Zettelkasten
Der Zettelkasten oder Katalogkasten (veraltet teilweise auch Kartothek) ist ein Hilfsmittel bei der Erstellung einer literarischen oder wissenschaftlichen Arbeit. Wichtig erscheinende Sachverhalte, die man z. B. in einem Buch gefunden hat, werden mit Quellenangabe auf Zetteln oder Karteikarten notiert und in Kästen aufbewahrt und geordnet.
Funktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch die Nutzung eines Zettelkastens bzw. eines Gliederungseditors gehen gelesene Informationen nicht verloren. Der Zettelkasten dient als Gedächtnisstütze. Zettelkästen werden beispielsweise in der qualitativen Textanalyse (Grounded Theory, Inhaltsanalyse) verwendet.
Wesentlicher Vorteil eines Zettelkastens gegenüber einem linearen Text, etwa in Form eines Notizbuches ohne Verweise, ist die mögliche und sehr individuelle Vernetzung des Inhalts, die durch Verschlagwortung und Querverweise entsteht.
Mit Hilfe elektronischer Medien lassen sich durch die Verlinkung mit Hyperlinks virtuelle Zettelkästen erstellen, zum Beispiel in Form eines Wikis oder eines Blogs. Auch gibt es spezielle Software, die die Aufgabe eines Zettelkastens erfüllt, beispielsweise Citavi, Lexican oder Obsidian. Außerdem gibt es visuelle Verfahren wie z. B. iMapping, bei dem die vernetzten Zettel auf einer zoombaren Wissenslandkarte so angeordnet werden, dass erstens auch mehrere Inhalte nebeneinander sichtbar werden und zweitens auch die Beziehungen der Zettel untereinander visualisiert werden können.
Bekannte Zettelkästen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besonders bekannt geworden sind die Zettelkästen von Arno Schmidt, Niklas Luhmann, Walter Kempowski, Hans Blumenberg, Friedrich Kittler, Aby Warburg, Paul Otlet, Martin Gardner und Richard Wossidlo aufgrund ihres großen Umfangs und ihrer Bedeutung für Arbeit und Werk ihrer Besitzer. Auch Jules Verne arbeitete damit. Die Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser (GASL) gibt ein Jahrbuch Zettelkasten mit Werkanalysen zu diesem Dichter heraus.
Niklas Luhmann wird oftmals inkorrekterweise als Erfinder des Zettelkastens angesehen. Dennoch trug er maßgeblich zu der Verbreitung sowie Raffinierung dieser Methode bei.
Ausstellungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Literaturmuseum der Moderne in Marbach zeigte vom 4. März bis zum 15. September 2013 die Ausstellung Zettelkästen. Maschinen der Phantasie. Sie versuchte, die Geheimnisse, Strukturen und Vorzüge der Zettelkästen und die Arbeit und Motive ihrer Urheber darzustellen. Einzelne Zettelkästen, wie der von Arno Schmidt für Seelandschaft mit Pocahontas und Peter Rühmkorfs Zettelkasten, sind in der Dauerausstellung des Literaturmuseums zu sehen.
2019 wurde der über Jahrzehnte gepflegte Zettelkasten, der ca. 90.000 Dokumente umfasst, aus Niklas Luhmanns Nachlass in einer universitären Kooperation als Online-Version zur Verfügung gestellt.[1]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wissenschaftliche Abhandlungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Alberto Cevolini, Where Does Niklas Luhmann’s Card Index Come From? «Erudition and the Republic of Letters», vol. 3, n. 4, 2018, pp. 390–420.
- Heike Gfrereis, Ellen Strittmatter (Hrsg.): Zettelkästen. Maschinen der Phantasie. Ausstellungskatalog. Deutsche Schillergesellschaft, Marbach a. N. 2013, ISBN 978-3-937384-85-6.
- Markus Krajewski: Zettelwirtschaft. Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek. Kadmos, Berlin 2002 (= Copyrights 4), ISBN 3-931659-29-1 (englisch: Paper Machines. About cards & catalogs, 1548–1929. MIT Press, Cambridge 2011, ISBN 978-0-262-01589-9).
- Niklas Luhmann: Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht. In: Niklas Luhmann: Universität als Milieu. Kleine Schriften. Hrsg. von André Kieserling. Haux, Bielefeld 1992, ISBN 3-925471-13-8, S. 53–61 (ursprünglich in: Horst Baier u. a. (Hrsg.): Öffentliche Meinung und sozialer Wandel. Für Elisabeth Noelle-Neumann. = Public opinion and social change. Westdeutscher Verlag, Opladen 1981, ISBN 3-531-11533-2, S. 222–228.)
- Christoph Schmitt: Zettelwerkstatt. Feldforschungsbasierte Wissenszirkulation um 1900 und die Praxis papierner Gelehrtenmaschinen am Fallbeispiel des „Volksforschers“ Richard Wossidlo. In: Volkskunde in Sachsen 27 (2015), ISBN 978-3-945363-22-5, S. 7–47.
- Helmut Zedelmaier: Zettelkasten. In: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon. Hrsg. von Nicolas Pethes, Jens Ruchatz. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 2001, ISBN 3-499-55636-7, S. 671–672.
Technische Umsetzung beim wissenschaftlichen Arbeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sönke Ahrens: Das Zettelkasten-Prinzip. Erfolgreich wissenschaftlich Schreiben und Studieren mit effektiven Notizen, Books on Demand, Norderstedt 2017, ISBN 978-3-7431-2498-1.
- Hartmut Gieselmann: Zweites Gedächtnis statt KI. Notizen wissenschaftlich organisieren im digitalen Zettelkasten. In: c't. Nr. 16, 12. Juli 2024, S. 150–155.
Künstlerische Aufbereitungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jean Paul (1796): Leben des Quintus Fixlein, aus funfzehn Zettelkästen gezogen.
- Arno Schmidt (1970): Zettel’s Traum (Roman in 8 Büchern).
- Michael Ende (1994): Zettelkasten, Weibrecht Verlag in K. Thienemanns Verlag 1994.
Journalistische Artikel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Artikel Mein digitaler study-buddy: der Zettelkasten diagoge.com, 27. Januar 2011.
- Artikel "Alles Wesentliche findet sich im Zettelkasten" Telepolis, 21. April 2013.
- Englischsprachige Zettelkasten-Homepage Beschäftigt sich mit dem Zettelkasten und der ihm zu Grunde liegenden Arbeitsweise
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Zettelkasten im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Niklas Luhmanns Zettelkasten als Digitalisat
- Zettelkasten 1 von Niklas Luhmann jetzt online einsehbar Info auf der Website der Universität Bielefeld (14. September 2019. Stand 20. November 2019).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Missing Link: Luhmanns Denkmaschine endlich im Netz. Abgerufen am 2. Juni 2019.