (1960), 26. September 1959, S. 779–781, abgerufen am 22. Juli 2022 (russisch).
  2. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. L.I. Smith, J.S. Showell: Cyclopropanes. XIV. Incidental Experiments and an Attemt to Synthesize Dicyclopropyl in J. Org. Chem. 17 (1952) 839–844, doi:10.1021/jo01140a009.
  4. a b c S.M. Pimenova, M.P. Kozina, V.P. Kolesov: The enthalpies of combustion and formation of cis- and trans-1-methyl-1,2-dicyclopropylcyclopropane in Thermochim. Acta 221 (1993) 139-141, doi:10.1016/0040-6031(93)80531-E.
  5. a b c d В. Азов, Д. Воронцов: Последний бой углеводородов? - „Die Letzte Schlacht der Kohlenwasserstoffe?“ (Memento vom 20. September 2009 im Internet Archive; PDF) in Новостей космонавтики, Band 18, No. 2 (2008) S. 44–46.
  6. a b ЖРД РД-107 и РД-108 и их модификации. LRE RD-107 und RD-108 und ihre Modifikationen. Abgerufen am 22. Juli 2022 (russisch).
  7. 15 ноября 1988 года состоялся первый и единственный полет многоразового орбитального корабля (ОК) «Буран». Am 15. November 1988 fand der erste und einzige Flug des wiederverwendbaren orbitalen Raumfahrzeugs Buran (OK) statt. Archiviert vom Original am 14. März 2022; abgerufen am 22. Juli 2022 (russisch).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A. P. Mesheheryakov, V. G. Glukhovtsev, A. D. Petrov: „Synthesis of 1-methyl-1,2-dicyclopropylcyclopropane“, Doklady Akademii Nauk SSSR, 1960, 130, S. 779–781.
  • Yu. P. Semenov, B. A. Sokolov, S. P. Chernykh, A. A. Grigor'ev, O. M. Nefedov, N. N. Istomin, G. M. Shirshov: „Multiple strained-ring alkane as high-performance liquid rocket fuel“, RU 2233385, C2 20040727.
  • T. Edwards: „Liquid Fuels and Propellants for Aerospace Propulsion: 1903-2003“, Journal of Propulsion and Power, 2003, 19(6), S. 1089–1107.
  • V. Azov, D. Vorontsov: „The last battle of hydrocarbons?“, Novosti Kosmonavtiki, 2008, 18, No. 2 (301), S. 44–46.