Zwölf-Apostel-Kirche (Berlin)

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Zwölf-Apostel-Kirche in
Berlin-Schöneberg

Die Zwölf-Apostel-Kirche ist die Kirche der evangelischen Zwölf-Apostel-Gemeinde im Berliner Ortsteil Schöneberg. Kirche und Gemeinde gehören zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz (EKBO).

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kirche mit ihrem 57 Meter hohen Turm[1] entstand 1871–1874 nach Plänen von Friedrich August Stüler. Sie steht ganz im Norden Schönebergs fast direkt an der Kurfürstenstraße in der Nähe des Nollendorfplatzes und ist nach Süden statt nach Osten ausgerichtet. Das zugehörige Gemeindegebiet umfasst neben dem Norden Schönebergs auch große Teile des Tiergartens bis zur Siegessäule, dem Bundeskanzleramt, Kulturforum und Potsdamer Platz. Zur Gemeinde gehören weiterhin zwei kulturhistorisch bedeutsame Kirchhöfe Berlins, der Alte Zwölf-Apostel-Kirchhof und der Alte St.-Matthäus-Kirchhof. Zudem gründete die Gemeinde 1883 den Neuen Zwölf-Apostel-Kirchhof.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 1862 hatten die Kirchenbehörden Berlins beschlossen, auf dem Gebiet zwischen dem späteren Landwehrkanal und dem Dorf Schöneberg ein neues Kirchengebäude und die Gemeinde einzurichten, die am 6. April 1864 durch Ordre von Wilhelm I. den Namen Zwölf-Apostel-Kirche nach den zwölf Jüngern Christi erhielt. Bereits 1865 konnte eine Interimskirche mit 500 Plätzen in Betrieb genommen. Der Bau der heutigen Zwölf-Apostel-Kirche wurde am 25. Juli 1870 von Wilhelm I. angeordnet, die Baugenehmigung am 22. April 1871 erteilt und am 23. Oktober desselben Jahres erfolgte in Anwesenheit des Kaisers die Grundsteinlegung. Die Pläne für den Bau hatte der bereits 1865 verstorbene Stüler gezeichnet, die Ausführung übernahm Hermann Blankenstein. Die Vollendung des Baus erfolgte 1874 durch Julius Emmerich.[2] Die erste Orgel lieferte die Firma Dinse.

Bereits im Jahr 1880 war die Gemeinde so sehr angewachsen, dass die Kirche nicht mehr ausreichte und die Gemeindeleitung beantragte, eine weitere Kirche zu bauen. Im vierten Anlauf, 1887, gab die Stadt Berlin diesem Antrag statt und 1894 konnte die Lutherkirche auf dem Dennewitzplatz als Ausgründung der Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht werden.[3]

Im Ersten Weltkrieg musste die Kirchengemeinde zwei der drei bronzenen Kirchenglocken als Metallspende des deutschen Volkes zur Herstellung von Kriegsgerät abliefern. Im Jahr 1924 konnte die Apostelgemeinde drei neugegossene Eisenhartguss-Glocken einweihen und in den Turm aufziehen.[4]

In der Zeit des Nationalsozialismus tobte der Kirchenkampf auch in dieser Kirche, Adolf Kurtz war von 1922 bis 1948 Pfarrer der Zwölf Apostel-Gemeinde und Mitglied der Bekennenden Kirche. Am 22./23. November 1943 hatten Bombenabwürfe zu schweren Schäden an dem Gotteshaus geführt, unter anderem waren die Fenster zu Bruch gegangen und das Dach beschädigt worden. Gleich nach Kriegsende begann die Kirchengemeinde mit dem Wiederaufbau des Hauses. Da aber neues Glas für die Fenster nicht zu erhalten war, kamen die Kirchenleitung und die Fabrikanten der nahe gelegenen Spirituosenfabrik Gilka, auf die Idee, die Fensterflächen durch aufgemauerte rechteckige Gin-Flaschen zu ersetzen. Dafür spendete die Firma rund 5000 leere Flaschen. Nach den erfolgten Reparaturen weihte Bischof Otto Dibelius die Kirche am 17. November 1946 wieder ein.[4][5]

In den folgenden Jahren wurde die Kirche nach und nach renoviert und umgestaltet. Im Jahr 1968 ersetzte ein Orgel-Neubau der Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke die nicht mehr sanierungsfähige historische Dinse-Orgel. Ab 1979 wurden die drei großen Fenster in der Apsis und die unteren Fenster der Seitenschiffe und in die Sakristei links des Altarraums durch künstlerische Ausführungen ersetzt. Eine Renovierung des äußeren Gebäudes fand in den späten 1980er Jahren statt, das gesamte Kircheninnere konnte in den Jahren 1991–1993 ebenfalls erneuert werden.

Nach dem Mauerfall nahmen die Probleme durch den schon lang existierenden Straßenstrich auf der Kurfürstenstraße und den damit zusammenhängenden Drogenhandel immer mehr zu. Seit 1991 engagiert sich die Gemeinde daher mit dem Verein Mittwochs-Initiative e. V.[6] in der Aids-Prävention und bietet Spritzentausch und Kondomausgabe für Drogenabhängige und Prostituierte.

Die Ginflaschen sind in den Emporenfenstern der Seitenschiffe und an einigen anderen Stellen erhalten und stehen seit den 1990er Jahren unter Denkmalschutz. Wegen dieser Fenster hat die Kirche bei den Anwohnern auch den Spitznamen „Gin-Kirche“.

Im Jahr 2000 übertrug die Stadt Berlin der Zwölf-Apostel-Gemeinde große Teile des ehemaligen Gemeindegebiets sowie den historisch bedeutenden Kirchhof der St.-Matthäus-Kirche auf dem Kulturforum, die zur Kulturstiftung St. Matthäus umgewandelt worden war. So umfasst das Gemeindegebiet seitdem eine Fläche weit über den Landwehrkanal hinaus bis zum Potsdamer Platz, das Bundeskanzleramt und die Siegessäule.

Die zur hochkirchlichen Bewegung zählende ökumenische Rogate-Initiative hält als Gastgemeinde seit 2008 teils wöchentlich werktags in der Kirche Andachten und Gottesdienste ab. Das aus ihr hervorgegangene Rogate-Kloster Sankt Michael gründete sich am 29. September 2010 in der Zwölf-Apostel-Kirche. Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz hat das Kloster am 14. Juni 2013 approbiert und als geistliche Gemeinschaft anerkannt.

Baubeschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Innenraum

Stüler hatte einen neugotischen Bau mit einem rechteckigen Grundriss ohne Querschiff entworfen.[5] Unter Verantwortung von Hermann Blankenstein erfolgten leichte Stilabwandlungen, sodass das Bauwerk nun eher dem Rundbogenstil zugeordnet werden kann. Die dreischiffige Hallenkirche (ein Hauptschiff, zwei Seitenschiffe) ist ein Backstein-Bau mit einem von Treppentürmen flankierten spitzen Mittelturm. Der 57 Meter hohe Kirchturm ist mit einem gemauerten Oktogonalhelm abgeschlossen. Das Kirchengebäude wurde mit blassrosa Klinkern verblendet.

Das Kircheninnere erhält sein Tageslicht durch hohe rundbogige zweiteilige Fenster, die jeweils mit einem Okulus abgeschlossen sind.

Die Orgel steht auf der Nordempore, an die sich beiderseits Emporen anschließen. Anfänglich hing von der Mitte des Kreuzrippengewölbes ein großer runder Kronleuchter herab. In der Chor-Apsis gab es eine hochragende Kanzel und einen Altar mit großem Kruzifix.[7]

Die Chorfenster, die Fenster der ehemaligen Sakristei (heute Kapelle) und die der unteren Seitenschiffe sind nach Entwürfen des Berliner Malers Alfred Kothe (1925–1995) von der Kunstglaserei Detlev Graw gefertigt worden; sie wurden zwischen 1960 und 1992 in das Gotteshaus eingebaut. Die bleigefassten Farbglasfenster stellen unter anderem die namensgebenden 12 Apostel sowie die Weihnachtsgeschichte dar, in die der Maler auch eine Katze „hineingeschummelt“ hat.[4]

Der Kirchenraum bietet Sitzplätze für 840 Besucher.[4]

Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick zur Orgel

Die aktuelle Orgel der Kirche wurde 1968 in der Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke gebaut. Sie zählt mit 40 Registern auf drei Manualen und Pedal zu den großen Orgeln dieser Firma in Berlin.[8] ist der Tradition des Orgelbewegung verpflichtet, integriert aber Elemente der französisch-romantischen Orgelbautradition. Im Zusammenhang mit der Kirchenrenovierung 1991–1993 wurde das Instrument generalüberholt und um ein Register sowie eine Setzeranlage erweitert.[9][10]

Orgeldisposition:
I Schwellwerk C–a3
01. Koppelflöte 08′
02. Spitzgambe 08′
03. Prinzipal 04′
04. Flauto douce 04′
05. Quintflöte 0223
06. Nachthorn 02′
07. Terz 0135
08. Quinte 0113
09. Mixtur V 02′
10. Cor anglais 16′
11. Oboe 08′
Tremulant
II Hauptwerk C–a3
12. Rohrflöte 16′
13. Prinzipal 08′
14. Spielflöte 08′
15. Oktaven 04′
16. Rohrflöte 04′
17. Nassat 0223
18. Oktave 02′
19. Mixtur IV–VI
20. Cornett III–V (ab f0) 08′
21. Trompete 08′
III Oberwerk C–a3
22. Holzgedackt 08′
23. Prinzipal 04′
24. Violflöte 04′
25. Spitzgedackt 04′
26. Prinzipal 02′
27. Sesquialtera II 0223
28. Sifflöte 01′
29. Scharff III
30. Musette 08′
Tremulant
Pedalwerk C–f1
31. Prinzipal 16′
32. Subbass 16′
33. Oktave 08′
34. Gedackt 08′
35. Hohlflöte 04′
36. Nachthorn 02′
37. Hintersatz V
38. Posaune 16′
39. Fagott 08′
40. Klarine 04′

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem 1917 zwei Glocken aus Bronze zur Einschmelzung für Kriegszwecke beschlagnahmt worden waren, wurden 1923 vom Bochumer Verein drei Stahlglocken neu gegossen, die im Februar 1924 feierlich geweiht wurden. Auf Grund ihres Materials haben sie den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden.[11][12]

Glocke Schlagton Gewicht Durchmesser
1 e′ ca. 940 kg 1350 mm
2 g′ ca. 520 kg 1130 mm
3 b′ ca. 300 kg 0950 mm

Gemeindesituation im 21. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zwölf-Apostel-Kirche ist das Zentrum einer Gemeinde im Spannungsfeld zwischen Kulturforum, Straßenstrich an der Kurfürstenstraße und dem Regenbogenkiez[13] südlich des Nollendorfplatzes. Die Aktivitäten reichen von Obdachlosenarbeit über Seelsorge bis hin zu Veranstaltungsreihen wie der überregional beachteten „Berliner Politikerkanzel“.[14][15] entstanden in Zusammenarbeit von Gemeinde und Rogate-Initiative.

Einen Schwerpunkt der Gemeinde bildet die Kirchenmusik. Der Zwölf-Apostel-Chor, in dem über 50 Sänger mitwirken, wurde unter der Leitung von Kantor Christoph Hagemann um einen Kurs zum Notenlesen und Blattsingen, regelmäßige Stimmbildung und einen Einsteiger- und einen Kammerchor erweitert.[16] Das Ensemble hat 2009 eine erste CD mit Händels Messiah aufgenommen.[17] Als weitere Ensembles sind Männer-Minne, der erste schwule Männerchor Berlins, Der Straßenchor, ein Projekt von Stefan Schmidt unter Begleitung von ZDFneo, und der Kammerchor vocal-concertisten für Proben und Konzerte in der Zwölf-Apostel-Gemeinde zu Gast.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 12-Apostel-Kirche auf emporis.com.
  2. Uwe Kieling: Berliner Baubeamte und Staatsarchitekten im 19. Jahrhundert. Gesellschaft für Heimatgeschichte und für Denkmalpflege im Kulturbund der DDR, Berlin 1986, S. 21.
  3. Geschichte der ev. Luther-Kirchengemeinde (Memento vom 11. April 2014 im Internet Archive)
  4. a b c d Geschichte der zwölf-Apostel-Kirche auf der Kirchenhomepage, abgerufen am 2. Mai 2021.
  5. a b Tom Wolf, Manuel Roy, Roberto Sassi: Verborgenes Berlin. Hier: Die Fenster der Zwölf-Apostel-Kirche, S. 172/173. Jonglez Verlag 2021, ISBN 978-2-36195-371-3.
  6. Mittwochs-Initiative e. V., abgerufen am 15. April 2010
  7. Beschreibung nach den Bildern auf der Kirchenhomepage.
  8. Die Schuke-Orgel in der Zwölf-Apostel-Kirche, abgerufen am 14. Mai 2010.
  9. Informationen zur Orgel der Zwölf-Apostel-Kirche.
  10. Orgelbeschreibung auf Organ index, abgerufen am 9. April 2024.
  11. youtube.com: Berlin-Schöneberg: Einläuten Zwölf-Apostel-Kirche
  12. Evangelische Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde Berlin: Glocken der Zwölf-Apostel-Kirche
  13. Pressemeldung vom 16. Oktober 2009, abgerufen am 15. April 2010
  14. @1@2Vorlage:Toter Link/www.ekbo.dePressemitteilung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2020. Suche in Webarchiven), abgerufen am 15. April 2010
  15. clk: Eberhard Diepgen steigt auf die „Politikerkanzel“. In: Tagesspiegel. 23. Oktober 2008 (archive.org).
  16. Webseite des Zwölf-Apostel-Chores, abgerufen am 15. April 2010
  17. CD Messiah des Zwölf-Apostel-Chores, abgerufen am 15. April 2010

Koordinaten: 52° 30′ 1,9″ N, 13° 21′ 28,4″ O